F1-Motoren 2026: Wie gehen 475 PS aus der Batterie?

Wie gehen 475 PS aus der Batterie?
Formel 1 wird halbe Formel E

Die neue Formel 1 wird grün. Das musste das Ziel sein, wenn man politisch überleben und Automobilhersteller ins Boot holen will. Bis zum 15. Oktober werden sich neben Audi auch Ferrari, Mercedes, Renault und Red Bull Powertrains verpflichten, ab 2026 einen Hybridantrieb zu bauen und einzusetzen. Möglicherweise springt auch noch Honda rechtzeitig auf den Zug auf.

Porsche eher nicht. Nach dem Zerwürfnis mit Red Bull ist den Schwaben der Appetit an der Formel 1 erst einmal vergangen. Auch mangels Alternativen. Wer zu spät kommt, hat immer noch bis zum 30. Juni 2023 Zeit sich für die Saison 2027 einzuschreiben. Das könnte dann für Firmen wie Hyundai und Ford interessant werden, die angeblich einen Einstieg in die Königsklasse prüfen.

Auf alle wartet eine Aufgabe, die schwieriger ist als sie aussieht. Zwar ist das neue Motorenreglement darauf ausgelegt, Komplexität und Kosten zu reduzieren, doch am Ende bestimmt das Ziel den Aufwand. Und da hat sich die Formel 1 aus politischen Gründen die Aufgabe schwieriger gemacht, als sie eigentlich notwendig gewesen wäre.

Mercedes -  V6 Motor - GP Niederlande 2022
Wilhelm

60 statt 52 Prozent Effizienz

Der grüne Anstrich manifestiert sich in zwei Eckpunkten: Der Verbrenner wird mit 100-prozentig klimaneutralem Kraftstoff betrieben. Und der Elektroantrieb soll die Hälfte der Leistung beisteuern. Angepeilt sind jeweils 350 Kilowatt (475 PS) vom Verbrennungsmotor und aus der Batterie. Der Ottomotor soll dabei auf einen Wirkungsgrad von 60 Prozent gebracht werden. Derzeit liegen die Formel-1-Triebwerke bei 52 Prozent Effizienz, was bereits ein Weltrekord ist.

Der untere Teil des Motors ist stark reglementiert. Damit wird die Entwicklung der Motorenhersteller beim konventionellen Antrieb hauptsächlich im Zylinderkopf stattfinden. Beim Sprit gibt sich die Formel 1 technologieoffen. Es sind sowohl rein synthetische Treibstoffe aus dem Labor erlaubt als auch auf Basis von biologischem Abfall. Dafür wird die Oktanzahl auf 102 Oktan reduziert. Mehr ist derzeit im Labor nur schwer darstellbar.

Das viel größere Problem ist die Bereitstellung der elektrischen Leistung. Im Moment liefert die Elektroreserve 120 Kilowatt (163 PS). Beim Antrieb der Zukunft soll es fast drei Mal so viel werden. Schön, wenn die Batterie voll ist. Doch wie bekommt man Runde für Runde genug Energie in den Speicher, damit die 475 PS nicht nur für ein paar Sekunden abgerufen werden können? Ein Experte befürchtet: "Die Autos werden genauso Schnecken wie die ersten Hybridantriebe 2014. Du musst schon vor der Hälfte der Gerade vom Gas, um zu rekuperieren."

Mercedes - Formel 1 - Monza - GP Italien 2022
xpb

Absage an die Vorderachs-Rekuperation

Bei den aktuellen Antrieben hat man noch die MGU-H, die überschüssiges Auspuffgas nicht in Ladedruck umwandelt, sondern damit einen Generator zur Stromerzeugung betreibt. Doch die MGU-H fällt ab 2026 weg. Diese Technologie erwies sich als zu wenig seriennah und zu kompliziert. Stattdessen sah der Plan vor, in Zukunft beim Bremsen auch an der Vorderachse zu rekuperieren. Das hätte den Verlust der MGU-H locker ausgeglichen.

