GP Australien: Formel-1-Show mit Turbulenzen

Formel-1-Show mit Turbulenzen
Waren rote Flaggen wirklich gerechtfertigt?

GP Australien 2023

Nicht einmal drei Unterbrechungen, drei Safety Cars und ein virtuelles Safety Car können Red Bull stoppen. Max Verstappen erwischte einen schlechten Start in den GP Australien, der ihm zwei Positionen gegen die Mercedes kostete. Am Ende lachte der Doppelweltmeister trotzdem und feierte seinen ersten Triumph überhaupt im Albert Park von Melbourne.

In der zwölften Runde übernahm Verstappen die Führung, die er bis ins Ziel nicht mehr abtrat. Auch nicht bei den zwei Neustarts innerhalb der letzten vier Runden. "Ich habe das Chaos überstanden", resümierte der WM-Führende nach einem arbeitsreichen Sonntag. Durch den zweiten Saisonsieg baute er seinen Vorsprung in der Weltmeisterschaft auf 15 Punkte gegenüber Red-Bull-Teamkollege Sergio Perez aus.

Max Verstappen - Red Bull - GP Australien 2023 - Melbourne
xpb

Verstappen gegen Abbrüche

Melbourne versank teilweise im Chaos. Drei Abbrüche führten zu vielen Positionsverschiebungen und zu Unfällen. Zwei Mal stellte sich das Fahrerlager die Frage, ob ein Abbruch wirklich gerechtfertigt war. Der Sieger hatte eine klare Meinung: "Die ersten beiden Male hätte man es bei einem Safety Car belassen können."

Nach dem Unfall von Alexander Albon in der siebten Runde hatte sich die Rennleitung zunächst entschieden, Bernd Mayländer im Safety Car auf die Strecke zu schicken. Sie wandelte es danach in eine Rotphase um. Die FIA rechtfertigte es mit dem Kiesel und den Trümmerteilen auf der Rennstrecke. Sie bezog sich nicht mal auf Albon, der erstmal von der Strecke geschleppt werden musste.

Die Regelexperten bei den Teams sprachen davon, dass man in diesem Fall auf eine Unterbrechung hätte verzichten können. Man hätte das Feld sicher am Williams vorbeiführen können. Ein Teammanager im Fahrerlager: "Wenn ein Fahrer neben die Strecke gerät und Kieselsteine auf die Strecke wirbelt, wird auch nicht abgebrochen." Doch die Entscheidung der Rennleitung war grundsätzlich nicht falsch. Man kann sie so treffen. "Nur die FIA hat alle Karten auf dem Tisch und den Überblick über die Gesamtsituation", meinte der Drittplatzierte Fernando Alonso.

Zweite Rotphase gerechtfertigt

Als Kevin Magnussen seinen Haas in die Wand bohrte, war die Spitzengruppe gerade in ihren 54. Runde. Aus einem Safety Car machte die Rennleitung schnell eine weitere Unterbrechung. Da vermuteten viele, dass die Entscheidung hauptsächlich zu Show-Zwecken getroffen wurde. Der Vorsprung von Verstappen verdampfte auf acht Meter. Der Spitzenreiter musste sich bei einem stehenden Start gegen Nebenmann Lewis Hamilton verteidigen. "Ab diesem Moment haben wir natürlich gezittert", berichtete Red-Bull-Sportchef Helmut Marko. Bei einem Start kann immer etwas schiefgehen, und man eine oder sogar mehrere Positionen verlieren.

Die Rennleitung ließ die roten Flaggen schwenken, weil Magnussens Einschlag in die Mauer der zweiten Kurve das rechte Hinterrad von den Aufhängungen riss, und es noch mehrere hundert Meter weit flog. Dabei wurden viele Trümmerteile auf der Gerade zwischen den Kurven zwei und drei verteilt – zum Beispiel von der Felge. Selbst bei Red Bull und Alpine gaben die Verantwortlichen zu, dass der Abbruch gerechtfertigt war. "Wegen der Sicherheit ist erstmal der Zustand der Rennstrecke wichtig. Für uns war es natürlich eine unglückliche Situation. Wenn du mit fast zehn Sekunden führst, ist ein Abbruch das letzte, was du dir wünscht. Das war für uns nervenaufreibend", erzählte Red Bulls Rennleiter Christian Horner.

Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer schilderte: "Es lagen einige Metallteile und scharfe Gegenstände auf der Fahrbahn. Von daher war die Rennunterbrechung gerechtfertigt, damit die Streckenposten ausrücken konnten." Die Rennleitung entschied sich für einen dritten stehenden Start, der beide Alpine aus dem Rennen warf. Pierre Gasly und Esteban Ocon nahmen einander auf die Hörner und verunfallten in der zweiten Kurve. Alpine war der große Verlierer des zweiten Neustarts.

Alpine - GP Australien 2023 - Melbourne
Wilhelm

Rennende unter Safety Car

Im Feld ging es drunter und drüber. Mehrere Autos gerieten neben die Strecke und schlitterten ins Kiesbett. Carlos Sainz torpedierte Fernando Alonso. Bei all den Tumulten, Carbon-Splittern und havarierten Autos stand es außer Frage, dass der Grand Prix erneut unterbrochen werden musste. Dieses Mal führte Bernd Mayländer das zusammengeschrumpfte Feld von nur noch zwölf intakten Autos aus der Boxenstraße, und Max Verstappen es als Sieger über den Zielstrich.

Das war nicht unbedingt im Sinne der Rechteinhaber, die über die Show davor angetan waren, aber sich kein Ende unter Safety Car gewünscht hätten. Für die Zukunft wünscht sich das Formel-1-Management, einen solchen Fall zu vermeiden, und darüber in der großen Runde mit der FIA und den Teams zu diskutieren. Nichts gefällt den Show-Machern weniger, als dass die Autos über den Zielstrich rollen, ohne dass sich die Fahrer gegenseitig angreifen dürfen.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff lobte die FIA, die Regeln an diesem Tag korrekt ausgelegt zu haben. Und trotzdem hielt der Österreicher fest, dass es zu lernen gibt. Weil man die roten Flaggen nicht unbedingt hat kommen sehen, sondern eher damit gerechnet hatte, dass es jeweils bei einem Safety Car bleibt.

Haas reicht Protest ein

"Restarts sind mega. Generell sind wir dafür, für Unterhaltung zu sorgen. Wir sollten uns nur zusammensetzen und definieren, wann ein Abbruch erforderlich ist, wann ein Safety Car kommt und wann eine VSC-Phase ausreicht", äußerte sich Wolff. "Dafür gibt es keine Software. Du musst aus der Vergangenheit lernen, um eine Vorhersage zu treffen, was am wahrscheinlichsten passiert. Wir schauen uns selbst die Rennen der Formel 2 und der Formel 3 an, um besser zu verstehen, wie die Rennleitung agiert. Dazu kommt das Bauchgefühl", erklärt Alpine-Teamchef Szafnauer.

Das Regelwerk der Formel 1 ist so kompliziert, dass es nicht einmal die Experten zu 100 Prozent verstehen. Vor dem dritten Neustart bestimmte die Rennleitung, dass die Autos in der Reihenfolge vor dem Abbruch Aufstellung nehmen. Minus die Unfallautos von Pierre Gasly, Esteban Ocon, Nyck de Vries und Logan Sargeant. Haas legte gegen diese Entscheidung einen Protest ein. Der US-Rennstall ist der Meinung, dass die Regelhüter eigentlich die Safety-Car-2-Linie für die Neuordnung hätten heranziehen müssen. Weil diese alle Autos vor dem Abbruch überfahren hatten.

Die Safety-Car-2 Linie befindet sich am Ende der Boxenstraße vor der ersten Kurve. Da hatte Haas-Pilot Nico Hülkenberg bereits eine Position gutgemacht. Er wäre in diesem Fall nicht Siebter, sondern Sechster geworden. Die Sportkommissare mussten nach dem GP Australien tagen.