Warum setzte Mercedes auf die harten Reifen?
Bei Mercedes rieb man sich am Start verwundert die Augen. Die Konkurrenz von Red Bull und Ferrari setzte für den ersten Stint auf die weichen Reifen. Die Silberpfeil-Ingenieure trauten Pirellis weichster Sorte höchstens 16 Runden zu. Schon früh entschied man sich deshalb, die Finger von der C4-Mischung zu lassen. Doch das war ein Fehler.
Verstappen setzte sich dank des Gripvorteils gegenüber den Medium-bereiften Mercedes am Start locker durch. Erst in Runde 26 bog der Holländer zum einzigen Stopp an die Box ab. Seine Verfolger blieben zwar länger draußen, setzten im zweiten Stint dann aber auf die harten Gummis. Die lieferten aber weder den erhofften Grip noch einen großen Verschleiß-Vorteil. So rollte Verstappen am Ende entspannt mit 15,1 Sekunden Vorsprung über den Zielstrich.
Mercedes verteidigte sich, dass man durch den Pirelli-Test im zweiten Training auf Longrun-Daten verzichten musste. Auch die niedrigeren Temperaturen am Rennsonntag hätten dazu beigetragen, dass die Softs plötzlich zu einem guten Rennreifen wurden. "Vielleicht hatte Red Bull auch einfach bessere Informationen als wir", gaben die Ingenieure zerknirscht zu.
Die Warnung von Lewis Hamilton wurde nicht erhört: "Ich haben im Strategie-Meeting angesprochen, dass wir mit einem Auto vielleicht was riskieren sollten. Ich hatte so ein Bauchgefühl, dass sie auf den Softs starten würden. Und als dann die Heizdecken runtergingen, standen alle um uns herum auf Softs und wir waren auf Medium. In dem Moment habe ich schon gedacht, dass wir in Schwierigkeiten sind."
Bei Red Bull war die Mercedes-Strategie nie eine Option: "Wir waren überrascht, dass sie so konservativ vorgegangen sind. Dietrich Mateschitz hat uns gelehrt, Risiken einzugehen. Diese Strategie war sicher aggressiv", erklärte Horner. "Ein Schlüssel lag darin, dass Max die Softs im ersten Stint meisterhaft gestreichelt hat. Er weiß einfach, was der Reifen braucht. Als er an die Box kam, steckte immer noch viel Leben drin."
Schon in Austin war Lewis Hamilton am Ende des Rennens mit harten Reifen chancenlos gegen Verstappen auf Mediums. Das veranlasste die Konkurrenz zu ein paar hämischen Bemerkungen: "Dieser Reifen hat Mercedes zwei mögliche Siege gekostet", grinste Horner. Ferrari-Kollege Mattia Binotto fügte an: "Wir wurden hart für unsere Patzer kritisiert. Jetzt hat Mercedes zwei Mal danebengegriffen. Es ist schön zu sehen, dass nicht nur uns solche Fehler passieren."

Wer hatte das schnellste Auto?
In den Trainings und der Qualifikation fuhren die Mercedes lange auf Augenhöhe mit Red Bull. Im Rennen wurde das Kräfteverhältnis durch die Reifenwahl verschleiert. So stritten sich die Verantwortlichen am Ende im Fahrerlager, wer eigentlich das schnellste Auto hatte. "Ich denke, dass wir bei gleicher Strategie immer noch gewonnen hätten. Aber sie wären sicher näher dran gewesen", erklärte Horner.
Die Mercedes-Ingenieure glauben, dass ein Sieg in Mexiko in Reichweite lag: "Wenn wir in der ersten Kurve vorne gewesen wären, hätten wir eine Chance gehabt." In den Turbulenzen hätte Verstappen die Soft-Reifen nicht so vorsichtig einfahren können und wäre vermutlich wie Perez früher zum Boxenstopp abgebogen.
Apropos Perez: Bei Red Bull ärgerte man sich über den verpatzten Boxenstopp beim Lokalmatador. Das Rad hinten links klemmte, was den Service um drei Sekunden verlängerte. Der mögliche Undercut ging dadurch in die Hose: "Ohne das Problem hätte Checo Lewis wohl geschnappt und uns den Doppelsieg gebracht", klagte Horner. Was genau schieflief, muss noch analysiert werden. "Es sah so aus, als hätte sich die Radmutter nicht sauber gelöst."

