War die Strafe für Lando Norris zu hart?
Von Platz zwei einmal ans Ende des Feldes. Diese Gefühlsachterbahn durchlebte McLaren-Pilot Lando Norris. Er musste in Runde 45 eine 10-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe absitzen, weil er laut den Sportkommissaren in einer Gelbphase nicht ausreichend verlangsamt hatte. Das kostete ihn um die 30 Sekunden und natürlich einen Podiumsplatz und wertvolle Punkte für McLaren in der Konstrukteurs-WM.
Norris ging hinterher hart mit sich ins Gericht: "Ehrlich gesagt, weiß ich im Moment nicht, was ich falsch gemacht habe. Offenbar habe ich bei Gelb nicht gebremst. Ich bin kein Idiot, wenn ich gewusst hätte, dass Gelb ist, wäre ich langsamer gefahren", sagte der WM-Zweite.
Die Situation ereignete sich auf der Zielgeraden als der Rückspiegel von Alex Albon auf der Strecke lag und von Valtteri Bottas in Kleinholz verwandelt wurde. Aufgrund der Splitter auf der Strecke wurde auf der linken Seite mit gelben Leuchtsignalen die Gelbphase signalisiert. Doch Norris blieb auf dem Gas.

Max Verstappen schwärzte Lando Norris an.
Ausgerechnet Max Verstappen war es, der sein Team und damit natürlich auch die Sportkommissare über Funk auf das Thema aufmerksam machte. Der hatte nach seinem Plausch mit den Herren zu dem Vorfall in der Qualifikation mit George Russell, für den er die Pole abtreten musste, ohnehin den Frack voll.
Für McLaren-Teamchef Andrea Stella steht die Strafe aber in keinem Verhältnis. "Bei Gelb musst du verlangsamen. Diese Verantwortung liegt beim Fahrer. Das hat er nicht getan. Insofern ist eine Strafe gerechtfertigt", erklärte er grundsätzlich. Seiner Meinung nach habe man aber zwei Faktoren außer Acht gelassen. Zum einen, wie groß die Gefahr gewesen sei, die dadurch entstanden ist. Und daraus müsse sich wiederum das Strafmaß ableiten. Für ihn ist das Fehlen dieser zwei Faktoren bedenklich und kann einen entscheidenden Einfluss auf den WM-Kampf haben.
"Es sieht ein bisschen so aus, als gebe es irgendwo ein Buch, das ein bisschen angestaubt ist, schauen wir mal rein und dann wenden wir das an. Das erscheint mir ein bisschen vereinfacht", sagte er. Seiner Meinung nach sollte sich die FIA dahingehend noch einmal im Rückblick alles anschauen.
Wie kam es zu den Reifenschäden?
In Runde 34 erwischte es Carlos Sainz und Lewis Hamilton gleich im Doppelpack. Beide hatten einen Plattfuß vorne links. Von vorneherein war durch die Streckencharakteristik des Losail International Circuit, der ursprünglich eine Motorradrennstrecke ist, klar, dass dies die Achillesferse sein würde. Schon im Sprintrennen kündigte sich laut Pirelli nach 19 Runden an, dass trotz der Modifikation der Kerbs im Vergleich zum vergangenen Jahr die Reifen nur eine gewisse Lebensdauer haben. Die Pirelli-Ingenieure waren sich sicher, dass nach 24 Runden eigentlich Schluss ist. Doch die Teams kamen nach dieser Zeitspanne nicht zum Wechsel, sondern schaukelten sich gegenseitig in die Höhe.

Carlos Sainz kam in Runde 34 mit Reifenschaden an die Box.
"Max hat vor allem in den schnellen Kurven 12, 13 und 14 auf Lando verloren. Er hat die Reifen dort sehr gut gemanagt, was sie so langlebig gemacht hat", sagte Red Bull-Teamchef Christian Horner. "Dann wurde es irgendwann zu einem Roulette. Der Reifen wird schneller und schneller und du bist schon fast auf der Karkasse angekommen. Du willst nicht stoppen, weil wenn ein Safety Car kommt, haben die anderen wieder 10 Sekunden Vorteil. Also fahren alle weiter."
Bis eben Sainz und Hamilton die Gehörnten waren. Ob der Reifenschaden jeweils von den Trümmerteilen von Alex Albons Spiegel ausgelöst wurde oder ob sie sich ohne Fremdeinwirkung auflösten, lässt sich nicht genau sagen. Bei Pirelli weist man aber darauf hin, dass die Reifen natürlich anfälliger sind, wenn kaum mehr Gummi vorhanden ist. Auf die Frage, wie viel noch auf Verstappens Reifen drauf war, als er in Runde 35 in die Box kam, sagte Horner mit einem Grinsen: "Sie wären nicht mehr durch den TÜV gekommen." Einige der Reifen, die Pirelli untersuchte, hatten auf drei von sechs Messpunkten keine Gummiauflage mehr.
Wer hat nun die besten Karten in der Konstrukteurs-WM?
In der Konstrukteurs-WM gibt es zwei spannende Themen, die auch in Katar noch nicht vorzeitig entschieden wurden. Zum einen natürlich der Kampf um die Krone selbst. McLaren hätten den Sack schon vor dem Finale in Abu Dhabi zumachen können, wenn man nach dem Sprintrennen weitere 15 Punkte Vorsprung auf Ferrari im Rennen eingefahren hätte. Doch das Gegenteil war der Fall. Die Italiener machten sogar neun Punkte gut. Nun liegen sie nur noch 21 Punkte hinter McLaren. Insgesamt sind beim Finale noch 44 Punkte in der Verlosung.
Für Ferrari war der Rennsonntag Glück im Unglück. Denn von vorneherein prophezeite man, dass der Losail International Circuit dem roten Auto nicht entgegen kommen würde – obwohl man im ersten Training noch eine gute Figur machte. Im Rennen zeigte sich dann, dass man aus eigener Kraft eher keine Chance auf den Sieg hat und sich hinter McLaren anstellen muss.
Der zweite Platz von Charles Leclerc war tatsächlich auch ein Geschenk von McLaren. Denn zum einen erwischten die Briten mit Oscar Piastri den Boxenstopp zu einem ungünstigen Zeitpunkt kurz vor der Safety Car-Phase, zum anderen war die 10-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe gegen Lando Norris für Ferrari von Vorteil. Der lag zuvor noch auf Platz zwei und verteidigte sich gegen Leclerc. Das hatte sich mit der Strafe erledigt.

