Im Vorjahr war Max Verstappen in Spielberg unantastbar. Der Weltmeister raste damals in beiden Qualifikationen auf Pole Position, gewann anschließend beide Grand Prix nacheinander in der Steiermark und führte dabei alle 142 Rennrunden an. Diese Serie möchte Red Bulls Superstar fortsetzen. Den ersten Teil der Aufgabe erfüllte Verstappen am Freitagabend.
Der WM-Führende steuerte seinen RB18 in einer spannenden Qualifikation auf die Pole Position für das Sprintrennen am Samstag über 24 Runden. Verstappen umrundete den Red-Bull-Ring in seinem letzten Anlauf in 1:04.984 Minuten. Für ihn ist es die dritte Pole der Saison und gleichzeitig die dritte in Spielberg. Seine holländischen Fans auf den Tribünen waren außer sich vor Freude. "Die Qualifikation ist eigentlich nicht unsere Stärke. Ich hoffe, dass wir unsere starke Ausgangsposition am Samstag umsetzen können, um uns für Sonntag in eine gute Position zu bringen", resümierte Verstappen.
Ferrari knapp geschlagen
Die Qualifikation war bisher die Domäne von Ferrari. Diesmal unterlag man Red Bull, wenn auch extrem knapp. Charles Leclerc schrammte in seinem finalen Versuch um 29 Tausendstel an der Verstappen-Marke vorbei. Teamkollege Carlos Sainz war ebenfalls schnell unterwegs und verfehlte seine zweite Pole in Serie um 0,082 Sekunden.
Beide Ferrari-Fahrer sahen den ersten Startplatz in Reichweite. Doch die Reifen wollten nach zwei Pausen mit fallenden Streckentemperaturen nicht schnell genug auf Temperatur kommen. "Das war ein aufregendes Qualifying", fasste Leclerc zusammen. "Ich habe zum Schluss damit gekämpft, die Reifen auf Temperatur zu bringen. Max war einfach etwas schneller als wir." Sainz berichtete: "In den Kurven eins und drei fiel es mir schwer, mit den kalten Reifen das maximale Vertrauen aufzubauen.
Der zweite Red Bull spielte keine Rolle bei der Vergabe um die Pole Position. Sergio Perez büßte auf der kurzen Runde von nur 4,318 Kilometern über vier Zehntelsekunden zu Verstappen ein. Es reichte immerhin für die vierte Startposition. Dachte man zunächst. Doch die Renndirektion leitete noch während der Qualifikation eine Untersuchung gegen den Mexikaner ein. Perez sollte gegen die Track Limits in Kurve acht verstoßen haben. Die Stewards nahmen sich dem Fall jedoch erst nach der Quali an. Es war ein eindeutiges Vergehen. Das Urteil: Perez hätte erst gar nicht in Q3 mitfahren dürfen, deshalb erkannte man ihm alle Rundenzeiten ab. Somit purzelte er von vier auf Platz 13.

Mercedes-Fahrer mit Unfällen
Der erste Profiteur war Mercedes. Zum ersten Mal schien der Konstrukteurs-Champion die beiden Dominatoren der bisherigen Saison auch auf eine schnelle Runde herausfordern zu können. Doch die Mercedes verbauten sich selbst den Weg zu Topstartplätzen. Sowohl George Russell als auch Lewis Hamilton versagten die Nerven. Die beiden sorgten mit Einschlägen für die einzigen Unterbrechungen der Qualifikation. "Ich denke, dass die Pole heute in Reichweite lag", ärgerte sich Teamchef Toto Wolff.
Lewis Hamilton machte den Anfang. Der siebenfache Weltmeister feuerte seinen Mercedes etwa fünf Minuten vor Ende des Q3 in den Reifenstapel der siebten Kurve. Der Rekordsieger war zu schnell eingebogen, das Heck konnte nicht genug Haftung aufbauen. Im Seitwärtsschritt landete das Auto mit der Startnummer 44 in der Streckenbegrenzung. Hamilton entschuldigte sich noch am Funk bei seiner Mannschaft für den Fahrfehler und für den entstandenen Schaden.
Nach Wiederfreigabe der Rennstrecke patzte dann auch Teamkollege Russell. Der 24-jährige Engländer verlor die Kontrolle über seinen Dienstwagen in der Zielkurve. Auch Russell war wohl zu forsch, das Heck kam herum und er landete rückwärts im Reifenstapel. "Das kam wie aus dem Nichts", rätselte der Pilot. Auf die Mercedes-Mechaniker wartet eine Nachtschicht. Für Russell sprang immerhin der vierte Platz heraus. Hamilton belegte Rang neun.
Die weiteren Positionen in den Top 10 gingen an Esteban Ocon (5.), Kevin Magnussen (6.), Mick Schumacher (7.) und Fernando Alonso (8.). Sowohl Alpine als auch Haas zeigten damit eine starke Mannschaftsleistung. Die beiden Autos führen in Spielberg das Mittelfeld an. Schumacher kann somit auch in Österreich um WM-Punkte kämpfen. Bleibt er an der siebten Stelle, reicht es bereits im Sprint dazu. Dort werden die schnellsten acht Fahrer belohnt.

