Silverstone ist die Angststrecke von Pirelli. Keine andere Piste im Rennkalender der Formel 1 stresst die Reifen so sehr. Die Querkräfte in den langgezogenen Passagen sind erheblich. Silverstone ist mit einem Volllastanteil von fast 80 Prozent eine Highspeed-Strecke par excellence. Gerade die Kurven 1, 8, 9, 10, 11, 12 und 15 malträtieren den linken Vorderreifen.
Weil die Autos bereits jetzt Abtriebswerte erreichen, die man so frühestens am Saisonende erwartet hatte, musste aus Sicht von Pirelli eine Änderung her. Und die kommt für Silverstone gerade recht. Pirelli hat die Konstruktion der Slickreifen modifiziert, und dabei Materialien verwendet, die eigentlich erst im nächsten Jahr hätten eingesetzt werden sollen. Die neuen Reifen sind noch widerstandsfähiger gegen Ermüdungs-Erscheinungen.

Neue Reifen nur 440 Gramm schwerer
Die Teams kennen die überarbeiteten Reifen bereits. Im Training zum GP Spanien durften sie sich damit vertraut machen. Ab dem GP England sind sie im Einsatz. Und noch bevor die Autos die ersten Meter auf der Rennstrecke zurückgelegt haben, kommt es zu einer kleinen Kontroverse. Mercedes-Pilot George Russell hat sie angestoßen. "In Barcelona bei den Tests im Training war der Reifensatz bereits 800 Gramm schwerer. Die Reifen, die wir in Silverstone verwenden, sind sogar 1,1 Kilogramm schwerer als die von letzter Woche in Spielberg", rechnet der 25-Jährige vor. Er bezieht sich dabei auf die alte Konstruktion.
Dass der verstärkte Unterbau ins Gewicht geht, konnte man sich denken. Dass er das Gewicht aber so weit nach oben treibt? Am Rennwochenende von Spanien jedenfalls setzte Pirelli noch Prototypen-Reifen ein. Da kann das Gewicht schon mal vom endgültigen Produkt abweichen. Die Endversion sei nicht schwerer, sondern sogar leichter. Ein Satz der neuen Reifen wiege tatsächlich 440 Gramm mehr. Bei einem Gesamtgewicht von durchschnittlich 43,832 Kilogramm pro Reifensatz sei das zu vernachlässigen.
Problem wegen Mindestgewicht?
Wer hat recht: Um wie viel schwerer sind denn nun die neuen Reifen? Das Technik-Reglement gibt uns eine Stütze. Dort müssen wir in Artikel 4 schauen, der sich mit dem Gewicht der Formel-1-Autos beschäftigt. Und dort auf Artikel 4.3. Hier geht es um die "Masse der Reifen". Dort heißt es: Wenn die Reifen schwerer werden, müsste auch das Mindestgewicht hoch. Ab einem halben Kilogramm würde aufgerundet werden. Bedeutet: Wären die Reifen ein halbes Kilo oder mehr schwerer, würde das Mindestgewicht der Autos von 798 auf 799 Kilogramm steigen.
Das Mindestgewicht soll im Vergleich zur Vorwoche gleich geblieben sein. Deshalb kursiert durch das Fahrerlager eine andere Theorie. Teams, die am Mindestgewicht kratzen oder darüber liegen, würden hinten herum über die neue Reifenkonstruktion eine Erhöhung anstreben. Das soll nicht heißen, dass ihre Zahlen nicht stimmen. Messen bedeutet nämlich nicht immer gleich messen. Da kommt es immer darauf an, was man tatsächlich alles reinrechnet. Schlussendlich zählt nur, was die FIA misst – und angibt.