Sie fahren im dritten Jahr für Red Bull. Wie schwer war im Rückblick der Wechsel vom Mittelfeld-Team Racing Point zu einem Topteam?
Perez: Es war eine Herausforderung. Ich kam in ein Team, in dem das Konzept des Auto deutlich anders ist als das, was ich gewohnt war. Sowohl von der Fahrzeugabstimmung her als auch vom Fahrstil oder beim Reifenmanagement. Die Autos von Red Bull machen ihre Rundenzeit auf eine andere Weise als ein Racing Point oder ein Mercedes. Weil sie vom Konzept her unterschiedlich sind.
Ist es in einem großen Team nicht möglich zu sagen: Lasst Max das Auto so fahren, wie er will und mich, wie es mir am besten passt?
Perez: Das ist sehr schwer, umzusetzen. Formel-1-Autos haben ein sehr schmales Fenster, in dem sie funktionieren. Das macht es unmöglich, mit ein und demselben Grundkonzept zwei komplett unterschiedliche Abstimmungen zu fahren. Oder die Aerodynamik-Balance umzubauen. Es gibt Momente, in denen ich das Gefühl habe, dass ich auf natürliche Weise meinen Speed finde, und dann gibt es aber auch die Momente, in denen ich mich anpassen muss und nicht alles automatisch geht.

Sergio Perez belegt mit 219 Punkten den zweiten Platz in der Fahrer-Weltmeisterschaft.
In welchem Punkt haben Sie in den letzten zweieinhalb Jahren am meisten gelernt?
Perez: Wie Red Bull arbeitet, worauf sie Wert legen, worauf nicht. Ich wurde dadurch ein kompletter Fahrer. Das wird mir in meiner weiteren Karriere helfen, weil ich einen größeren Blickwinkel auf viele Dinge gewonnen habe.
Sie galten früher als Reifen-Flüsterer. Warum haben Sie jetzt beim Reifenmanagement mehr Probleme als Verstappen?
Perez: Weil Reifenmanagement in einem Red Bull zu 100 Prozent anders funktioniert als in einem Racing Point. Du musst auf ganz andere Dinge achten. Hätte ich das vor drei Jahren schon gewusst, wäre ich damals noch besser gewesen.
Es ist ein Muster, seit Sie bei Red Bull sind. Sie beginnen die Saison stark, lassen dann aber nach. Warum ist das so?
Perez: Meistens war es so, dass mir das Auto zu Saisonbeginn entgegengekommen ist. Alles kam natürlich zustande. Dann kam der Moment, wo ich mehr darüber nachdenken musste, wie ich mit dem Auto fahren muss, um schnell zu sein. Das hat mich zurückgeworfen. Dieses Jahr war Barcelona die Wende.
Was ist da passiert?
Perez: Es gab ein Upgrade am Auto. Aber es wäre zu einfach, es nur darauf zu schieben. Die Ingenieure tun sich selbst schwer zu erklären, wie diese oder jene Modifikation an der Aerodynamik diese oder jene Fahrcharakteristik verändert hat, mit der sich einer der Fahrer vielleicht schwerer tut als der andere. Sie bringen Upgrades, um das Auto schneller zu machen. Es wurde ja auch schneller. Nur ich habe mich schwerer getan, das Auto zu fahren. Das ist auch anderen Fahrern schon passiert. Weil eine bestimmte Charakteristik nicht so zu deinem Fahrstil passt. Dann musst du dich anpassen. Ich habe das nicht so schnell geschafft, wie ich eigentlich sollte.