Die einfache Lösung kam jedoch den etablierten Herstellern verdächtig vor. Audi und Porsche, so die Angst, hätten sich mit ihrer Le-Mans-Erfahrung auf diesem Gebiet einen Vorteil verschafft. "Völlig unbegründet", weist Formel-1-Technikchef Pat Symonds den Einwand zurück. "Der Plan war ein nahezu standardisierter Generator vorne, um die Entwicklung an dieser Stelle zu begrenzen."

Um zu verstehen, warum sich die Formel 1 das Leben manchmal unnötig schwer macht, muss man in die Entstehung dieses Motoren-Reglements eintauchen. Ganz am Anfang träumten seine Väter von einem quer eingebauten Vierzylinder-Reihenmotor mit Transversalgetriebe, einem Tankvolumen von nur 81 Litern (60 Kilogramm), 3,20 Meter Radstand und einer Energierückgewinnung an Vorder- und Hinterachse. Mit diesem Konzept wollte man die Autos kompakter und leichter bauen.

Auf einem Treffen auf Vorstandsebene sprach sich ein Autokonzern dezidiert gegen die Rekuperation vorne aus. Die Mehrzahl lehnte den Vierzylinder ab. "Das wichtigste war ihnen ein Reglement, das massiv Kosten spart. Und dass der Elektroantrieb höher bewertet wird", verrät Symonds.

McLaren - Formel 1 - GP Italien - Monza - Donnerstag - 8.9.2022
ams

Sprit verheizen um Strom zu erzeugen

Mit dem Tod des Vierzylinders sind auch einige andere Pläne gestorben. Das Festhalten am V6 und der Verzicht auf den Vorderachs-Generator bedeutete auch, dass man die angestrebte Tankkapazität nicht halten kann. Laut Symonds wird es auf 100 Liter-Tanks (75 Kilogramm) hinauslaufen, also nur unwesentlich kleiner als jetzt.

Die Hersteller müssen sich etwas einfallen lassen, wie sie die maximal erlaubte Energiemenge von neun MegaJoule pro Runde verlässlich in die Batterie bringen. Das geht nur über einen politisch wenig korrekten Trick. Man muss zusätzlichen Sprit verbrennen um die Batterie zu laden. Die Tugendwächter beruhigen sich damit, dass es ja CO2-neutraler Kraftstoff ist, der da verfeuert werden soll.

Ab 2026 wird die MGU-K nicht nur im Schleppbetrieb des Verbrenners kinetische Energie in elektrische Leistung umwandeln. Sie wird auf den Geraden deutlich früher als jetzt in den Ladebetrieb übergehen und bei Volllast die Leistung nicht an jeder Stelle direkt in Vortrieb umsetzen, sondern dazu nutzen Energie in der Batterie zu deponieren.

Valtteri Bottas - Alfa Romeo - Formel 1 - GP Niederlande - Zandvoort - 2. September 2022
Alfa Romeo

Aerodynamik & Fahrwerk aktiv

Hier kann eine schlaue Software für das Energiemanagement zum Matchwinner werden. Symonds beruhigt die Schwarzseher: "Auf einer Qualifikationsrunde erwarten wir keine Einbußen. Im Rennen werden die Rundenzeiten zunächst sicher etwas ansteigen."

Damit die Topspeeds beim Segeln nicht zu sehr in den Keller fallen, muss der Luftwiderstand der Autos drastisch reduziert werden. Das soll einerseits durch eine Verkleinerung der Stirnfläche geschehen. Gut möglich, dass die 2026er Autos nur noch 1,90 statt zwei Meter breit sind.

Und es wird eine aktive Aerodynamik erlaubt. Diese beschränkt sich nicht nur auf das Verstellen der Flaps von Front- und Heckflügel. Es könnte auch die Rückkehr des aktiven Fahrwerks bedeuten, die das Auto immer in der aerodynamisch günstigsten Position hält. Auf den Geraden so tief wie möglich, um so wenig Fläche wie möglich in den Wind zu stellen.