Formel-1-Saison 2023: Motorenhersteller am Limit

Motoren-Sorgen in der Formel 1
Alle Hersteller am Limit

Seit der letzten Saison ist die Power Unit in der Formel 1 eingefroren. Den Motorenherstellern war für dieses Jahr noch ein letztes Software-Update erlaubt, und ansonsten nur Verbesserungen gestattet, welche die Standfestigkeit absichern sollten. Über eine bessere Zuverlässigkeit lässt sich in der Regel auch mehr Leistung aus dem Gesamtpaket herausholen. Oder mehr Power häufiger in der Saison abrufen.

Eigentlich sollte man meinen, dass die Motoren in diesem Jahr kugelsicherer sind. 2022 hatte besonders die Umstellung auf E10-Benzin den Sechszylindern zugesetzt. Doch nun ist das Gegenteil eingetreten. Die Motorenhersteller plagen sich bereits in der Frühphase der Saison mit Sorgen herum. Mit Charles Leclerc und Sergio Perez belegten die Sportkommissare bereits zwei Fahrer mit Startplatzstrafen.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Bahrain 2023 - Rennen
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Ferrari erwischte es zuerst

Die Hersteller sind am Limit. Das zeigt sich auch im Zuge der Diskussion um eine Veränderung der Sprintwochenenden. Im Grundsatz sind alle Teams dafür. Doch gerade Mercedes, Ferrari, Red-Bull-Honda und Alpine – die Motorenbauer der Formel 1 – wollen erst einmal verstehen, wie sich eine zusätzliche Qualifikation auf den Verschleiß ihrer Motoren und damit die strategische Ausrichtung auswirkt. In einem Freien Training kann man die Leistung herunterregeln. Im Qualifying geht das nicht. Da muss jeder ans Limit. Und das kostet die Motoren Lebenszeit.

Im Fahrerlager ist zu hören, dass alle Motorenhersteller auf Kante genäht sind. Ferrari, Mercedes und Red-Bull-Honda hat es bereits erwischt, Alpine als einzigen noch nicht. Im Auto von Charles Leclerc stieg in Bahrain gleich zweimal die Leistungselektronik und damit auch die Batterie aus. Der Monegasse kassierte bereits im zweiten Rennen die erste Strafversetzung um zehn Positionen. Ferrari hatte in Saudi-Arabien eine dritte Leistungselektronik in seinem Auto verbaut. Erlaubt sind nur deren zwei für die 23 Grands Prix.

Für Leclerc gab es in Saudi-Arabien noch die zweite (von maximal drei) Elektromaschinen MGU-H. Als Vorsichtsmaßnahme wechselte Ferrari gleich auch noch den Sechszylinder in beiden Autos, und verheiratete sie mit dem ersten Turbolader. Die Kunden-Teams zogen ein Rennen später nach.

Lando Norris - McLaren - GP Bahrain 2023
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Norris verliert einen Motor

In den beiden Alfa-Sauber von Valtteri Bottas und Guanyu Zhou sowie in den Haas VF-23 von Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen verpflanzten die Mechaniker im dritten Rennen der Saison den zweiten Motor. Es handele sich um eine Vorsichtsmaßnahme, verlautbarte es aus Ferrari-Kreisen. Der Tausch zeigt, dass Maranello seinem eigenen Produkt nicht zu 100 Prozent vertrauen kann. Sonst hätte man bei den Kunden darauf verzichten können. Oder am ersten Motor war grundsätzlich etwas faul.

Nico Hülkenberg hätte es in Melbourne beinahe getroffen. In der letzten Runde in Australien setzte in seinem Haas die Elektromaschine MGU-K aus. Hülkenberg schleppte sich gerade noch über die Ziellinie, sonst wären sechs WM-Punkte weg gewesen. Die MGU-K war neben der Ventilseuche bereits im letzten Jahr eine der Baustellen von Ferrari. Offensichtlich hat die Scuderia sie noch nicht geräumt.

Selbst Mercedes schlägt sich mit Problemen herum. McLaren-Fahrer Lando Norris hat bereits einen Motor unwiederbringlich verloren. In Bahrain zerstörte ein nicht mehr funktionierendes pneumatisches Ventilsystem den Sechszylinder-Turbo. Der Engländer brauchte für den zweiten Grand Prix in Saudi-Arabien ein frisches Set aus Verbrenner, Turbo, MGU-H, MGU-K und Auspuff. Schon jetzt ist abzusehen, dass Norris kaum ohne Strafe über die Saison kommt.

George Russell - Mercedes - GP Australien 2023 - Melbourne - Rennen
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Mercedes-Motor zerplatzt

Mercedes-Pilot George Russell verbuchte in Australien einen kapitalen Motorschaden. Im englischen Brixworth wird noch fieberhaft nach der genauen Ursache gesucht. Vor dem Rennen in Melbourne ließ Mercedes bei sich und seinen Kunden Aston Martin, McLaren und Williams den Auspuff auswechseln.

Als Begründung wurden Sicherheitsbedenken genannt, nachdem es am Aston Martin von Lance Stroll in Jeddah einen Schaden in der Abgasführung gegeben hatte. Das führte gleichzeitig dazu, dass die heiße E-Maschine MGU-H nicht mehr rekuperierte. Stroll kann von Glück sprechen, dass seine Power Unit dabei keinen Schuss abbekam.

Auch Honda hat seine Problemzonen. Im Alpha Tauri von Nyck de Vries wurde in Saudi-Arabien eine zweite Power Unit (mit Ausnahme der Batterie) verpflanzt. Die Ingenieure hatten beim Anlassen des Motors ein Problem ausgemacht. Der Niederländer verpasste dadurch das komplette dritte Training in Jeddah.

Alpine - Formel 1 - GP Australien 2023
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Nur Alpine mit weißer Weste

Im Werksauto kam es ebenfalls bereits zu Komplikationen. Sergio Perez stieg mit der zweiten Batterie und dem zweiten dazugehörigen Steuergerät in das zweite Rennwochenende ein. Es heißt, die erste Batterie sei hinüber. Nach dem frühen Aus in der Melbourne-Qualifikation reagierte Red Bull und stockte das Antriebskontingent auf. Unter Parc-Fermé-Bedingungen verbauten die Mechaniker jeweils die dritte Einheit der Saison. Perez kam ohne Platzverlust davon, musste aber aus der Boxenstraße starten.

Bislang gibt es nur aus dem Lager von Alpine keine Schadensmeldungen zu berichten. Der Nationalrennstall hat über den Winter gerade die Probleme mit der Wasserpumpe behoben. Alpine muss sich aber auch nur um sich selbst kümmern. Die Franzosen stehen ohne Kunden-Team da. Deshalb hat Alpine von den vier Motorenherstellern auch die wenigsten Rennkilometer angehäuft – nämlich 1.739. Die acht Mercedes-angetriebenen Autos kommen auf 6.279 Kilometer, die zwei Ferrari plus die vier Kundenautos auf 5.082 und die vier Honda-befeuerten Rennwagen auf 3.677 Kilometer.