Die jüngste Entlassungswelle bei der FIA macht Fahrern und Teams in der Formel 1 Sorge. Mit Tim Mayer musste der am meisten respektierte Sportkommissar noch vor dem Saisonende gehen. Der neue Rennleiter Rui Marques macht bislang seine Sache gut, doch es gibt keinen Ersatz, wenn der Portugiese mal ausfällt.
An FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem prallt die Kritik an seiner Personalpolitik ab. Er richtete allen, die ihn ins Kreuzfeuer nahmen aus, dass er keine Rechenschaft schuldig ist, wie er seinen Laden führt. Die Teams und die Fahrer würden ihn ja auch nicht in ihre Pläne einweihen. Eine Erklärung zu den jüngsten Kündigungen gibt es weiter nicht.

FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem hat zuletzt einige wichtige Angestellte entlassen.
Chaos vor und hinter den Kulissen?
Die Strafen-Flut beim GP Katar war für viele ein Spiegel des Chaos beim Weltverband. Sie sorgten nach dem Rennen für viele Diskussionen. Aber war die Aufregung tatsächlich gerechtfertigt? Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur nahm Fahrt aus der aufgeheizten Weltuntergangsstimmung: "Die meisten Strafen kann man geben. Einige waren vielleicht ein bisschen hart."
Eine Strafe, die man hinterfragen muss, ist die Strafversetzung von Max Verstappen in der Startaufstellung. Die Regeln geben den Sportkommissaren Recht, doch macht die Regel wirklich Sinn? Eine Strafe leuchtet ein, wenn einer auf einer schnellen Runde behindert oder durch extremes Langsamfahren eines Konkurrenten eine Gefahrensituation heraufbeschworen wird. Doch wenn man beginnt zwischen Aufwärmrunden, Abkühlrunden und Präparationsrunden zu unterscheiden, setzt man sich wieder dem allgemeinen Vorwurf aus, dass dieser Sport zu kompliziert geworden ist.
Max Verstappen hat sich zu Recht darüber echauffiert, dass man ihm die Pole Position weggenommen hat, doch er richtete seinen Ärger an die falsche Adresse. Es ist logisch, dass George Russell und Mercedes bei einer Anhörung vor den Sportkommissaren alles tun, um den Gegner anzuschwärzen. Im umgekehrten Fall geht auch Verstappen nicht unvorbereitet in eine Verhandlung mit den Stewards. Er wird vorher genauso von seinem Team darauf vorbereitet, was er zu sagen hat und was nicht um den maximalen Effekt zu erzielen.

Die 10-Sekunden-Stopp-and-Go-Strafe kostete Norris viele Positionen und Punkte.
Norris-Strafe im Rahmen der Richtlinien
Im Rennen hat Verstappen auch sofort gepetzt, als Lando Norris hinter ihm mit Vollgas durch die Gefahrenzone mit gelben Flaggen fuhr. Er hat mehrmals am Funk verlangt, dass der Fall untersucht wird. Die Stop-and-Go Strafe für den WM-Zweiten löste die größte Kontroverse aus. Vielen erschien sie zu hart. McLaren-Teamchef Andrea Stella fand, dass sie in keinem Verhältnis zu dem Gefahrenpotenzial in dieser Situation stand.
Trotzdem haben die Sportkommissare richtig gehandelt. Es spielt keine Rolle wie groß oder klein die möglichen Konsequenzen von zu schnellem Fahrern unter Gelb sind. Der Fahrer kann gar nicht einschätzen, welche Gefahr er durch das Ignorieren der Flaggen heraufbeschwört. Das zugehörige Strafmaß steht in den Richtlinien, die am 19. Februar 2024 an alle Teams verschickt wurden.
Dass Norris sofort die zehn Sekunden in der Box absitzen musste, entspricht einem Wunsch der Fahrer. Sie wollten das so, weil Zeitstrafen unter Umständen für den Betroffenen gar keine Strafen sind. Wären Norris am Ende zehn Sekunden aufaddiert worden, wäre er noch Vierter geworden. Dann hätte sich Ferrari beschwert. Das gleiche gilt für Lewis Hamilton. Er bekam eine Durchfahrtstrafe aufgebrummt, weil er das Speedlimit in der Boxengasse um stolze 12,5 km/h überschritten hatte.

