F1 Silverstone: Mercedes, Aston & Perez straucheln

Mercedes, Aston Martin und Perez straucheln
Die Verlierer der Silverstone-Quali

GP Großbritannien 2023

Der übliche Verdächtige thronte an der Spitze. Dabei hätte auch Max Verstappen zu den Verlierern des Tages in Silverstone gehören können. Kurz vor dem Neustart des Q1 untersteuerte der Weltmeister beim Verlassen der Garage in die Boxenmauer. Er beschädigte sich dabei den Frontflügel. "Ich hatte einfach keinen Grip vorn und zu viel hinten", witzelte der Pole Setter später nach getaner Arbeit.

Seine Mechaniker mussten den Flügel in der Garage wechseln. Das verfrachtete Verstappen später auf die vorletzte Position. Er stellte sich hinter Rivale Lewis Hamilton an. Nur noch Pierre Gasly im Alpine war hinter ihm. Es blieben 3:11 Minuten, um eine Aufwärmrunde zurückzulegen und sich danach zu verbessern.

Verstappen hatte es nötig. Mit seiner vorherigen Bestzeit wäre er im Q1 aus der Qualifikation gesegelt. Der Champion kreuzte den Zielstrich sieben Sekunden vor Ablauf der Uhr. Er steigerte sich. Er kam durch. "Da sieht man mal, wie schnell es gehen kann." In der Tat: Sieben Sekunden entschieden in diesem Fall über Sein und Nicht-Sein. "Wir haben selbst mit Max ein paar Mal gezittert heute", berichtete Red Bulls Sportchef Helmut Marko.

Sergio Perez - Red Bull - GP England 2023 - Silverstone
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Perez wieder früh draußen

Der Teamkollege hatte freie Bahn und machte dennoch nichts daraus. Sergio Perez suchte in den Reifen eine Ausrede. "Die rote Flagge dauerte länger an, als wir angenommen hatten. Meine Reifen kühlten im Stillstand aus. Ich brachte sie in der Outlap einfach nicht auf Temperatur." Das kann man nur bedingt gelten lassen. Perez hatte den Luxus, sich die Reifen konditionieren zu können und nicht in den Turbulenzen fahren zu müssen.

Dafür aber hatte er den Nachteil, dass die Strecke mit jeder Gummischicht und mit jedem folgenden Auto schneller wurde. Der Mexikaner fiel als 16. bereits im ersten Durchgang durch den Rost. Das darf in einem Red Bull nicht passieren. Kalte Reifen hin oder her. Zum fünften Mal in Serie verpasste Perez das Q3. "Die Qualifikation war schon in der Vergangenheit eine Schwäche von ihm", tadelte der Sportchef. "Nur tritt sie aktuell zu häufig auf. Das muss er in den Griff bekommen. Zum Glück für ihn kann man in Silverstone gut überholen. Wir haben heute gesehen, dass unsere Topspeeds deutlich ansteigen, sobald DRS im Spiel ist.

Lewis Hamilton hätte es wie Verstappen bereits im Q1 erwischen können. Er befreite sich im letzten Moment aus der Abstiegszone. Fernando Alonso rettete sich auf dem 15. Platz ins Q2. Um ein Haar wäre der Spanier bei Aston Martins Heimspiel nach 18 Minuten zum Zuschauer geworden. Das rettende Ufer erreichte er 19 Tausendstel eher als Red-Bull-Fahrer Sergio Perez.

McLaren vor üblichen Verfolgern

Mercedes und Alonso erreichten den dritten Durchgang. Dort allerdings schnappten sich andere Autos die besten Startpositionen. Verstappen auf Pole, dahinter die starken McLaren. Das flüssige Layout und die nicht zu hohen Temperaturen sind ganz nach dem Geschmack des Papaya-Rennwagens, der einen Mix aus Red Bull und Aston Martin in sich vereint. Die weichen C3-Reifen unterstützten den Vorwärtsdrang.

Dazu kommt ein Upgrade, das den MCL60 seit Österreich beflügelt. In Silverstone rüstete McLaren nach, und erzielte in der Qualifikation das beste Saisonergebnis. Das Handling bleibt schwer. Doch der McLaren ist schnell. Und offensichtlich versteht McLaren, was zu tun ist, um besser zu werden. Mercedes-Teamchef Toto Wolff versucht, dem Aufwärtstrend der Gegner etwas Positives abzugewinnen. "Aston Martin hat von 2022 auf 2023 einen Riesenschritt gemacht. McLaren jetzt unter der Saison. Sie sind eine Sekunde schneller geworden. Sie sind gute Beispiele, wie man das Ruder herumreißen kann."

Lewis Hamilton - Mercedes - GP England 2023 - Silverstone
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Schumacher im Simulator

Bei Mercedes sind die Schwankungen weiter riesig. Am Freitag waren die schwarzen Autos auf eine Runde im Nirgendwo. In der Hitze schmiert der W14 ab. Je heißer, desto weniger bekömmlich für das Auto aus dem englischen Brackley. "Die weiche Mischung überhitzte", erklärte Teamchef Toto Wolff. Am Samstag ging es aufwärts. Mitunter, weil sich der Asphalt abkühlte. Und weil Mick Schumacher im Simulator unterstützte.

