Wie fühlt es sich an, wieder ein Formel-1-Fahrer zu sein?
Hülkenberg: Gut und gewohnt. Ist ja ein Gefühl, das ich kenne. Ich bin happy.
Gab es in den drei Jahren Pause auch Phasen, in denen die Formel 1 unendlich weit weg schien?
Hülkenberg: Sicher. Die gab es immer wieder. Selbst dieses Jahr noch. Mitten in der Saison war die Wahrscheinlichkeit größer, dass ich keinen Platz finde. Ich bin zwar die ersten zwei Rennen für Aston Martin gefahren, aber danach wurde es wieder ruhig um mich. Ich habe gar nicht so viel darüber nachgedacht, weil die Gelegenheit einfach nicht präsent war. Bis sie auf einmal entstanden ist.
Wann begann denn die heiße Phase, wo Sie das Gefühl hatten, nochmal den Fuß in die Tür kriegen zu können?
Hülkenberg: Nach der Sommerpause.
Sie waren in der Pause ja regelmäßig an der Rennstrecke. Wie hart war es, andere Jobs zu erledigen und den Kollegen beim Fahren zuzuschauen?
Hülkenberg: Hart ist es nicht. Du hast natürlich viel weniger Leistungsdruck in anderen Funktionen als in einem heißen Sitz im Auto. Wenn du dann die Kollegen rausfahren siehst und du hast das Gefühl, hier und da könnte ich das besser machen, dann ist das schon schwer zu verdauen. Aber das ändert sich ja nächstes Jahr.

Wie wichtig waren die fünf Einsätze, in denen Sie Kollegen ersetzt haben?
Hülkenberg: Sehr wichtig. Ich weiß nicht, ob es ohne die noch einmal geklappt hätte. Du bist da wieder präsent und wirst bei den Teamchefs noch einmal in Erinnerung gerufen. Es wäre Spekulation, ob das ohne die Einsätze auch funktioniert hätte.
Wie schwer war es, kurzfristig einzuspringen?
Hülkenberg: Es ist alles andere als einfach, aber in der Situation musst du einfach funktionieren. Dafür bin ich programmiert und seit meiner Kindheit ausgebildet worden. Es ist ein Mix aus Talent und aus vielen Jahren Formel-1-Erfahrung, auf die ich bauen kann. Auch wenn man das Auto im Detail nicht kennt, muss man sein Bestes geben. Und ich hatte in dem Moment mehr zu gewinnen als zu verlieren. Die Erwartung kann in solchen Situationen ja nicht wirklich hoch sein.
Was war Ihr persönliches Highlight von diesen fünf Einsätzen?
Hülkenberg: Nürburgring 2020. Das war wirklich wild. Ich saß um zehn Uhr morgens in Köln bei einem Freund am Tisch und habe gemütlich einen Kaffee getrunken. Dann ruft plötzlich Otmar an und erzählt mir, dass er mich braucht und legt auf. Ich sage zu meinem Kumpel: Der macht einen Witz. Drei Minuten später ist der Otmar wieder dran und fragt mich: Hast du es kapiert? Du musst sofort zum Nürburgring kommen.
Ich zu ihm: Ist es doch wahr? Dann bin ich nur noch zum Auto gesprintet und habe alle Rekorde von Köln zum Nürburgring gebrochen. Das war ein heißer Ritt. Zwei Stunden vor Beginn der Qualifikation bin ich dort aufgeschlagen, war Letzter im Training, bin aber im Rennen noch in die Punkte gefahren. Der Racing Point war natürlich auch ein gutes Auto. Das war ein ziemlich intensives Erlebnis.
Wie haben Sie den Anfang Ihrer Auszeit wahrgenommen?
Hülkenberg: Der war ein stückweit so gewollt. Der Kopf war leer, die Stimmung im Team ab Mitte 2019 recht negativ. Da war ich mental nicht so happy. Ich wusste, dass ich ein bisschen Abstand brauche. Die normale Winterpause von zwei, drei Monaten hört sich viel an, ist es aber nicht. So ergab sich die Möglichkeit, mal komplett wegzutreten. Das gab mir Zeit zu reflektieren, einige Sachen zu verdauen. Da ändert sich die Perspektive, und das hat mir persönlich sehr gut getan. Auch mit dem Wissen, dass es möglicherweise keinen Weg zurück mehr gibt.
Wie schaut man sich als Insider aber doch Außenstehender die Rennen am Fernseher an. Sind Sie in Gedanken mitgefahren?
Hülkenberg: Ich bin ein ganz entspannter TV-Zuschauer, der sich ab und an die Zwischenzeiten anschaut. Mehr aber auch nicht.
Sie sind außer den fünf Grand Prix nicht so wahnsinnig viele Rennen gefahren. War das gewollt?
Hülkenberg: Ich bin gar keine Rennen gefahren. Das war gewollt. Ich wüsste nicht, wo ich hätte fahren sollen.
Zum Beispiel in der Langstrecke oder der DTM. Sie sind immerhin Le-Mans-Sieger?
Hülkenberg: Da war nichts, was mich wirklich gereizt hätte.
Ab wann haben Sie sich gesagt: Jetzt muss ich wieder rein ins Geschäft?
Hülkenberg: Im Laufe diesen Jahres.

