Auf diese Rückkehr hat sich die Formel 1 gefreut. In den letzten beiden Jahren hatte Corona und die damit verbundene Politik der Regierung von Singapur verhindert, dass es zum Nacht- und Glitzerspektakel auf dem 5,063 Kilometer langen Kurs kam. Für 2022 wurden die Auflagen endlich gelockert. So kann die Formel 1 endlich die 13. Austragung eines Grands Prix zelebrieren, der sich in kurzer Zeit zu einem Klassiker im Kalender gemausert hat.
Das erste Training versprühte noch wenig Glanz, weil es bei Tag und nicht unter Flutlicht ausgetragen wurde. Für den einzigen Aufreger sorgte Lance Stroll. Der Kanadier traf rund 21 Minuten vor Session-Ende mit dem linken Hinterrad die Mauer in Kurve fünf. Das verdauten weder der Reifen noch die aufhängung seines Aston Martin. Die Ingenieure forderten den Piloten auf, wenige hundert Meter nach der Unfallstelle zu parken. Die Rennleitung unterbrach die Session für fünf Minuten.
Hamilton in Frühform
Nach Wiederaufnahme des Trainings zeigte Mercedes die Krallen. Eigentlich waren die Ingenieure vor dem Wochenende nicht sonderlich optimistisch, was die Erfolgschancen anbetrifft. Doch zum Auftakt lief es besser, als erwartet. Der Silberpfeil scheint die vielen Bodenwellen besser zu schlucken als angenommen.
Lewis Hamilton tauchte dort auf, wo er oftmals in seiner Formel-1-Laufbahn war – an der Spitze des Feldes. Im Schlussspurt umrundete der siebenmalige Weltmeister den Kurs in 1:43.033 Minuten. Dafür verwendete er wie die Konkurrenz die weichste Reifenmischung (C5). Hamilton ist einer der Singapur-Spezialisten im Feld. Er gewann das Nachtrennen bereits vier Mal. Nur Sebastian Vettel ist hier mit fünf Triumphen erfolgreicher.
Der zweite Mercedes ordnete sich an fünfter Stelle ein. Für George Russell war es kein reibungsloses Training. In der Frühphase schlitterte der 24-jährige Engländer in Kurve elf mit der Front voran in die Tecpro-Schutzmauer. Russell befreite sich im Rückwärtsgang und steuerte für Checks die Box an. Auf der Stoppuhr fehlte ihm eine Sekunde auf den Teamkollegen.

Verstappen knapp dahinter
Red Bull lässt nicht locker, obwohl der WM-Titel praktisch festgezurrt ist. Die Ingenieure überarbeiteten abermals die Leitbleche am Unterboden. Es handelt sich um eine kleine Korrektur des Profils, um den Abtrieb in verschiedenen Fahrzuständen zu stabilisieren. Ferrari und Mercedes sind dagegen ohne neue Teile in die asiatische Handelsmetropole gereist.
Max Verstappen, der an der Strecke seinen 25. Geburtstag feierte, büßte in seinem schnellsten Umlauf 84 Tausendstel auf seinen großen Rivalen aus dem Vorjahr ein. Mercedes und Red Bull begegneten sich in allen Sektoren auf Augenhöhe. Jedoch drehte Verstappen seine Runde vor der Unterbrechung als die Strecke vermutlich noch schmutziger und dadurch langsamer war. Der elfmalige Saisonsieger bleibt der große Favorit. Verstappen kann bereits in Singapur die Titelverteidigung klarmachen. Dafür braucht er einen Sieg. Und Charles Leclerc sowie Sergio Perez müssen mitspielen.
Für Ferrari brachte der Auftakt den dritten Platz. Leclerc hinkte um vier Zehntelsekunden hinterher. Die Session begann für ihn mit Bremsproblemen, die ihn nach einer Schnupperrunde für rund 20 Minuten in die Box ketteten. Es folgte Perez im zweiten Red Bull mit einem Rückstand von 0,8 Sekunden. Hinter dem Fünftplatzierten Russell sortierte sich mit Carlos Sainz der zweite Ferrari-Fahrer ein. Der Spanier hatte in seiner schnellsten Runde einen heiklen Moment in der Zielkurve zu überstehen. Er rutschte hinaus und wäre beinahe in der Mauer gelandet.
Getriebe-Problem für Alonso
Das Mittelfeld führte Esteban Ocon im Alpine an. Teamkollege Fernando Alonso schaffte es als Zehnter ebenfalls in die obere Tabellenhälfte. Doch ein zickiges Getriebe verbannte ihn nach nur elf Umläufen in die Garage. So spulte Alonso, der an diesem Wochenende mit seinem 351. Grand Prix zum alleinigen Rekordhalter der Formel 1 aufsteigt, keinen Run auf der weichsten Mischung ab.
Alpines Plan sah vor, im ersten Training auf den Einsatz des neuen Unterbodens zu verzichten, weil die Strecke noch zu schmutzig war. McLaren bestückte das Auto von Lando Norris direkt mit den neuen Teilen. Der Rennstall aus Woking hat von seinem großen Upgrade, das Unterboden, Seitenkasten, Diffusor und vordere Bremsbelüftungen umfasst, nur ein Kit rechtzeitig fertig gebracht. Daniel Ricciardo muss sich bis zum GP Japan in einer Woche gedulden.
Der große Erfolg blieb zumindest in den ersten 60 Minuten aus. Norris ließ nur Nicholas Latifi im Williams hinter sich. Der Teamkollege wurde mit dem alten Auto Zwölfter. Wenigstens sammelte McLaren wertvolle Daten, um alt und neu miteinander zu vergleichen. In die Top 10 schoben sich dagegen Unfallfahrer Stroll (auf Mediumreifen) und Pierre Gasly als Neunter im Alpha Tauri.

Vettel startet ordentlich
Sebastian Vettel erlebte einen ordentlichen Auftakt. Der langsame Kurs schmeckt dem Aston Martin. Der Heppenheimer fuhr lediglich auf den Mediumreifen. Auf der weichsten Mischung wäre er wohl sicher in die obere Tabellenhälfte vorgedrungen.
Der zweite Deutsche im Feld kämpft um seine Zukunft. Mick Schumacher muss sich empfehlen, um bei Haas auch 2023 fahren zu dürfen. Sein Rivale um das Cockpit beim US-Rennstall heißt Nico Hülkenberg. Im ersten Training belegte Schumacher den 18. Rang. Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass Singapur für ihn Neuland ist. Wie auch für Yuki Tsunoda, Guanyu Zhou und Nicholas Latifi.