Liam Lawson kassierte eine 10-Sekunden-Strafe für seine Kollision mit Bottas. Der Neuseeländer akzeptierte die Strafe und entschuldigte sich später bei Bottas.
Strafen für Kollisionen eindeutig
Es war bereits das zweite Mal in diesem Grand Prix, dass Hamilton mit dem Gesetz in Konflikt kam. Das erste Mal gaben ihm die Sportkommissare für einen Frühstart fünf Sekunden. Frühstarts wurden noch nie toleriert. In dem Fall ließen die Schiedsrichter noch Milde walten, weil Hamilton minimal zu früh angerollt war. Auch sein Teamkollege George Russell durfte sich über die fünf Sekunden beschweren, die seiner Gesamtzeit angerechnet wurde. Er hatte in der Schlange hinter dem SafetyCar 125 Meter Abstand zum vorausfahrenden Auto gelassen. In diesem Fall gelten eindeutige Regeln.
Auch die Zehnsekunden-Strafen für Liam Lawson im Duell mit Valtteri Bottas und Alexander Albon mit Kevin Magnussen kann man vertreten. Beide übersteuerten in ihre Gegner ausgangs Kurve 1, drängten sie von der Rennlinie und verhinderten damit ein Überholmanöver. Noch deutlicher war die Kollision zwischen Lance Stroll und Alexander Albon in der Startrunde in Kurve 4. Stroll diente seine zehn Sekunden noch ab, bevor er aufgab.
Der Einsatz des Safety-Cars geriet ebenfalls in die Kritik. Viel zu spät, meinten die einen, überflüssig argumentierten andere. Eine VSC-Phase hätte es auch getan. Die FIA wehrte sich. Wenn ein Trümmerteil abseits der Ideallinie liegt, wird das Rennen nie neutralisiert. Valtteri Bottas, der den Spiegel bei einem Überholmanöver schließlich traf, hätte von seinem Team eigentlich informiert sein müssen, dass da etwas auf der Straße lag.

Vor dem Restart nach der zweiten Safety-Car-Phase blieben die Lichter am Auto von Bernd Mayländer an.
Defekt an Safety-Car-Lichtern
Als der Spiegel in tausend Teile zersplittert war, wäre eigentlich das VSC-Signal die nächste Konsequenz gewesen, doch die Autos fuhren so weit verstreut, dass es nirgendwo eine Lücke im Feld gab, die Strecke unter VSC-Tempo zu säubern. Deshalb kam das Safety-Car raus, das die Fahrer zwei Runden lang durch die Boxengasse führte, um die Zielgerade säubern zu können.
Für Konfusion bei den Fahrern sorgte der Restart in der zweiten Safety-Car-Phase. Max Verstappen und Charles Leclerc wunderten sich nach dem Rennen, dass die Lichter am Mercedes von Bernd Mayländer im letzten Sektor nicht ausgingen, um die bevorstehende Freigabe zu signalisieren. Auch hier lieferte die FIA eine Antwort.
Es handelte sich schlicht um ein technisches Problem an der Lichtanlage. Die LEDs am Heckflügel des roten AMG GT-R wollten einfach nicht erlöschen. Die Rennleitung informierte alle Kommandostände per Funk über das Problem. Das Problem mit den Lichtern konnte noch während des Rennens identifiziert und behoben werden. Zur Sicherheit kam bei der dritten Safety-Car-Phase dann aber das Ersatz-Safety-Car zum Einsatz.

Mit dem langen ersten Stint riskierten viele Teams Reifenschäden.
Wer hat Schuld an den Reifenschäden?
Viel diskutiert wurde nach dem Rennen auch die Rolle von Pirelli an den Reifenschäden von Carlos Sainz und Lewis Hamilton. Nach den Problemen vom letzten Jahr lag der Verdacht nahe, dass die Gummis der hohen Beanspruchung der Strecke in Katar nicht gewachsen sind, obwohl die Randsteine im Vorfeld entschärft wurden.
Diesmal trugen die Teams die Hauptschuld. Sie wussten nach den Erfahrungen im Sprint ganz genau, dass wegen des hohen Verschleißes links vorne alles über 24 Runden mit einem Risiko verbunden war. Wer seine Fahrer Trotz eindeutiger Vorwarnzeichen 34 Runden lang mit Medium-Reifen fahren lässt, der riskiert einen Reifenplatzer bei geringster Fremdeinwirkung. Es hätte auch ein Stück Kies sein können, der dem linken Vorderreifen in diesem Zustand den Rest gibt. "Mit frischen Reifen wäre nichts passiert", gibt Vasseur zu.