Perez gewann zwei der ersten vier Rennen. Seither fliegt ihm Teamkollege Max Verstappen davon.
Kann man das nicht mit dem Setup des Autos korrigieren?
Perez: Wenn du das versuchst, dann passiert meistens das gleiche: Das Auto ist für dich zwar einfacher zu fahren aber auch langsamer.
Bei Verstappen ist in Baku offenbar das Gegenteil passiert. Nach seiner Aussage hat er im Rennen Dinge gelernt, die ihm danach einen Vorteil gebracht haben.
Perez: Es hat damit zu tun, wie das Auto ausbalanciert ist, wie er es fährt und wie er die Reifen schont. Was er auch immer in der Balance des Autos gefunden hat, er fühlt sich in diesem Rahmen wohl.
Der Crash in Monte Carlo war für Sie eine Art Wendepunkt. Warum?
Perez: Weil ich mir den Unfall nicht erklären konnte. Und als ich dann ein paar Tage später nach Barcelona kam, hatte ich das Gefühl, ein anderes Auto zu fahren.
Warum haben Sie in der Qualifikation mehr Probleme als im Rennen?
Perez: Wenn die Reifen kalt sind oder die Bedingungen sich ändern, dann wirkt es sich stärker aus, dass ich das Auto nicht auf natürliche Weise fahren kann. Im Rennen legt sich das dann. Weil sich mit dem ganzen Reifenmanagement die Art und Weise ändert, wie man das Auto fährt.
Warum ist der Vorsprung von Red Bull im Rennen dann größer als in der Qualifikation?
Perez: Weil wir die Reifen besser schonen. Wir haben offenbar Dinge gefunden, die die anderen nicht haben. Für mich ist das Reifenmanagement natürlich schwerer als für Max. Ich muss mich im Rennen nach vorne arbeiten und attackieren. Da überhitzt man leicht mal die Reifen. Deshalb ist es sehr schwer, meine Stärke im Rennen zu zeigen. Aber das liegt jetzt in der Vergangenheit.
Wie meinen Sie das?
Perez: Ich komme seit ein paar Rennen wieder besser mit dem Auto zurecht. Die schwierigen Zeiten liegen hinter mir, auch wenn die Bedingungen schwierig sind.
Wann ist Ihnen die Wende gelungen?
Perez: Ich glaube, der GP Ungarn hat den Umschwung gebracht. Wir haben hart daran gearbeitet, ein Setup zu finden, so dass ich mich im Auto wieder mehr zuhause fühle. Abgerechnet wird am Sonntag in Abu Dhabi. Wenn ich eine gute zweite Saisonhälfte hinlege, dann wird vergessen sein, was dazwischen passiert ist.

Seit drei Saisons in einem Team: Weltmeister Verstappen hat Perez klar im Griff.
Als Folge ihrer schlechten Startplätze sind Sie im Rennen gezwungen, zu überholen. Ist es aus Ihrer Sicht mit den Groundeffect-Autos einfacher geworden?
Perez: Es ist definitiv einfacher anderen Autos zu folgen. Aber je mehr Abtrieb dazukommt, umso mehr verwässert das.
Ist es schwieriger diese Autos zu verstehen?
Perez: Nicht schwieriger. Aber man muss seinen Fahrstil schon stark anpassen. Weil die Autos deutlich schwerer geworden sind, weil der Abtrieb und die Reifen viel stärker reagieren, wenn das Auto rutscht oder quer steht.
Wie groß ist der Druck im besten Auto zu sitzen und Verstappen als Teamkollegen zu haben?
Perez: Das ist hart. Aber wenn du für Red Bull fahren willst, musst du damit leben und mental sehr stark sein, das zu überleben.
Wenn Sie Ihre Runden mit denen von Verstappen vergleichen. Wo gewinnt er auf Sie?
Perez: Hauptsächlich in den schnellen Kurven. Es gibt aber kein eindeutiges Muster.
Es heißt, dass Verstappen mit Übersteuern kein Problem hat, Sie aber schon. Stimmt das?
Perez: Lass es uns so sagen: Wenn das Auto zum Übersteuern neigt, dann vergrößert sich der Abstand zwischen uns. Andersherum bin ich viel näher dran.
Was macht Verstappen so gut?
Perez: Wir müssen alle hochschätzen, was Max da leistet. Das Niveau, auf dem er zurzeit fährt, ist extrem hoch. Jedes Wochenende 100 Prozent abzuliefern, egal welche Bedingungen. Wenn du sein Teamkollege bist, ist das schwer zu verdauen.
Was ist Ihr Ziel für den Rest der Saison?
Perez: Die Form zu finden, die ich zu Saisonbeginn hatte und noch ein paar Rennen zu gewinnen.