Schlechte Sicht: Formel 1 ohne GPS verloren

Schlechte Sicht aus dem Cockpit
Formel 1 ohne GPS verloren

GP Australien 2023
Alfa Romeo - F1-Cockpit 2021
Foto: Wilhelm

Das erste Training zum GP Australien war gerade fünf Minuten alt, da zeigte die Rennleitung die rote Flagge. Kein Unfall, kein defektes Auto am Streckenrand, keine Trümmerteile auf der Strecke. Als die Sitzung zehn Minuten später wieder angepfiffen wurde, sickerte der wahre Grund der Unterbrechung durch. Ein Server, der die Reifendaten an die Teams übermittelt, war ausgefallen und damit gingen auch die GPS-Informationen verloren.

So konnten weder die Rennleitung noch die Teams erkennen, wo sich die Autos gerade auf der Strecke befanden und wie schnell sie sich relativ zueinander bewegten. Das ist in modernen Zeiten ein ernstes Sicherheitsrisiko. Vor 20 Jahren hätte man das noch für Science Fiction gehalten.

Tatsächlich wäre es kurz vor dem Abbruch fast zu einem Massen-Auffahrunfall im Feld gekommen. An einer Stelle des Kurses hatte sich ein Stau von sechs Fahrzeugen gebildet. Das Problem dabei: Die Teams konnten ihre Fahrer nicht warnen, dass ein schnelleres Auto von hinten kommt.

Safety-Car - Rennabbruch - GP Australien 2023
Motorsport Images

Was würde im Rennen passieren?

Was sich wie ein Witz anhört, ist Realität. Guenther Steiner bestätigt: "Du kannst heute ohne GPS nicht mehr fahren. Die Fahrer können aus ihren Cockpits heraus nicht richtig erkennen, wer mit welcher Geschwindigkeit von hinten kommt. Sie müssen von uns instruiert werden."

Das wirft die Frage auf: Was würde im Rennen passieren? Antwort der FIA: "Wenn daraus ein Sicherheitsrisiko entstünde, würde das Rennen abgebrochen." Im Fall von Melbourne war es jedoch so, dass die FIA noch Zugriff auf die GPS-Daten hatte. Nur die Teams blickten ins Leere. Sauber-Sportdirektor Beat Zehnder meint: "Ein Rennen ist ohne GPS einfacher zu managen als ein Training." Was logisch klingt: Im Rennen sind die Geschwindigkeitsunterschiede in der Regel geringer.

Dabei hat die Formel 1 die Spiegel in diesem Jahr deutlich vergrößert, auch mit dem Ziel, den toten Winkel zu verkleinern. Und trotzdem ist Pierre Gasly beim zweiten Re-Start in den Alpine seines Teamkollegen Esteban Ocon gerauscht. Er konnte das Schwesterauto, das schräg versetzt rechts hinter ihm fuhr, nicht erkennen. Im Startgetümmel hatte das Team keine Zeit, seine Fahrer zu warnen.

Kevin Magnussen - Haas - Formel 1 - GP Bahrain - 3. März 2023
Motorsport Images

Mehr Vibrationen, schlechtere Sicht

Schuld ist nicht nur die tiefe Sitzposition. Die neuen Groundeffect-Autos haben Leitbleche über den Vorderrädern und weiter nach vorne reichende Seitenkästen. Das kostet zusätzlich Überblick für den Mann im Cockpit. Und die Autos sind deutlich härter gefedert als ihre Vorgänger. Die Vibrationen lassen die Bilder in den Spiegeln verschwimmen.

Die schlechtere Sicht nach vorne führte in diesem Jahr dazu, dass schon zwei Fahrer ihre Startbox seitlich verfehlten. Esteban Ocon und Fernando Alonso kassierten dafür Fünfsekunden-Strafen. Daraufhin hat die FIA die Startboxen um 20 Zentimeter verbreitert und einen Versuch gestartet, mit einer Mittellinie den Piloten das Einparken zu erleichtern. Alonsos Urteil: "Die breiteren Boxen helfen. Die Mittellinie siehst du nicht. Sie ist zu dicht am Auto. Dein Blick reicht viel zu weit vor."

Um zu verhindern, dass die Fahrer nach vorne aus der Startbox fahren, sind rechts und links davon gelbe Orientierungslinien auf den Asphalt gemalt. Sie wurden 2022 von 4,00 auf 4,50 Meter verbreitert. Und trotzdem hätte sich Melbourne-Sieger Max Verstappen fast eine Strafe eingefangen. Seine Vorderreifen berührten die vordere Linie der Box. "Ich habe etwas spät gebremst und dadurch die Referenzlinie aus dem Auge verloren. Meinem Gefühl nach hatte ich noch etwas Spielraum und bin noch ein bisschen nach vorne gefahren. Es war absolut am Limit, aber nicht drüber."