Gab es da einen Auslöser?
Hülkenberg: Vielleicht so um das Rennen in Miami herum. Das war schon ein gigantischer Event. Die Strecke, die Autos und die Atmosphäre haben mich wieder reingezogen. Ab da wollte ich den Kick wieder haben und im Wettkampf stehen. Das hat sich mehr und mehr intensiviert.
Fühlt es sich jetzt wieder wie das erste Rennen nur mit mehr Erfahrung an?
Hülkenberg: Nein. Die Routine habe ich. Okay, die Autos sind anders. Aber die Gesetze und Prinzipien sind noch die gleichen.
Sie sitzen schon am Dienstag im Haas: Was soll Ihnen dieser Tag bringen?
Hülkenberg: Ich will für das Auto ein Gefühl kriegen, Formel-1-Luft schnuppern und Kilometer sammeln. Das ist für mich ein extra Testtag. Nächstes Jahr vor Bahrain bleiben jedem Fahrer nur eineinhalb Tage. Das ist nicht viel. Deshalb ist jede Runde jetzt schon wichtig, um sich wieder reinzuarbeiten in die Prozesse und Abläufe, und das neue Team kennenzulernen. Und um Sachen am Auto festzustellen, die man verbessern kann.
Sie haben am Dienstag vor den GP Abu Dhabi unterschrieben. Wie lief das ab?
Hülkenberg: So ungefähr war das. Ich war in Dubai. Der Guenther Steiner in Abu Dhabi. Für die Kommunikation gibt es E-Mails.
Sie sind die neuen Groundeffect-Autos bei Aston Martin schon gefahren. In wieweit sind die anders als die Vorgänger?
Hülkenberg: Der 18-Zoll-Reifen trägt auch dazu bei, dass es sich etwas anders anfühlt. Das Auto ist etwas schwerer und behäbiger, der Abtrieb in den schnellen Kurven mehr. Am Ende ist es ein Auto mit vier Reifen und Lenkrad. Du musst es schnell fahren und dich anpassen wie früher auch.
Wie groß ist die Gefahr, dass Sie in drei Jahren Pause Rost angesetzt haben?
Hülkenberg: Rost nicht. Natürlich muss ich mich in gewisse Sachen wieder einarbeiten. Ich komme in ein neues Team mit neuem Auto. Das braucht immer eine Eingewöhnungszeit. Vom Fahren, vom Ans-Limit-gehen und vom Reifenmanagement her gibt es gar kein Problem. Körperlich muss ich noch arbeiten – besonders in Bezug auf den Nacken mit den Fliehkräften.
Sind Sie schon wieder auf Ihrem Kampfgewicht?
Hülkenberg: Noch nicht ganz. Zwei Kilogramm müssen noch runter.

Was sagen Sie zu Stimmen, die fragen, warum Haas ein 23-jähriges Talent gegen einen 35-Jährigen austauscht, der drei Jahre kaum gefahren ist. Erhöht das den Druck auf Sie?
Hülkenberg: Ganz und gar nicht. Druck kommt nur von der eigenen Erwartungshaltung. Und die ist hoch. Ich sehe da keinen Druck, dass ich wegen der besonderen Situation etwas Besonderes leisten müsste. Ich kriege natürlich mit, dass das Thema emotional ist, weil es um zwei deutsche Fahrer geht. Aber wir sind hier in der Formel 1 und kämpfen alle um den gleichen Meter Asphalt und unsere Karrieren.
Am Ende des Tages entscheiden die Teams, wer die Autos fährt. Und die setzen in der Regel die Leute rein, von denen sie denken, dass sie für das Team die beste Lösung sind. Es ist also nicht meine Entscheidung. So weit ich das ab dem Sommer mitbekommen habe, ist das alles sehr fair abgelaufen. Das Team hat Mick viel Zeit gegeben, sich zu beweisen. Im Endeffekt haben sie sich dagegen entschieden. Das Alter sollte jedenfalls kein Problem sein.
Welche Erwartungen stellen Sie an die nächste Saison?
Hülkenberg: Spekulieren bringt nicht viel. Alles hängt davon ab, wie stark das Paket ist. Ich werde sicher eine gewisse Gewöhnungsphase brauchen, um die maximale Leistung abzurufen. Für mich ist wichtig, jedes Wochenende sagen zu können: Wir haben alles rausgequetscht. Wir haben nichts auf dem Tisch liegengelassen.
Das Team sucht Konstanz. Das sollte man von einem mit 181 GP-Starts erwarten können?
Hülkenberg: Konstanz wird von jedem Fahrer erwartet. Wenn man meine Statistik anschaut, dann war ich bis jetzt immer recht konstant.
Ihr neuer Teamkollege Kevin Magnussen war ja früher nicht Ihr bester Freund. Wie sieht das jetzt aus?
Hülkenberg: Beim Fahrerfoto in Bahrain bin ich zu ihm hin und habe ihm mit seinen Worten von 2017 die Hand gegeben. Das fand er ziemlich amüsant. Das hat das Eis gebrochen. Vor dem Rennen in Jeddah haben wir uns am Flughafen getroffen und miteinander gequatscht. Seitdem ist das alles gut. Wir lachen heute beide über die Geschichte von damals. Ich habe da keine Bedenken, dass das Schwierigkeiten geben könnte.
Hatten Sie als Plan B Le Mans ins Auge gefasst, falls es mit dem Formel-1-Comeback nicht geklappt hätte?
Hülkenberg: Die Formel 1 ist das Nonplusultra im Motorsport. Le Mans sieht zwar mit den ganzen Herstellern attraktiv aus, aber mein Herz ist bei der Formel 1 im Einsitzer und nicht beim Langstreckensport. Darum war das nie auf meiner Agenda.