Über den Favoriten vor dem ersten Rennwochenende der neuen Formel-1-Saison ist sich das Fahrerlager einig. Red Bull hinterließ bei den Testfahrten einen bärenstarken Eindruck. Der RB19 zeigte sich überwiegend zuverlässig und vor allem sehr schnell. Zum Auftakt in Bahrain bestätigte der Rennstall aus Milton Keynes seine Vormachtstellung.
Und trotzdem kam es nach 60 Minuten zu einem überraschenden Ausgang. Nicht Weltmeister Max Verstappen grüßte vom Spitzenplatz, sondern sein Teamkollege. Sergio Perez war sowohl auf den Mediumreifen als auch auf den weichsten Klebern (C3-Mischung) der schnellste Mann im Feld. In seiner besten Runde stoppte die Uhr nach 1:32.758 Minuten.

Verstappen klar langsamer
Verstappen konnte nur im ersten Streckenabschnitt mithalten. Im zweiten Sektor büßte der Titelverteidiger rund zwei Zehntelsekunden ein. Im letzten Teil der Strecke sogar vier Zehntel. In Summe hinkte Verstappen um 0,617 Sekunden zurück. Normalerweise ist der 25-jährige Niederländer, der noch nie in Bahrain gewann, der klar schnellere Fahrer bei Red Bull.
Das spricht für ein anderes Programm mit mehr Benzin an Bord oder für eine andere Abstimmung. Gerüchten zufolge muss Red Bull sein Auto gegenüber den Testfahrten etwas höher legen. Mehr Bodenfreiheit kostet in der Theorie Anpressdruck und treibt den Luftwiderstand nach oben. Vielleicht ist Verstappen in der veränderten Konfiguration unterwegs gewesen.
Red Bulls Sportchef Helmut Marko widerspricht, dass die Autos unterschiedlich waren: "Bei Verstappen ist eine Veränderung im Fahrverhalten aufgetreten, die wir uns nicht erklären können. In den langsamen Kurven verhält sich das Auto nicht so, wie erwartet. Das ist komischerweise nur bei einem Auto so, obwohl beide gleich abgestimmt waren. Das müssen wir jetzt untersuchen."
Erstes Training wie ein Test
Wir sollten aber noch nicht zu viel hineininterpretieren. Die Teams nutzten die erste Übungseinheit wie einen verlängerten Test. Ferrari, Williams und McLaren experimentierten zum Beispiel mit FloViz-Farbe an gewissen Fahrzeugteilen. Alfa Romeo und Alpine befestigten in den Anfangsminuten sogar ein Messgitter an ihren Autos, um Daten zur Aerodynamik zu sammeln.
Das Ergebnis ist deshalb mit Vorsicht zu genießen. Das sieht man allein schon daran, dass Ferrari-Pilot Carlos Sainz auf dem letzten Platz landete. Als Vorbereitung für die Qualifikation und das Rennen zählt eigentlich nur die zweite Übungseinheit in Bahrain, weil sie ebenfalls in den Abendstunden stattfindet. Unter Flutlicht kühlt die Rennstrecke ab, was sich auf die Aerodynamik der Autos, und speziell auf das Verhalten der Reifen auswirkt. Bei Asphalttemperaturen von 43 Grad Celsius wie im ersten Training leiden die Pirellis deutlich mehr.
Aston Martin sprengte die Red-Bull-Dominanz. Fernando Alonso sortierte sich im AMR23 an zweiter Position ein. Der Spanier, der bereits drei Mal in Bahrain siegte, verlor auf den 5,412 Kilometern 0,438 Sekunden. Nicht wenige im Fahrerlager sehen in Aston Martin einen Favoritenschreck. Bei manchen steht der grüne Rennwagen als Nummer zwei hinter Red Bull auf dem Zettel.

Alonso auf Platz zwei
Die Augen waren nicht nur auf Alonso gerichtet, sondern auch auf Rückkehrer Lance Stroll. Der Kanadier beißt auf die Zähne. Bei einem Fahrradsturz hatte er sich einen Bruch am rechten Handgelenk zugezogen und das linke verstaucht. Die Testfahrten musste er deshalb auslassen. Im ersten Training gab er sein Comeback. Stroll arbeitete sich auf den sechsten Rang. Er spulte 16 Runden ab. Es hätten mehr sein können, wenn ihn zwischendurch nicht eine fehlerhafte Zündung des Mercedes-V6-Turbo eingebremst hätte.
Ferrari und Mercedes ließen die Finger von den weichen Reifen. Deshalb reichte es auch nicht für Spitzenzeiten. Charles Leclerc belegte den fünften Platz hinter dem McLaren von Lando Norris. Ferrari ließ seine Piloten zunächst mit unterschiedlichen Heckflügeln ausrücken. Später sattelte man auf die gleiche Aerodynamik-Konfiguration um. Die Wahl fiel auf den alten Flügel, der sich auf zwei und nicht nur auf einer Stelze stützt.
Die Scuderia musste in der fünftägigen Pause zwischen Test und Rennwochenende an vielen Kleinigkeiten arbeiten. Beim Einlenken untersteuert der SF-23, in schnellen Kurven meldeten die Piloten eine gewisse Instabilität. Ganz scheinen die Probleme nicht behoben zu sein. Jedenfalls legte Sainz rund 20 Minuten vor Trainingsende einen Highspeed-Dreher auf die Bahn. Er hatte Glück, dass die Auslaufzone in Kurve neun groß ist.
Mercedes mit neuem Flügel
Mercedes brachte einen Fahrer in die Top 10. Der andere landete knapp außerhalb. Lewis Hamilton und George Russell probierten beide den neuen Heckflügel aus. Dieser soll ähnliche Abtriebswerte liefern, jedoch weniger Luftwiderstand aufbauen. Davon verspricht sich Mercedes, ab einer Geschwindigkeit von rund 250 km/h weniger Zeit zu verlieren.
In die obere Tabellenhälfte schafften es im ersten Training noch Kevin Magnussen (7.) sowie die beiden Alfa Romeo von Guanyu Zhou (8.) und Valtteri Bottas (9.). Der einzige deutsche Pilot im Feld muss sich noch einschießen. Nico Hülkenberg landete nur auf dem 14. Platz. Zu Teamkollege Magnussen fehlten ihm rund sechs Zehntelsekunden.