Selten gab es so viele neue Gesichter im Fahrerfeld wie in der kommenden Saison. Andrea Kimi Antonelli, Oliver Bearman, Liam Lawson, Isack Hadjar, Gabriel Bortoleto und Jack Doohan stehen vor ihrer ersten vollen Formel-1-Saison. Drei von ihnen haben allerdings schon Formel-1-Erfahrung gesammelt.
Red-Bull-Neuling Lawson bestritt in den letzten beiden Jahren als Aushilfe bei Toro Rosso elf Grands Prix und hat auch schon sechs WM-Punkte auf dem Konto. Bearman stand für Ferrari und Haas drei Mal am Start und hat zwei Mal gepunktet. Doohan gab sein GP-Debüt für Alpine beim Finale in Abu Dhabi.
Doch das ist alles nichts gegen die Aufgabe, die den Rookies in diesem Jahr bevorsteht. Wer unverhofft ins kalte Wasser geworfen wird, kann eigentlich nur gewinnen. Der echte Härtetest ist aus Sicht von Oldie Nico Hülkenberg das erste komplette Jahr. "Die wahre Schwierigkeit besteht darin, das Niveau über eine ganze Saison auf allen Strecken unter allen Bedingungen mit einer geringen Fehlerquote konstant zu halten."

Lewis Hamilton fuhr in seinem ersten Formel-1-Jahr bei McLaren direkt auf Augenhöhe mit dem zweifachen Weltmeister Fernando Alonso.
Keiner startete durch wie Hamilton
In den letzten zehn Jahren haben 21 Fahrer in der Königsklasse debütiert. Elf von ihnen sind noch an Bord. Acht sind inzwischen GP-Sieger. Nur Max Verstappen wurde Weltmeister. Zehn von den einstigen Hoffnungsträgern haben den Durchbruch nicht geschafft und sind aus dem Kreis der Auserwählten wieder ausgeschieden.
Keiner hat einen Start hingelegt wie Lewis Hamilton, der gleich in seinem ersten Jahr um Siege und den Titel mitgefahren ist. Hamilton saß 2007 bei McLaren aber auch gleich in einem Topteam. So wie Antonelli jetzt mit Mercedes und Lawson mit Red Bull. Da liegt der Druck schon vom ersten Rennen an der Schmerzgrenze.
Die meisten Neulinge sind mit einer geringeren Erwartungshaltung in die Königsklasse eingestiegen. Der Maßstab bei der Bewertung kann nur das Team und der Teamkollege sein. Die erste Saison von Max Verstappen 2015 bei Toro Rosso bestätigte, dass der Niederländer seinem Alter von damals 17 Jahren weit voraus war. Er gewann das Quali-Duell gegen Carlos Sainz knapp mit 10:9, sammelte aber fast drei Mal so viele Punkte wie der Spanier.

Albon und Gasly sahen gegen Verstappen alt aus. Beide fanden ihr Glück später außerhalb des Red-Bull-Kosmos.
Gasly und Albon nicht in Verstappen-Liga
Toro Rosso landete in der Saison 2015 auf Platz sieben der Konstrukteurs-WM. Als Zwölfter in der Fahrerwertung war Verstappen damit besser als sein Team. Doch Wunderdinge wie ein Podium oder eine erste Startreihe konnte auch der spätere Serien-Weltmeister nicht vorweisen. Verstappen zeigte sein wahres Gesicht erst nach dem Aufstieg ein Jahr später zu Red Bull.
Diese Chance konnten seine Nachfolger Pierre Gasly und Alexander Albon nicht nutzen. Beide wurden von Verstappen in die Wüste geschickt. Trotzdem zählen sie zum Stammpersonal der Formel 1. Gasly beendete sein Einstandsjahr bei Toro Rosso mit 29 Punkten als Fünfzehnter und setzte sich im Quali-Duell mit Brendon Hartley mit 14:7 durch.
Albon rochierte während seiner Rookie-Saison zwischen den beiden Red-Bull-Teams hin und her, belegte den achten Platz und hamsterte immerhin 92 Punkte. Das halbe Jahr beim Topteam schönte die Bilanz. In den Quali-Duellen unterlag der Thailänder gegen seine Teamkollegen mit 6:15.
Yuki Tsunodas Anlaufphase verlief noch zäher als die seiner Vorgänger. Der Japaner drängte sich 2021 als Vierzehnter und 32 Punkten nicht gerade auf. Das Quali-Duell ging mit 20:2 an Stallrivale Gasly. Hätte Honda nicht die Rechnungen bezahlt, hätte Red Bull auch nicht so viel Geduld mit seinem Sorgenkind gehabt. Tsunoda geht 2025 schon in seine fünfte Saison.