Warum war Ferrari in Mexiko so schwach?
Ferrari konnte in dieser Saison zumindest in der Qualifikation immer mit den schnellsten Autos im Feld mithalten. Doch in Mexiko mussten sich Carlos Sainz und Charles Leclerc am Start auf den Plätzen fünf und sieben einreihen. Im Rennen ging es dann auch nicht richtig voran. In den Kampf um die Podiumsplätze konnten die roten Autos nie eingreifen. Auf Sieger Verstappen fehlte im Ziel fast eine Minute – bei gleicher Strategie.
"Wir haben uns auf dieser Strecke einfach nicht wohlgefühlt", entschuldigte sich Binotto nach dem Rennen. "Bei der Power Unit mussten wir Kompromisse eingehen. Da konnten wir nicht die volle Leistung abrufen." Offenbar befürchteten die Ingenieure in der dünnen Luft Probleme mit den Turbos. Deshalb wurde die Power zurückgeschraubt.
Um auf den Geraden nicht zu viel Zeit zu verlieren, mussten die Piloten auch beim Setup Einschränkungen hinnehmen. Ein nerviges Untersteuern und viel Unruhe über die Kerbs ließen sich dem F1-75 einfach nicht austreiben: "Das Fahrverhalten war nicht besonders toll. Die Balance hat nicht gepasst. Das Auto hat einfach nicht eingelenkt. Was die genaue Erklärung dafür ist, müssen wir jetzt untersuchen", so Binotto.
Der Capo gab zu, dass die Ingenieure auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Als man bemerkt hat, wie schlecht das Auto liegt, war es auch schon zu spät: "Im ersten Training haben wir es noch nicht realisiert. Der Reifentest im zweiten Training hat sicher auch nicht geholfen. So weit weg waren wir zuletzt in Spa. Wir müssen jetzt die richtigen Schlüsse ziehen und in den letzten beiden Rennen wieder zu alter Stärke finden."

Wie kam Daniel Ricciardo nach vorne?
Im drittletzten Rennen vor dem Rauswurf bei McLaren zeigte Daniel Ricciardo seine beste Leistung des ganzen Jahres. "Schon in der Qualifikation war er ganz nah dran an Lando. Er hat sich hier einfach wohlgefühlt. Die Strecke liegt ihm", lobte Teamchef Andreas Seidl seinen Schützling, der dieses Jahr viel Kritik einstecken musste.
Bei seinem starken Schlussspurt in Mexiko half dem Australier eine außergewöhnliche Reifenwahl. Nach einem langen ersten Stint auf Mediums holte sich Ricciardo in Runde 44 einen Satz frische Softs ab. "Wenn wir die gleiche Taktik wie die anderen gewählt hätten, wäre Daniel da rausgekommen, wo er vor dem Stopp lag – außerhalb der Punkte", begründete Seidl die aggressive Strategie.
Nach Information des Bayern haben die Ingenieure die Taktik schon vor dem Rennen besprochen. "Dann haben wir bei Sebastian (Vettel) gesehen, dass die Softs lange durchhalten. Also hat Daniel das mit seinem Ingenieur durchgezogen." Der Schachzug ging am Ende besser auf als gedacht. Im Duell gegen Yuki Tsunoda rumpelte sich Ricciardo überhart durch, was ihm eine Zehn-Sekunden-Strafe einbrachte.
Teamkollege Lando Norris machte anschließend freiwillig Platz. Der Alfa Romeo von Valtteri Bottas und die beiden Alpine konnten keine Gegenwehr leisten. Am Ende fuhr Ricciardo sogar noch so viel Vorsprung raus, dass er den siebten Platz trotz Strafe behalten konnte. Von den Fans wurde der McLaren-Pilot zur Belohnung zum Fahrer des Rennens gekürt. Seidl beobachtete die Glanzleistung allerdings mit einem lachenden und einem weinenden Auge. "Leider hat er und das Team es nicht geschafft, solche Leistungen konstant abzuliefern. Das müssen wir uns alle ankreiden."

Warum machte Bottas so wenig aus Startplatz sechs?
Valtteri Bottas war der Held der Qualifikation von Mexiko. Mit der sechstschnellsten Zeit im Q3-Finale schob sich der Finne direkt in das Ferrari-Sandwich. Für die Leistungsexplosion gab es viele Gründe: Das Setup passte vom ersten Training. Das Technik-Upgrade der letzten Rennen funktionierte perfekt. Im Gegensatz zum Werks-Ferrari schwebte das Kundenauto praktisch über die Kerbs. Bottas fand auf der rutschigen Piste schnell Vertrauen und bewies erneut, warum er als Mexiko-Spezialist gilt.
Doch wie im Vorjahr, als Bottas von der Pole Position startete, ging es im Rennen schnell rückwärts. Wieder verlor der Finne schon am Start einige Plätze. Charles Leclerc schnupfte den Alfa schon auf den ersten Metern auf. In Kurve 1 ging Bottas innen kein Risiko und musste deshalb Fernando Alonso ziehen lassen. Im Verkehr stiegen dann die Temperaturen der vorderen Bremsen, weshalb der Finne irgendwann den Anschluss zum Alpine verlor.
Im zweiten Stint unterlief den Alfa-Strategen dann der gleiche Fehler mit den harten Reifen wie Mercedes: "Ich habe sie einfach nicht zum Arbeiten bekommen. Die Temperaturen lagen immer unter dem Fenster". klagte der Pilot. So gingen auch noch Ocon im zweiten Alpine und die beiden McLaren vorbei. Dank des Motorschadens bei Alonso fünf Runden vor Schluss sammelte Bottas immerhin noch einen Punkt für Rang zehn.
In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal die Highlights vom Rennen in Mexiko.