Domenicalis F1-Pläne: Kalender mit maximal 24 GPs

Formel 1 sucht die Balance
Kalender mit maximal 24 Rennen

Formel-1-Chef Stefano Domenicali kann zufrieden sein. Das Geschäft brummt. Die Formel 1 verfolgte ihn bis in den Urlaub, egal ob in den Bergen oder am Meer. "Jeder spricht über die Formel 1, egal wo. Immer mehr junge Leute und Frauen schauen uns zu. Wir haben es zurück in die erste Reihe der globalen Sportarten geschafft." Gleichzeitig warnt der 57-jährige Italiener: "Wenn die Dinge gut laufen, darfst du dich nicht zurücklehnen. Es ist wichtig, ständig darüber nachzudenken, was man besser machen könnte."

Der Höhenflug der Formel 1 ist Fluch und Segen zu gleich. Plötzlich wollen alle am Lottogewinn teilhaben. "Es gibt mehr Interessenten für einen Grand Prix als wir Plätze im Kalender haben", gibt Domenicali zu. Bei den Teams ist er mit der gleichen Situation konfrontiert. Andretti und einige andere wollen in den Club. Die zehn aktuellen Rennställe zeigen sich mäßig begeistert.

Noch eine Chance für Spa

Das Schlagwort für den Formel 1-Boss heißt "Balance". Ein Gleichgewicht zwischen dem finden, was dem Sport gut tut, was die Kasse füllt und was zu einer Übersättigung führen würde. Namen und Geschichte allein ist zu wenig. "Ich habe zum Beispiel den Leuten in Monza gesagt: Verlasst euch nicht auf die Historie allein. Ihr müsst mit der Zeit gehen, wenn ihr im Kalender bleiben wollt."

Die Anzahl der Rennen treibt alle im Zirkus um. In grauer Vorzeit galt 16 als Obergrenze. 2012 haben wir zum ersten Mal an der 20 gekratzt. 2021 und 2022 waren es schon 22 und im nächsten Jahr könnten es 24 werden. China und Südafrika stehen noch auf der Kippe. Fällt Südafrika raus, springt Spa ein. Vielleicht zum letzten Mal für lange Zeit. Domenicali gibt den Belgiern trotzdem noch eine Chance: "Ich schätze Mal, der Veranstalter wird mir am Wochenende einige Besuche in meinem Büro abstatten."

Eau Rouge - Spa-Francorchamps - 2022
Spa-Francorchamps

Für den früheren Ferrari-Sportchef liegt die Obergrenze bei 24 Rennen. "Wenn ich das Gefühl habe, dass bei zu vielen Rennen das Interesse der Leute abflacht, bin ich der erste, der die Zahl der Rennen reduziert." Mit der Romantik, dass 16 Premiumveranstaltungen besser sind als eine Inflation an Rennen kann Domenicali nichts anfangen: "Am Ende müssten die 16 so viel mehr zahlen, dass sie den Verlust der anderen Rennen ausgleichen. Das ist unmöglich."

Je ein Drittel Europa, Asien und der Rest

Alles über 24 Grands Prix droht den Wert der Einzelveranstaltung zu verwässern. Domenicali warnt deshalb alle Kandidaten, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. "Wir suchen den richtigen Kompromiss zwischen neuen und alten Schauplätzen, zwischen dem Erlös, den wir erwirtschaften können und dem Wert, der für das jeweilige Land oder Region geschaffen wird und zwischen den Schauplätzen selbst. Im Idealfall sollten die Rennen zu je einem Drittel in Europa, in Asien und im Rest der Welt stattfinden."

Der Kalender für 2023 soll in spätestens zwei Wochen stehen. So viel ist sicher. Deutschland wird nicht dabei sein. Domenicali schließt eine Rückkehr der Autonation ins GP-Programm trotzdem nicht aus, vor allem wenn ab 2026 mit Mercedes, Audi und Porsche drei deutsche Premiumhersteller vertreten sind. "Wir hoffen, dass Deutschland an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Die Tür ist offen, und ich glaube, dass bald Fakten geschaffen werden, die eine Diskussion rechtfertigen."

Andretti Autosport Logo
Motorsport Images

Elf Teams erhöhen nicht den Wert

Während die Formel 1 bei den Veranstaltungen an die Schmerzgrenze geht, will sie den Club bei den Teams lieber klein aber fein halten. Andretti weht bei seinem Gesuch als elftes Team aufgenommen zu werden ein scharfer Wind ins Gesicht. Dass die meisten etablierten Teams kein großes Interesse an einem neuen Mitesser haben, kann man verstehen. Sie fürchten, dass ihr Anteil am Kuchen schrumpft, wenn das 200 Millionen Dollar Eintrittsgeld mal aufgebraucht ist.

Aber auch Domenicali bleibt beim Thema Andretti in Deckung: "Im Augenblick sehen wir nicht, dass uns eine Aufstockung an Teams mehr Wert bringen würde." Der Formel-1-Chef macht deutlich, dass er Andrettis offen vorgetragene Kritik an der Zurückhaltung der Formel 1, nicht für zielfördernd hält: "Es gibt noch andere Interessenten, die ihre Wünsche diskret vorbringen. Andretti hat den lauten Weg gewählt. Es gibt dazu ein ganz klares Protokoll. Wer sich für einen Platz im Feld bewirbt, muss solide aufgestellt sein und sich langfristig bekennen."

Richtiger Mix aus Innovation und Unterhaltung

Eine ganz andere Geschichte ist das neu entfachte Interesse bei den großen Automobilkonzernen. Audi und Porsche haben die Tür schon aufgestoßen. Honda will zurück. Ein weiterer Hersteller steht in den Startlöchern und ein anderer zeigt vorsichtiges Interesse. "Wenn sich so viele Hersteller für die Formel 1 interessieren, in einer Zeit, die nicht einfach für die Automobilindustrie ist, dann verschafft das unserer Plattform höchste Glaubwürdigkeit. Und es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind mit unserem Mix aus innovativer Technik und Unterhaltung."

Domenicali kann sich vorstellen, dass es in der Formel 1 bald schon wieder so viele Motorenhersteller gibt wie zum Höhepunkt der ersten Turbo-Ära oder den besten Tagen nach der Rückkehr zu den Saugmotoren. Damals waren bis zu neun unterschiedliche Motorenlieferanten am Start. Für Domenicali ein wichtiger Schritt zu mehr sportlicher Chancengleichheit: "Sollten wir in Zukunft vielleicht mal acht Hersteller im Boot haben, dann besteht nicht mehr die Gefahr, dass einer alles beherrscht."

Deshalb will das F1-Management auch an seiner Nachhaltigkeitspolitik festhalten. Spätestens 2030 soll die Königsklasse klimaneutral sein. Domenicali verrät: "Wir reden mittlerweile mit der Politik, um unsere Pläne vorzustellen. Das hat schon vielen Leuten darüber die Augen geöffnet, was wir tun. Und damit sind nicht nur die E-Fuels gemeint, mit denen wir ab 2026 fahren."