Charles Leclerc rettete für Ferrari einen Podiumsplatz.
Carlos Sainz gehörte wie Lewis Hamilton zu den beiden Pechvögeln, die in Runde 34 einen Reifenschaden vorne links erlitten. Und musste obendrein wie Piastri feststellen, dass erst nach dem Service an der Box das Safety Car rauskam. Platz sechs war da noch halbwegs versöhnlich.
Neben dem Gerangel um die Gesamtwertung spitzt sich auch der Kampf um Platz sechs weiter zu. Hier liegen Alpine, Haas und Toro Rosso dicht beieinander. Es steht 59 zu 54 zu 46. Hier war für Pierre Gasly und Alpine der fünfte Platz ein Segen, der ordentlich Punkte bescherte. Esteban Ocon schied hingegen direkt in der ersten Runde im Clinch mit Nico Hülkenberg und Franco Colapinto aus. Es war sein letztes Rennen für Alpine. Wie danach bekannt wurde, wird wohl in Abu Dhabi Jack Doohan im zweiten Cockpit neben Gasly sitzen.
Was war bei Sergio Perez los?
Sergio Perez bekleckerte sich an diesem Wochenende nicht mit Ruhm. Zunächst sorgte er für Erstaunen, als er sich im Sprintrennen beim Start aus der Boxengasse von Franco Colapinto abziehen ließ. Der Williams-Pilot überholte den Mexikaner völlig regelkonform in der Ausfahrt, weil Perez trotz der grünen Ampel geschlafen hatte. "Wir haben ihn aus einem guten Grund sieben Minuten vor Colapinto rausgeschickt", sagte Red Bull-Teamchef Christian Horner.
Ähnlich kurios ging es im Rennen zu. Von Platz neun gestartet, schien er gute Voraussetzungen für Punkte zu haben. Doch daraus wurde nichts. Der 34-Jährige kreiselte in der zweiten Safety Car-Phase wie von Geisterhand von der Strecke. "Zu diesem Zeitpunkt sah es gut für mich aus, ich lag auf Platz 5 und wir waren im Rennen um das Podium", sagte er. "Dann, als ich die Reifen aufwärmte und mich auf den Restart vorbereitete, hatte ich zu viel Power, als ich aus Kurve 12 aufs Gas bin. Mit den kalten Reifen konnte ich das nicht kontrollieren." Danach ist wohl die Kupplung abgeraucht.
Streng genommen ein Anfängerfehler. Er war allerdings in guter Gesellschaft: Nico Hülkenberg ereilte fast zeitgleich das gleiche Schicksal. Der Unterschied: Bei Perez sammelten sich über die Saison so viele Tiefpunkte, dass er sich ernsthaft Gedanken machen muss, ob er bei Red Bull noch am richtigen Platz ist – obwohl er einen gültigen Vertrag für 2025 hat und dies auch immer wieder gebetsmühlenartig betont.

Sergio Perez erwischte wieder einen Tag zum vergessen.
Wie schaffte es Sauber erstmals in die Punkte?
Die Durststrecke von Sauber war lang. Als einziges Team konnte man in 22 Rennen noch keinen einzigen Punkt holen. Die Häme wäre groß gewesen, wenn man so die Saison beendet hätte. Doch die Schweizer schafften es in Katar, sich zu rehabilitieren. Möglich machte das der achte Platz von Guanyu Zhou. Die Basis war unter anderem das Upgrade, das in Las Vegas kam. In Katar hatte man zudem einen neuen Frontflügel dabei. Zum ersten Mal schaffte man es in der Qualifikation mit beiden Autos in die zweite Runde. Zhou startete von Rang 12, Valtteri Bottas von 13.
Im Rennen spielte Bottas dann auch ein bisschen den Wasserträger von Zhou. Denn nach einer Berührung mit Liam Lawson im Toro Rosso, der eine Strafe dafür bekam, war der Unterboden an Bottas‘ Auto beschädigt. Zhou hatte also den Vorrang bei der Strategie. Bottas holte man bereits in Runde 24 an die Box und benutzte ihn als Versuchskaninchen für die harte Reifenmischung. Der Finne wäre beinahe selbst noch in den Punkten gelandet, verpasste sie mit dem elften Platz aber nur knapp – auch weil Lando Norris nach seiner abgesessenen Strafe mit Siebenmeilen-Stiefeln durchs Feld eilte und Bottas noch einkassierte.