Die Formel-1-Chefs stehen unter Druck. Sie dürfen sich mit der Einführung des neuen Formel-1-Motors nicht zu viel Zeit lassen, weil man politisch ein Zeichen setzen will. Nicht dass die höchste Klasse des Motorsports am Ende als umweltfremder Luftverpester dasteht. Andererseits braucht man Zeit, um zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, die für alle Parteien akzeptabel ist und für die nächsten zehn Jahre hält.
Das Ziel ist immer noch das Jahr 2025. Aber so wie die Gespräche gelaufen waren, besteht die Gefahr, dass sich doch alles wieder bis 2026 verzögert. Damit genau das nicht passiert, muss das Konzept noch in diesem Jahr stehen. "Das ist eine ehrgeizige Aufgabe", sagt Formel-1-Chef Stefano Domenicali.
Das Problem ist immer das gleiche: Im Grundsatz sind sich alle einig. Wenn es an die Umsetzung und die Details geht, regieren aber die Eigeninteressen. Sportchef Ross Brawn fordert: "Diesmal zählt nur das große Bild. Ein fauler Kompromiss bringt uns nicht weiter."

Angst vor Porsche
Die Fallen liegen in der Zielsetzung versteckt. Der neue Formel-1-Antrieb soll grün, billig, serienrelevant, technologieoffen, aber auch einfach genug sein, um neue Hersteller anzulocken, kleine wie große.
Klimaneutraler Kraftstoff ist gesetzt. Die neue Power Unit darf das Gewicht des Autos nicht weiter erhöhen, sie soll Lärm machen und so viel Leistung entfalten, dass die Formel 1 weiter die Königsklasse des Motorsports bleibt. Und sie muss ohne radikale Umbauten in die nächste Auto-Generation integriert werden können, die 2022 debütiert.
Das alles muss mit zwei völlig unterschiedlichen Interessensgruppen unter einen Hut zu bringen sein. Da gibt es die Etablierten wie Mercedes, Ferrari und Renault. Dann potenzielle Neueinsteiger wie Porsche oder Audi. Und schließlich Honda-Nachfolger Red Bull mittendrin, die quasi ein halbes neues Mitglied im Motorenclub sind. Sie haben mit der Übernahme des geistigen Eigentums des Honda-Motors eine gewisse Basis, müssen aber darauf etwas Neues aufbauen.
Bei den bisherigen Gesprächen der Motorengruppe seit Herbst 2020 haben sich zwei Richtungen herauskristallisiert. Die einen wollen den totalen Neuanfang, die anderen etwas Neues auf der Basis des Alten.
Bei Porsche und Audi geht die Sorge um, dass man jahrelang investieren müsste, um erst einmal auf das Niveau der alteingesessenen Hersteller zu kommen. Die Arrivierten wollen nicht, dass Neueinsteigern der rote Teppich ausgelegt wird. "Wir mussten fünf Jahre Steine fressen, bis wir dort waren, wo wir heute sind", bedauert Alpine-Technikchef Marcin Budkowski. Einer aus der Formel-1-Chefetage spottet: "Die haben alle Angst vor Porsche."

