FIA-Technikchef Tombazis über die neuen F1-Autos

FIA-Technikchef zu neuen F1-Autos 2022
Feld rückt enger zusammen

Das Formel 1-Jahr 2021 ist mit einem Krimi zu Ende gegangen. Viele sprechen von der besten Saison aller Zeiten. Das macht es für den Neustart der Formel 1 im kommenden Jahr umso schwerer, gut dazustehen. FIA-Technikchef Nikolas Tombazis gibt zu: "Es ist schwer vorstellbar, dass wir diese Saison im ersten Jahr der neuen Formel übertreffen können. Es ist aber wichtig, dass wir die zwei Ziele erreichen, die wir uns gesteckt haben. Das Feld soll enger zusammenrücken, und es soll einfacher werden, einem anderen Auto zu folgen."

Tombazis ist zuversichtlich, dass schon am Ende der kommenden Saison das erste Ziel erreicht sein wird. "Im Moment trennen ungefähr drei Sekunden den Ersten vom Letzten. Wir hoffen, dass es Ende 2022 nur noch eineinhalb Sekunden sein werden." Wahrscheinlich müsse man sich zu Saisonbeginn noch auf ein paar größere Abstände einrichten, meint der 51-jährige Grieche. "Aber die Autos werden sich schnell angleichen, wenn klar wird, was funktioniert und was nicht."

Ein Zusammenrücken des Feldes geht am Anfang nur mit weniger technischen Freiheiten für die Teams. Sonst passiert, was 2009 die damals gut gemeinten Änderungen an den Autos, mit dem Ziel besser überholen zu können, verwässert hat.

Alpha Tauri - F1-Auto 2022 - Team-Lackierung
Alpha Tauri

Regelanpassungen im Lauf der Saison

Tombazis ist zuversichtlich, dass die Formel 1 aus dieser Erfahrung gelernt hat: "Die Ziele waren korrekt. Die grundsätzlichen Maßnahmen dazu auch. Der Fehler lag darin, dass den Teams zu viele Freiheiten gewährt wurden. Deshalb wurden die Ziele am Ende verfehlt." Aus diesem Grund sind die 2022er Regeln nicht in Stein gegossen. "Ich erwarte Anpassungen im Lauf der Saison, sollten die Dinge nicht wie gewünscht funktionieren."

Werden deshalb alle Autos ähnlich aussehen? Der ehemalige Ingenieur von McLaren und Ferrari differenziert: "Es hängt davon ab, wie genau man hinschaut. Im Detail werden sie sich unterscheiden. Am Anfang mehr als später, wenn die Teams erkannt haben, was der richtige Weg ist. Wenn wir mal ehrlich sind, sehen auch die aktuellen Autos ziemlich gleich aus. Wir haben 2019 eine Umfrage unter den Teamchefs mit weiß lackierten Autos gemacht, und selbst die haben nicht alle Autos erkannt."

Die Furcht vor dem genialen Trick, der ein Team unschlagbar macht, wird auch dadurch genommen, dass die FIA in Zukunft viel mehr Einfluss darauf hat, was sie erlaubt und was nicht. Sämtliche Entwicklungen, die sich nachteilig für das Überholen auswirken oder die Kosten unvernünftig in die Höhe treiben könnten, werden im Ansatz verboten.

Bei allen anderen Schlupflöchern haben die Techniker des Verbandes ein genaues Auge darauf. Sie sind heute im Verbund mit den Ingenieuren des F1-Managements viel besser ausgerüstet, Konsequenzen einer Entwicklung abzuschätzen. Den Regelhütern stehen heute Windkanal und CFD zur Verfügung.

Laurent Mekies - Ferrari - Nikolas Tombazis - FIA
xpb

Eher eine statt drei Sekunden

Tombazis verrät, dass es beim Ablehnen von bestimmten Ideen auch auf den Zeitpunkt ankommt. "Es ist ein Unterschied, ob einer im Dezember oder im nächsten März damit um die Ecke biegt. Jetzt hätte er noch Zeit, etwas zu ändern. Im März würde es schwieriger. Je länger der Vorlauf, umso strenger werden wir das handhaben." Der FIA-Ingenieur ist aber zuversichtlich, dass mit Beginn der Saison hauptsächlich nur noch Detailarbeit stattfindet. Die grundsätzlichen Konzepte stehen. Die Teams befinden sich zum Teil bereits in der Crashtest-Phase. Zwei davon haben sämtliche Crashtests bereits bestanden.

Auf eine genaue Prognose, wie schnell die 2022er Autos sein werden, will sich Tombazis nicht einlassen. Sein Gefühl sagt ihm, dass es eher eine Sekunden statt drei sein werden – im Vergleich zu den Auslaufmodellen. "Ich bin deshalb vorsichtig, weil wir immer noch nicht wissen, wie sich die 18-Zoll-Reifen, die E10-Umstellung der Motoren und die Fahrbarkeit aufgrund der anderen Aerodynamikcharakteristik auswirken werden."

Es ist gut möglich, dass die neuen Autos schwerer zu fahren sein werden, weil das Venturi-Prinzip die Fahrzeuge in den schnellen Kurven an die Strecke saugt, der Effekt in langsamen Ecken aber drastisch nachlässt. "Wenn die Autos schwerer zu fahren sind, wäre es gut für die Formel 1." Tombazis ist guter Dinge, dass die Motoren in einem kleinen Fenster zusammenliegen werden. Und wenn nicht? "Wir haben unter den Herstellern noch keine Einigung erzielt, wie wir reagieren, wenn ein Motor weit hinter den anderen liegt."