Formel 1: Die Radmutter macht Probleme

Formel 1-Technik: Die Radmutter
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Die Radmutter aller Probleme

Schlagschrauber und Radmutter © Daniel Reinhard 63 Bilder

Schon zwei Mal spielte eine Radmutter in dieser Saison Schicksal. Sebastian Vettel verlor den Sieg beim GP Australien. Bei Michael Schumacher musste in Malaysia aufgeben. Radmuttern sind nur scheinbar ein simples Stück Technik. Dahinter steckt fast eine Wissenschaft für sich.

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Eine Radmutter wiegt zwischen 300 und 350 Gramm. Sie ist aus Stahl oder Aluminium. Ein Stück kostet rund 450 Euro. Doch die scheinbar simplen Schrauben können ein Rennen entscheiden. Sebastian Vettel kostete eine lockere Radmutter an der Achse links vorne den Sieg in Melbourne. Und Michael Schumacher schrieb beim GP Malaysia eine Nullrunde, weil sich die Radmutter links hinten komplett löste. Da fragt sich der normale Fan: Was kann daran so schwierig sein, eine Radmutter richtig festzuschrauben?

Extreme Kräfte zerren an der Radmutter

Sauber-Technikchef Willy Rampf entgegnet: "Radmuttern sind in der Formel 1 eine Wissenschaft für sich. Wenn nicht alles passt, kann es leicht zu Zwischenfällen wie bei Vettel und Schumacher kommen." Besonders kritisch sind die hinteren Radmuttern, wie im Fall Schumacher. Das Hinterrad überträgt beim Bremsen und Beschleunigen Kräfte in beide Richtungen. Vorne rollt das Rad nur mit, wenn der Fahrer aufs Gas steigt. Die Kräfte sind gewaltig. Formel 1-Autos beschleunigen in 2,5 Sekunden von null auf 100 km/h. Und sie bremsen sich innerhalb von 80 Metern von 300 auf 60 km/h runter. Die Verzögerung beträgt bis zu fünf g. Das zerrt auch an den Radmuttern.

Sauber verwendet nur alte Felgen und abgetragene Muttern. "Wenn Rad und Mutter neu sind, kommt es fast zwangsläufig zu Komplikationen", sagt Rampf. Beide Teile müssen sich erst einlaufen. Bei einem Formel 1-Rad hält eher der unterschiedliche Konus von Mutter und Felge die Radmutter auf der Nabe als das Gewinde selbst. Sind die beiden Komponenten noch nicht aufeinander eingeschliffen, geht der Halt verloren.

Schlagschrauber hämmern die Muttern auf das Gewinde

Es passiert aber auch hin und wieder das umgekehrte Phänomen. "Wir hatten mal einen Test, da haben wir eine Radmutter nicht mal mehr mit roher Gewalt runtergebracht. Durch die Hitzeausdehnung hatte sie sich in die Felge gefressen. Wir mussten den ganzen Radträger abmontieren", erzählt Rampf.

Die Räder werden mittels der Schlagschrauber regelrecht auf den Gewindegang der Nabe gehämmert. Es gibt keinerlei Drehmomentvorschriften. Der Mechaniker muss es im Gefühl haben, ob die Mutter sitzt oder nicht. Lieber zu fest angezogen als zu wenig. Da die Schlagschrauber beim Losdrehen höhere Kräfte entwickeln als beim Festziehen, bekommt man in aller Regel auch extrem angezogene Radmuttern wieder runter.

Radmuttern über dem Limit?

Die Radnaben und Gewinde sind extrem dünn und lang. "Ein kurzes Gewinde gäbe gar nicht genug Halt", winkt Rampf ab. Wenn überhaupt ein Problem auftritt, dann kann man es sich nach einem eiligen Boxenstopp vorstellen. Doch Schumachers Radmutter verabschiedete sich zehn Runden nach dem Start. "Wir haben vor dem Start den Sitz der Muttern noch einmal genau geprüft", beteuert Mercedes GP-Teamchef Ross Brawn.

Da jetzt die Radmutter-Probleme gehäuft auftreten, stellt sich die Frage, was sich seit dem letzten Jahr geändert hat. Die Reifenwechsel sind noch wichtiger geworden, weil sie nach dem Tankverbot jetzt allein die Standzeit in den Boxen bestimmen. Sind da einige Teams bei der Konstruktion ihrer Radmuttern, Naben und Felgen über das Limit hinausgeschossen, nur um beim Reifenwechsel ein paar Zehntelsekunden zu gewinnen oder mit einer Mutter aus Aluminium ein paar Gramm zu sparen. "Gut möglich", vermutet Rampf. "Wir verwenden dieses Jahr nur Radmuttern aus Stahl. Die sind weniger kritisch."

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