Diskussion um Event Notes nach GP Monaco 2022

Sind Event-Notizen überflüssig?
Monaco-GP sorgt für Präzedenzfall

GP Aserbaidschan 2022

Hat sich die FIA da eine Grube gegraben? Red Bull wurde in Monte Carlo freigesprochen, obwohl beide Fahrer nach ihrem jeweils zweiten Boxenstopp die gelbe Linie an der Boxenausfahrt berührt hatten. Ferrari zitierte die Event-Notizen von FIA-Rennleiter Eduardo Freitas, in denen stand, dass Berühren ein Regelverstoß ist. Und der wurde in der Vergangenheit immer mit einer Fünfsekunden-Strafe geahndet. Genug, um Sergio Perez den Sieg und Max Verstappen den dritten Platz zu nehmen.

Die Sportkommissare sprachen Red Bull frei. Weil über den Event-Notizen das Sportliche Reglement der Formel 1 steht und über dem Sportlichen Reglement das Internationale Sportgesetz, das für alle Motorsportkategorien global die Regeln festlegt. Im ISC kennen sich Eduardo Freitas und sein deutscher Kollege Niels Wittich naturgemäß sehr gut aus. Beiden waren vorher Rennleiter in anderen Rennserien.

Max Verstappen - Red Bull - GP Monaco 2022
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Linien-Paragraf in Event-Notizen geändert

Bei den Teams löste der Urteilsspruch von Monte Carlo Befremden aus. Nicht nur bei Ferrari, die sich verschaukelt fühlten. "Wenn grundsätzlich die Regeln den Ton bestimmen, wofür brauchen wir die Event-Notizen dann noch?", fragt Alpine-Sportdirektor Alan Permane. "Dann können sie gleich reinschreiben: Schaut euch die Regeln an. Nach denen wird gehandelt."

Eigentlich sollten die Renn-Notizen eine erklärende Ergänzung zu den Regeln sein. Dass die Notizen in Bezug auf die Linien an der Boxenein- und ausfahrt keine Ergänzung waren, sondern ein Konflikt, war eineinhalb Jahre lang keinem aufgefallen. Deshalb stand im Rundbrief von Rennleiter Wittich in Vorbereitung auf den GP Aserbaidschan unter Artikel 12: "In Übereinstimmung mit Kapitel 4, Artikel 4 und 5 von Anhang L des Internationalen Sportgesetzes müssen die Fahrer den entsprechenden Prozeduren am Eingang und Ausgang der Boxengasse folgen." Damit ist erst das volle Überqueren der Linie mit den Rädern ein Verstoß. Das hätte man mal besser schon in Monte Carlo gewusst.

Konfliktstoff bei Boxeneinfahrt

Trotzdem birgt diese Handhabung Tücken, die schon in Baku zu einem weiteren Konflikt führen könnten. Am Boxeneingang ist die Trennlinie im Vergleich zu anderen Rennstrecken deutlich verlängert. Wegen der extrem hohen Geschwindigkeiten in diesem Bereich will man verhindern, dass Fahrer, die in die Boxen abbiegen wollen, es sich im letzten Moment anders überlegen und wieder auf die Zielgerade zurückfahren.

Der erste Bereich der Linie fällt aber nicht in das Kapitel "Boxeneinfahrt". Das ist nur die Zone zwischen der Safety-Car-1-Linie und dem Punkt, an dem das Tempolimit gilt. In der müssen sich die Fahrer nach den Regeln im ISC richten. Da das ISC aber keine verlängerte Trennlinie vor der Boxeneinfahrt vorsieht, wäre das streng genommen ein rechtsfreier Raum. "Dann könnte einer diese Linie ohne Strafe überfahren, weil sich die Renn-Notizen ausschließlich auf das ISC berufen und den verlängerten Bereich gar nicht erwähnen", wirft ein Teammanager ein.

Impressionen - GP Aserbaidschan - Baku - Formel 1 - Donnerstag - 9.6.2022
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Keine Strafen für verspätetes Montieren der Reifen

Bei den Teams ist man mit der jüngsten Handhabe einiger Regeln nicht sonderlich zufrieden. Ferrari ist der Meinung, dass Red Bull noch eine zweite Strafe verdient gehabt hätte und erhält dabei Unterstützung von anderen Teams wie zum Beispiel McLaren und Aston Martin. Mehrere Teams, darunter Red Bull und Mercedes, hatten beim Fünfminuten-Signal vor dem eigentlich Start zum GP Monaco nicht die von der Rennleitung geforderten Regenreifen montiert. Das gibt den Regeln gemäß im Rennen eine Durchfahrtstrafe.

Stattdessen hätten genau diese Teams durch geschickte Lobbyarbeit erreicht, dass die Startzeit um neun Minuten aufgeschoben wird, um den eigenen Mechanikern genug Zeit zu geben, die Regenreifen heranzukarren. "Wir hatten sie bereit, weil Regen absehbar war. Es ist keine Entschuldigung, dass die Ankündigung, auf Regenreifen zu starten, kurzfristig erfolgte", ärgert sich Ferrari-Rennleiter Mattia Binotto.

Sein Kollege Andreas Seidl hält den Einwand für gerechtfertigt: "Ein paar Teams waren vorbereitet, andere nicht. Wenn es die einen konnten, hätten es die anderen auch können müssen." Auch Aston Martin-Teammanager Andy Stevenson findet: "Es war nicht ganz fair, einen Aufschub zu geben."