Charles Leclerc begann seine F1-Karriere 2018 bei Sauber. Schon damals an seiner Seite: Frederic Vasseur.
Guter Einstand für Ocon und Leclerc
Bei Esteban Ocon zeichnete sich eine längere Formel-1-Karriere dagegen schon im ersten Jahr ab. Der Franzose kam mit der Erfahrung von neun GP-Starts für Manor zu Force India und lieferte gleich im ersten vollen Jahr mit WM-Platz acht und 87 Punkten ordentlich ab. Force India war 2017 allerdings auch die vierte Kraft im Feld. Und Sergio Perez setzte sich in 13 von 20 Quali-Duellen durch.
Charles Leclerc fuhr in seinem ersten Jahr seinen Stallrivalen Marcus Ericsson mit 17:4 in der Qualifikation und 39:9 WM-Punkten an die Wand. Der achtfache GP-Sieger platzierte sich auf Platz 13 besser als sein Sauber erlaubt hätte. Das Team rangierte nur auf dem achten Platz der Konstrukteurswertung. Ferrari reichte das Zeugnis und holte sich Leclerc 2019 ins Team.
Stoffel Vandoorne hatte das Pech, in der schlechtesten Saison für McLaren zu fahren. Mit seinem 16. WM-Platz schnitt er 2017 besser ab als sein Team. Das hätte eigentlich für eine dauerhafte Beschäftigung in der Königsklasse reichen müssen, wäre er 2017 und 2018 nicht auf Fernando Alonso getroffen. Der elf Jahre ältere Spanier zeigte Vandoorne die Grenzen auf.

Als Meister der Formel 3 und der Formel 2 standen Oscar Piastri und Mick Schumacher 2020 gemeinsam auf dem Podium. In der Formel 1 sammelte nur einer von beiden erfolgreich Pokale.
Schumacher fehlte das Glück von Russell
Zahlen helfen bei der Bewertung der Rookies nur bedingt weiter. Für George Russell und Mick Schumacher war die erste Saison eine Nullrunde. Ihre Teams Williams und Haas waren in den entsprechenden Jahren das Schlusslicht. Kaum wurden sie im Jahr darauf besser, kamen auch Punkte aufs Konto.
Russells Durchbruch war ein Einsatz im Mercedes, als er den an Corona erkrankten Lewis Hamilton vertrat. Der Engländer hätte den GP Sakhir fast gewonnen. Damit war unabhängig von den Ergebnissen bei Williams klar: Russell ist ein Champion von morgen. Dieses Glück hatte Schumacher nicht, obwohl er bei Mercedes zwei Jahre lang auf der Reservebank saß.
Oscar Piastri hatte seit Verstappen gefühlt den besten Einstand. Der Australier schloss seine Premierensaison 2023 als Neunter ab, fuhr zwei Mal auf das Podium, startete ein Mal aus der ersten Reihe, dekorierte sich zwei Mal mit der schnellsten Rennrunde und gewann den Sprint in Katar.
Inzwischen ist Piastri zweifacher GP-Sieger. Die Messlatte liegt für den Meister der Formel 3 und Formel 2 unheimlich hoch. Lando Norris ist vom Speed auf Verstappen-Niveau und hat vier Jahre mehr Erfahrung. Piastri hat schon den Kopf eines Weltmeisters. Der Rest kommt in dieser Saison dazu, ist sein Manager Mark Webber überzeugt.