Haas-Reifenproblem: Entwarnung erst nach Suzuka

Haas gibt noch keine Entwarnung
„Erst nach vier Rennen dürfen wir jubeln“

GP Australien 2024

Haas ist Sechster statt Letzter. Diese Aussage hätte sich vor der Saison keiner zugetraut. Nicht mal die Leute im Team selbst. Der eine Punkt von Nico Hülkenberg aus Saudi-Arabien unterstreicht diese Aussage. Alle Mitkonkurrenten stehen noch bei Null. Doch Haas war auch vom Speed her die Lokomotive im Verfolgerfeld, das mehr denn je sein eigenes Rennen um den elften Platz austrägt. Oder Rang zehn, wenn vorne mal einer ausfällt.

Der Haas VF-24 ist nicht mehr nur ein Samstagsauto. In Bahrain und in Jeddah konnten Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen ihren Speed über die Länge eines ganzen Stints konservieren. Auf allen verfügbaren Reifenmischungen. Und das ist die eigentliche Überraschung.

Im letzten Jahr sah nichts danach aus, dass die Haas-Ingenieure das Problem verstanden hätten. Sie drehten sich im Kreis. Auch die B-Version brachte keine Lösung, außer die Erkenntnis, dass das Grundübel im Auto steckte. Teamchef Ayao Komatsu verteidigt seine Aerodynamiker: "Sie konnten mit dem alten Chassis und dem Getriebe nicht das tun, was nötig gewesen wäre."

Ayao Komatsu & Nico Hülkenberg - Haas - Bahrain - 2024
Haas

Reifen weniger stark belastet

Ein neues Chassis und Getriebe verschaffte den Ingenieuren die Freiheiten, die sie brauchten. Und Ferrari lieferte endlich eine moderne Hinterradaufhängung. Die alte mit ihren Tellerfedern wurde intern an manchen Stellen als mittelalterliche Technik verspottet. In Summe kam ein Auto heraus, dass sich aus Fahrersicht ganz anders anfühlt: "Speziell mit vollen Tanks spürst du den Unterschied. Wir haben jetzt ein viel besseres Fundament", freut sich Hülkenberg.

Die Aerodynamikabteilung trug viel dazu bei, dass Haas sein größtes Problem in den Griff bekommen hat. Die Erfahrung aus der vergangenen Saison hat auch den letzten Ingenieur im Team davon überzeugt, dass man sich von beeindruckenden Abtriebs-Rekorden im Windkanal nichts kaufen kann, wenn dieser Wert sich in der Realität nicht stabil darstellen lässt.

Schwankender Abtrieb lässt das Auto rutschen und das Rutschen treibt die Reifentemperatur nach oben. Trotz der Fortschritte ist noch nicht alles perfekt, führt Hülkenberg aus: "Die Balance verschiebt sich in der Kurvenfahrt immer noch, aber nicht mehr so schlimm wie letztes Jahr. Deshalb belasten wir die Reifen nicht mehr so stark."

Nico Hülkenberg - Haas - Bahrain - 2024
Haas

Nervöser Anruf von Gene Haas

Für Teamchef Ayao Komatsu ist das verbesserte Auto nicht die ganze Erklärung: "Wir haben auch beim Setup und der Reifenvorbereitung Fortschritte gemacht." Deshalb verordnete der Japaner seiner Truppe für die Testfahrten einen strikten Plan und eine andere Einstellung: "Wir arbeiten so lange nicht an anderen Themen, bis dieses Problem nicht unter Kontrolle ist."

Seinen Ingenieuren erklärte der gelernte Ingenieur vor den Wintertests: "Wenn wir es in den drei Tagen nicht hinkriegen das Problem zu lösen, schaffen wir es nie. Unter der Saison haben wir weder die Zeit noch die Reifensätze für solche Experimente."

Es war auch für Komatsu eine Feuertaufe. "Nach den ersten beiden Tagen rief Gene Haas ganz nervös an und hat gefragt, warum wir in der Zeitentabelle ganz hinten stehen, und das auch noch vier bis fünf Sekunden hinter der Bestzeit. Ich habe ihm unseren Plan erklärt und ihn damit beruhigt, dass wir gut vorankommen. Wenn wir unser Hauptproblem in den Griff kriegen, schaffen wir die eine Runde in der Qualifikation auch, habe ich Gene gesagt."

Ayao Komatsu - Haas - Bahrain - 2024
Haas

Urteil erst nach Suzuka

Trotzdem sieht sich der neue Teamchef noch lange nicht über den Berg. "Wir haben bis jetzt nur zwei unterschiedliche Rennstrecken gesehen. Melbourne und Suzuka unterscheiden sich noch einmal deutlich von den ersten beiden. Während Melbourne in Bezug auf die Kurventypen und die Rauigkeit des Asphalts zwischen Bahrain und Jeddah liegt, ist Suzuka etwas ganz Eigenes. Der Asphalt ist rau, die Kurven superschnell, die Last mehr vorne als hinten und die Reifenabnutzung entsprechend hoch."

Und gerade schnelle Kurven sind immer noch nicht die Stärke des US-Ferrari. "Wir haben in Jeddah im ersten Sektor mit seinen vielen schnellen Kurven zu viel Zeit liegenlassen. Deshalb will ich Suzuka abwarten, bevor ich mir ein endgültiges Urteil und eine Einschätzung unseres Autos im Vergleich zu den anderen erlaube. Erst dann dürfen wir jubeln, wenn es so bleibt", warnt Komatsu. Hülkenberg sieht es genauso: "Der ultimative Test für uns wird eine Strecke sein, die den Reifen stark fordert in Verbindung mit heißem Wetter."

Der WM-Punkt in Jeddah fühlt sich für Haas an wie ein Sieg. Weil es in diesem Jahr noch schwieriger geworden ist, in die Top Ten zu fahren. "Ein Punkt ist ein Punkt", ordnet Hülkenberg die Haas-Sternstunde in Jeddah ein. "Er hat für eine positive Stimmung im Team gesorgt. Wir wissen jetzt, dass wir ein Paket haben, mit dem wir ein Rennen fahren können. Im letzten Jahr war am Sonntag nur Frust."

Unter den Umständen fuchst es die US-Truppe, dass man letztes Jahr mit der B-Version den Windkanal für zwei Monate in Beschlag genommen hat. Zwei Monate Aerodynamikarbeit korrespondieren laut Komatsu mit zwei Zehnteln. Hätte Haas die jetzt, könnten die Fahrer vielleicht Lance Stroll aus eigener Kraft schlagen. So muss man darauf hoffen, dass wie in Jeddah einer der Fahrer aus den Top 5-Teams nicht ins Ziel kommt.