Was soll der Motor kosten?
Es gab viele Vorschläge, wie man neuen Interessenten den Einstieg erleichtern könnte, doch so richtig praktikabel hat sich keiner rausgestellt. Mercedes, Renault oder Ferrari könnten nach dem Vorbild Honda und Red Bull Teile ihres Knowhows an neue Bewerber verkaufen, doch das scheitert offenbar an rechtlichen Bedenken.
Die FIA könnte ein ganz striktes Reglement schreiben, das kaum Freiheiten lässt. Doch wie soll man sich dann differenzieren? Man könnte neuen Herstellern in den ersten Jahren einen höheren Kostendeckel gewähren, doch das wäre nur für Autokonzerne interessant. Einen Ilmor oder Cosworth würde das zu viel Geld kosten.
Bis jetzt hat man ja noch nicht einmal eine genaue Vorstellung, wo die Obergrenze für die Motorenabteilung liegen soll. Von 80 bis 120 Millionen Dollar ist alles im Angebot. Das gleiche gilt für den Preis einer Antriebseinheit. Nach der Forderung von Red Bull sollte der eine Million Dollar auf keinen Fall überschreiten. "Das hängt aber ganz davon ab, wieviel Technologie erlaubt sein wird. Die bestimmt den Preis", erklärt Fritz Enzinger, Motorsportchef der VW-Gruppe.
Bei dem Elefantentreffen in Spielberg haben sich die Autobosse mit FIA und dem F1-Management auf einen Mindestplan verständigt. Zuerst muss die Grundsatzfrage geklärt werden, wie viel man vom aktuellen Konzept übernehmen kann und wie viel neu sein soll. Danach, wie die neuen Konzepte aussehen könnten. Der Zeitrahmen ist eng gesteckt. Die Formel-1-Chefs hätten am liebsten schon bis Silverstone Teil eins der Konzeptfindung geklärt.

Das Problem mit dem Gewicht
Eins dämmert mittlerweile allen Beteiligten. Eine Light-Version des aktuellen Antriebs ist nicht möglich. "Dieses Monster kriegst du nie simpel und kostengünstig hin", prophezeit Red Bull-Teamchef Christian Horner.
Also muss doch etwas Neues her. Entweder auf Basis eines V6-Turbo oder ein aufgeladener Vierzylinder. Selbst Ferrari könnte sich mit einem R4 oder V4 anfreunden, obwohl man einst die treibende Kraft war, dass sechs Zylinder das Mindestmaß sein müssen.
Zwei Zylinder weniger würden FIA-Präsident Jean Todt bei seiner Forderung helfen: "Die Autos dürfen auf keinen Fall noch schwerer und noch größer werden. Ich akzeptiere nur noch Gewicht, das in die Sicherheit investiert wird. Technologie darf nicht mehr wiegen."
Auf Warnungen, eine komplette Neukonstruktion des Verbrenners koste wieder zu viel Geld, reagiert Ross Brawn allergisch: "Die Hersteller bauen doch sowieso jedes Jahr einen neuen Motor. Das ist kein Argument."
Eine große Aufgabe wird es auch sein, ähnliche Leistungsdaten zu erzielen wie heute. Die ersten Versuche mit hundertprozentig klimaneutralem Kraftstoff haben eine signifikante Power-Einbuße ergeben. Da wird es in den kommenden drei Jahren sicher noch bessere Lösungen geben. Außerdem soll ja in Zukunft der elektrische Teil deutlich mehr Leistung beisteuern.

Eine Lösung in zwei Teilen
Doch zu welchem Prozentsatz und wie? Die einen schwören auf den Erhalt der MGU-H, andere auf das Boosten an der Vorderachse. Beides hat Kritiker. "Die MGU-H ist zu teuer und zu kompliziert. Der Prüfstandsaufwand ist zu groß", fürchtet Brawn. Todt hat Mühe sich einen Vierradantrieb vorzustellen. "Das ist irgendwie nicht die Formel 1. Außerdem macht es die Autos schwerer."
Eine Möglichkeit wäre, die Durchflussmenge zu erhöhen, die Gesamtmenge des Benzins für das Rennen aber zu begrenzen. So hätte man in der Qualifikation ordentlich Power, im Rennen aber einen effizienten Antrieb. Auf der elektrischen Seite müssten die Grenzen für Speichern und Leistungsabgabe fallen. Ohne größere Batterien wird es wohl nicht abgehen. Und die brauchen Platz und gehen ins Gewicht.
Mercedes-Teamchef Toto Wolff machte einen Vorschlag, wie das Zeitproblem zu lösen ist: "Wir könnten die Einführung der emissionsfreien Kraftstoffe auf 2024 vorziehen und uns mit der Hardware bis 2026 Zeit lassen. Dann ist sichergestellt, dass etwas Vernünftiges dabei herauskommt."