Desaster für McLaren
Auf der kurzen Rennstrecke liegen die Rundenzeiten für gewöhnlich eng zusammen. So war es auch im zweiten Durchgang. Pierre Gasly schrammte in seinem Alpha Tauri um neun Tausendstel am Q3-Aufstieg vorbei, wäre dort aber mitgefahren, hätte die Rennleitung sofort reagiert, und Perez die letzte Q2-Zeit gestrichen. So wurde Gasly der Chance beraubt, sich einen besseren Startplatz herauszufahren. An seiner Stelle freute sich Schumacher, der es gerade so in die Top 10 schaffte.
Alpha Tauri wartet weiter sehnsüchtig auf die Upgrades, die dem AT03 mehr Anpressdruck über den Unterboden verschaffen sollen. Insofern war es ein gutes Ergebnis. Hitzkopf Yuki Tsunoda fluchte einmal mehr nach Fahrfehler am Boxenfunk. Der Japaner drehte am Freitag von Spielberg die 14.-schnellste Rundenzeit. Zwischen die Alpha Tauri schoben sich Alexander Albon im Williams und Valtteri Bottas im Alfa Romeo.
Das große Williams-Upgrade, das das Team in Silverstone eingeführt hatte und in Österreich um eine aktualisierte Vorderachse ergänzte, zeigt Wirkung. Der genesene Albon mischte munter mit und verfehlte das Q3 als Zwölfter um keine Zehntelsekunde. Durch die Strafe gegen Perez rückt er um einen Platz auf – wie Valtteri Bottas. Alfa Romeo tut sich dagegen schwer. Der C5-Reifen scheint dem Auto weiterhin nicht zu schmecken. Bottas wird als 12. den Sprint starten. Am Rennsonntag wirft ihn ein Motortausch in der Startaufstellung ganz nach hinten.
McLaren verpatzte das Training und danach auch die Qualifikation. Die Mechaniker bauten dem MCL36 von Lando Norris nach Leistungsverlust in der ersten Übungseinheit zwar rechtzeitig einen neuen Motor ein, doch schnelle Runden glückten nicht. Der Engländer maulte über die Bremse, die schnell zu blockierenden Rädern führte: "Ich habe Angst, in die Eisen zu steigen."

Doppel-Aus für Aston Martin
Für Aston Martin dauerte die Qualifikation nur 18 Minuten. Dann kletterten Sebastian Vettel, der zum dritten Mal in Serie im Q1 scheiterte, und Lance Stroll enttäuscht aus ihren grünen Autos. Begleitet wurden sie von Daniel Ricciardo sowie Guanyu Zhou und Nicholas Latifi. Aston Martin schaffte es nicht, sich in der kurzen Trainingszeit mit dem Red-Bull-Ring anzufreunden. "Es hat sich eigentlich nicht schlecht angefühlt. Aber wir sind einfach zu langsam", lautete das ernüchternde Fazit des Heppenheimers.
Vettel wäre eigentlich 17. geworden, rutschte aber nachträglich noch ans Ende des Feldes, als ihm die Rennleitung die beste Runde strich. Er hatte die Track Limits in der ersten Kurve überschritten. "Dadurch habe ich eigentlich Zeit verloren an der Stelle", winkte Vettel ab. Teamkollege Lance Stroll (17.) gewann dadurch das Quali-Duell zum zweiten Mal in dieser Saison, was für den Kanadier aber ein schwacher Trost sein dürfte.
Für Daniel Ricciardo will es weiterhin nicht laufen. Der Australier verpasste den Aufstieg ins Q2 um die Winzigkeit von 24 Tausendstel. Sein Quali endete damit an der 16. Stelle. Es warten weitere unangenehme Fragen auf ihn. Teamkollege Lando Norris war im ersten Teil der Qualifikation rund drei Zehntelsekunden schneller. Die Probleme aus dem Training mit dem fehlerhaften DRS hatte McLaren zwar gelöst, doch Ricciardo fehlte es an Speed. Zhou (18.) hat den Unfall von Silverstone weggesteckt, trotzdem war er eine halbe Sekunde langsamer als Bottas. Latifi (19.) konnte im alten Williams ohne Upgrade nichts ausrichten.