Normalerweise kommen Formel-1-Ingenieure bei technischen Fragen irgendwann auf ähnliche Antworten. Bei der Form der Nase gibt es aber auch nach drei Jahren mit einem stabilen Reglement viele unterschiedliche Lösungen.
Es ist fast schon ein Gesetz in der Formel 1, dass sich die Autos in längeren Phasen mit konstanten Technik-Regeln immer weiter angleichen. Wenn es im ersten Jahr einer neuen Ära auf einem weißen Blatt losgeht, zeigen die Rennwagen stets viele unterschiedliche Lösungen. Ohne praktische Erfahrung ist hier die Kreativität der Designer gefragt. Keiner weiß genau, was am Ende auf der Rennstrecke funktioniert.
Doch über die Zeit kristallisiert sich dann irgendwann heraus, in welche Richtung der Hase laufen muss. Wenn zu erkennen ist, dass eine Lösung bei einem Auto funktioniert, wird direkt von der Konkurrenz abgekupfert. Optimiert wird später nur noch im Detail. Und irgendwann sehen die Autos alle gleiche aus. So lief es zum Beispiel bei den Seitenkästen der aktuellen Groundeffect-Autos. Nach Vielfalt zu Beginn der neuen Ära, sind zuletzt alle der gleichen Richtung gefolgt.
In einem kleinen Bereich herrscht aber offenbar noch eine große Uneinigkeit bei den Ingenieuren, wie die Ideallösung auszusehen hat. Ein Bauteil hat sich bisher widerstrebt, einem einheitlichen Trend zu folgen. Es geht um die Nase, genauer gesagt um die Nasenspitze. Am vorderen Ende des Autos konnten selbst technisch weniger versierte Fans bis zuletzt eine überraschende Formenvielfalt im Feld erkennen.
Haas begann die Saison mit einer kurzen Nase. Am Ende ragte die Spitze bis auf das Hauptblatt des Frontflügels.
Nase rückt in den Technik-Fokus
Im ersten Jahr der Groundeffect-Ära hatten die Techniker noch kein großes Interesse, sich diesem Thema näher zu widmen. An anderen Stellen des Autos, wie dem Unterboden oder den Seitenkästen, war bei der zu Beginn noch sehr steilen Lernkurve deutlich mehr Performance zu finden. Upgrades im Nasen-Bereich gab es erst mit dem Wechsel auf die Autos für die 2023er-Saison.
In der vergangenen Saison haben die Aerodynamiker die Frontpartie dann endgültig als Spielwiese für die Weiterentwicklung entdeckt. Gleich mehrere Teams unterzogen ihre Autos im Laufe des Jahres einer Nasen-Operation. Dabei wurden viele verschiedene Formen ausprobiert. Doch eine einheitliche Tendenz in irgendeine Richtung war nicht zu erkennen.
Schon was die seitliche Ausdehnung der sogenannten "Nose-Box" angeht, streiten sich die Gelehrten. Alpine startete mit einer sehr breiten und fast schon klobigen Nase in die Saison. Erst in den letzten Rennen kamen die Franzosen dann mit einer etwas schmaleren und eleganteren Lösung um die Ecke. Auch Williams und Haas setzten eher auf eine breitere Form.
Bei Sauber und Toro Rosso zog sich das Vorderteil dagegen fast schon filigran von der Aufhängung bis zum Flügel nach unten. Bei der Wahl der richtigen Form spielt nicht nur die Aerodynamik eine Rolle. Die Nase ist wichtiger Teil der Knautschzone beim Frontal-Aufprall. Jede strukturelle Änderung in diesem Bereich muss zum FIA-Crashtest, wo dann überprüft wird, ob über den Vorderbau genügend Kraft abgebaut wird.
Alpine begann das Jahr mit einer breiten und langen Nase. Mit der schlankeren und kürzeren Nase lief es am Ende der Saison deutlich besser.
Haas und Alpine wechseln das Lager
Fast noch auffälliger als die Breite der Nase ist die Ausdehnung in Längsrichtung. Dem Reglement entsprechend haben die Teams die Wahl, die Spitze bis ganz nach unten zum Hauptblatt ragen zu lassen oder etwas weiter oben, am zweiten Element, anzusetzen. Bei dieser Lösung entsteht dann ein durchgehender Schlitz zwischen dem Hauptblatt und dem ersten Flap.
Obwohl es sich um zwei komplett unterschiedliche Konzepte handelt, hat sich noch keine große Mehrheit für eine der beiden Varianten gebildet. In der Saison 2024 stand es am Ende 6:4 für die kürzere Version. Haas wechselte im Laufe des Jahres in das Lager der längeren Nasen. Alpine ging den umgekehrten Weg und zog die Nasenspitze auf das zweite Element zurück.
Die Philosophie der Nase hat natürlich Auswirkungen auf die Form des ganzen Flügels. Wenn hier herumgedoktert wird, müssen in der Regel auch noch die Verkleidungen der Querlenker der Vorderradaufhängung angepasst werden. Mit einem Upgrade an Nase und Flügel wird also die Strömung über den kompletten Rest des Autos beeinflusst.
Es wird spannend zu sehen, ob sich in der letzten Saison des aktuellen Reglement-Zyklus doch noch ein klarer Sieger herauskristallisiert. In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal, wie sich die Nasen der zehn Autos über das vergangene Jahr verändert haben.
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