Der Ersatzfahrer war nach dem zweiten Training in den Simulator gesprungen. Wie üblich an einem Freitag bei einem Europa-Rennen. Er saß dort bis zwei Uhr nachts und spulte um die 120 Runden ab. Immer wieder wurde der Simulator neu kalibriert und verschiedene Setups durchgespielt. Zum Beispiel mehr oder weniger Flügel, eine tiefere oder höhere Bodenfreiheit.

Der Sprung in die Top 10 der Startaufstellung glückte, der den Mercedes am Vortag noch verwehrt geblieben war. Red Bull war außer Reichweite. Wenngleich sich Mercedes den GPS-Daten nach lange auf Augenhöhe bewegte. "Bis Kurve 13 waren wir gleichauf mit Max und schneller als alle anderen", schildert der Teamchef. "Aus Becketts und Chapel haben wir verloren. Und dann noch mehr in Stowe. Es fehlt uns in den Highspeed-Passagen." Das klingt auch danach, dass die Reifen wieder vorzeitig in die Knie gingen. Jedenfalls stiegen am Ende der Quali wieder die Asphalttemperaturen.

Renngott gegen Mercedes

McLaren und Ferrari waren schneller. Dabei ist Silverstone mit seinen vielen schnellen Kurven doch die Paradestrecke von Mercedes. So war es jedenfalls oft in der Vergangenheit. Die Hoffnung ruht auf starken Longruns vom Freitag. Bei geringeren Geschwindigkeiten gehört der Silberpfeil zu den Reifenstreichlern im Feld.

Ja, Mercedes hätte bereits in der Qualifikation besser abschneiden können als die Positionen sechs und sieben. Zwischen Platz drei (Oscar Piastri) und Hamilton lagen nur 0,119 Sekunden. "Tausendstel haben entschieden. Der Renngott war leider gegen uns", bedauerte Wolff. Das Upgrade brachte das erwartete Ergebnis. Der neue Frontflügel macht den W14 schneller. Nur erzielte speziell McLaren größere Fortschritte. "Die Fluktuation im Feld ist seltsam. Lange sah Aston Martin wie die Nummer zwei aus. In Österreich war es Ferrari. Jetzt McLaren", befindet Wolff.

Aston Martin ist wie zuletzt in Spielberg außer Tritt. Strecken, die den Vorderreifen mehr fordern als die Hinterachse schmecken dem AMR23 nicht so sehr. Aston Martin braucht langsame und mittelschnelle Kurven, um seine Traktion auszuspielen. In Silverstone sind zu viele Kompromisse gefragt. Zwischen Topspeed und Abtrieb. Zwischen langsamen und schnellen Kurven. Da geraten die grünen Autos ins Straucheln.

Charles Leclerc - Ferrari - GP England 2023 - Silverstone
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Ferrari verpasst Reihe eins

Die Ingenieure entschieden sich für weniger Heckflügel. Das trieb die Höchstgeschwindigkeit nach oben. Prompt war Alonso am Ende der Hangar-Gerade mit 327,2 km/h der schnellste Mann. Dafür dürfte Aston Martin in den Kurven bezahlt haben. Alonso treibt seine Mannschaft an: "Wir müssen weiter verstehen lernen, warum unsere Leistung auf verschiedenen Strecken schwankt."

Das Team brachte noch andere Gründe für einen enttäuschenden neunten Platz an. Im Q3 wurde das DRS freigegeben. In Silverstone darf man auf zwei Geraden den Heckflügel flachstellen. Aston Martin hat noch immer kein besonders effizientes System. Es dauert im Vergleich zur Konkurrenz länger, bis man Höchstgeschwindigkeit aufbaut. Der kleinere Flügel mag das Problem verstärkt haben. Dann schrumpft der DRS-Effekt automatisch.

Alonso beging zudem einen Fahrfehler. Der Spanier verlor in Kurve sieben etwa eineinhalb Zehntel. Es hätte sonst ausgereicht, um wenigstens den Williams von Alexander Albon abzufangen. Für mehr als den achten Platz war der Aston Martin an diesem Samstag von Silverstone nicht gut.

Zum Schluss noch ein Wort zu Ferrari, das eine ordentliche Qualifikation ablieferte, und besser abschneiden hätte können als die Positionen vier und fünf. Mit sauberen Runden im letzten Q3-Versuch wäre deutlich mehr möglich gewesen. "In Kurve 15 habe ich Grip verloren", erzählte Charles Leclerc. Die erste Startreihe lag im machbaren Bereich. Der Monegasse wurde wie alle von den McLaren überrascht. Für das Rennen peilt er den zweiten Platz hinter Verstappen an. Er rechnet allerdings mit schnellen Mercedes über die Distanz.