McLaren Schnellster auf eine Runde und Schnellster über die Distanz. Der WM-Spitzenreiter reklamiert den Titel mit einem Blitzstart in das letzte GP-Wochenende des Jahres. Lando Norris und Oscar Piastri distanzierten die direkte Konkurrenz um sechs Zehntel. Auch wenn Charles Leclerc nicht im Verkehr hängengeblieben wäre, hätte er die McLaren-Piloten nicht aus der Ruhe gebracht.
Den schnellsten Dauerlauf legte Nico Hülkenberg auf die Bahn. Die Durchschnittszeit des Deutschen war fast eine Sekunde schneller als der Rest. Das relativiert auch seine drittschnellste Runde im zweiten Training. Hülkenberg brachte nicht nur die Soft-Reifen in ihr Arbeitsfenster. Er hatte auch weniger Benzin an Bord.
Ferrari und Mercedes stritten sich darum, wer zweite Kraft hinter den McLaren ist. Antwort: Unentschieden. Ferrari war auf eine Runde besser, Mercedes in der Rennsimulation. Red Bull kam wie in Katar nicht aus den Startlöchern. Das Setup passte nicht, und damit kamen die Reifen vorne und hinten nicht gleichzeitig auf Temperatur. "Wir hoffen auf ein ähnliches Wunder wie in Katar", kommentierte Sportchef Helmut Marko den Fehlstart seiner Truppe.

McLaren fuhr sich am Trainingsfreitag von Abu Dhabi in die Favoritenrolle.
Sechs Dinge, die Sie wissen müssen:
1) Wer schlägt McLaren?
McLaren feierte einen deutlichen Doppelsieg. Lando Norris hängte Teamkollege Oscar Piastri um zwei Zehntel und den drittschnellsten Nico Hülkenberg um 0,462 Sekunden ab. Die direkten Gegner Ferrari und Mercedes liegen jeweils sechs Zehntel zurück. Das ist eine Hausnummer. Damit scheint die Pole-Position fast schon vergeben.
Aber McLaren fuhr auch im Longrun der Konkurrenz auf und davon. Piastri lag mit einem Schnitt von 1.29,652 Minuten zwar eine Zehntel über dem Dauerlauf von Lewis Hamilton, doch der Australier war konstanter. Hamilton fing stärker an, baute dann aber stärker ab und hatte eine Abkühlrunde dazwischen. Lando Norris war im Mittel seiner sieben Runden nur um Bruchteile langsamer als sein Teamkollege.

Ferrari steht im Konstrukteurs-Kampf gegen McLaren mit dem Rücken zur Wand.
2) Kann Ferrari den Konstrukteurs-Titel noch gewinnen?
Ferrari erreichte die schlechte Nachricht am Morgen vor dem ersten Training. Bei einem routinemäßigen Check der Batterien wurde beim Energiespeicher von Charles Leclerc ein Spannungsabfall beobachtet, der den Verdacht erhärtete, dass ein Schaden im Rennen befürchtet werden musste. Da Leclerc seine erste Batterie beim GP Kanada verloren hatte, musste eine dritte her. Das wirft ihn in der Startaufstellung um zehn Plätze zurück.
Ein Handicap mehr im Duell mit McLaren um den Titel im Konstrukteurs-Pokal. Mit 21 Punkten Rückstand sind die Chancen schon sehr begrenzt. "Mit einem normalen Rennen ist McLaren Weltmeister. Wir würden McLaren nur mit dem Resultat von Austin schlagen", stellte Teamchef Frédéric Vasseur nüchtern fest. Da feierte Ferrari einen Doppelsieg. McLaren wurde nur Vierter und Fünfter.
Der Konstrukteurs-Titel hat für Ferrari Priorität. Selbst wenn Leclerc mit nur acht Punkten Rückstand auf Norris noch Zweiter werden könnte. "Es gibt Szenarien, wo wir die Vize-Weltmeisterschaft von Charles für den Marken-Titel opfern müssten", erklärt Vasseur. Auf eine Runde scheinen die McLaren unschlagbar. Auch wenn Leclerc in seiner schnellen Runde wegen zu viel Verkehr lupfen musste. Über die Distanz fehlen Ferrari im Schnitt drei bis fünf Zehntel. Vasseur bemängelte: "Auf den Medium-Reifen können wir zufrieden sein. Mit den weichen Reifen müssen wir noch Zeit finden."

Max Verstappen und Red Bull haben noch Arbeit vor sich. Der Freitag verlief nicht nach Wunsch.
3) Welche Probleme bremsen Verstappen?
Max Verstappen verbrachte zwei Mal zehn Minuten des zweiten Trainings in der Garage. Der Weltmeister rapportierte Probleme mit dem Motor und massivem Untersteuern. Der Honda V6-Turbo lieferte bei niedrigen Drehzahlen nicht die erwünschte Power. "Das war nur eine Einstellungssache und schnell gelöst", verrät Sportchef Helmut Marko.
Die anderen Probleme sind gravierender. Und das Auto generierte auf der Vorderachse zu wenig Grip. Die Reifen wollen nicht zur gleichen Zeit auf Temperatur kommen. "Das Fenster ist zu schmal", klagen die Fahrer. Das bremst Max Verstappen und Sergio Perez auf eine Runde mehr als im Longrun. Deshalb brach Verstappen die schnelle Runde auf den Soft-Reifen ab und ging nach einem Setup-Wechsel wieder mit Medium-Reifen auf die Bahn. So erklärt sich seine schnellste Runde von 1.24,598 Minuten, die nicht repräsentativ ist. Im Longrun fehlt ihm eine Zehntelsekunde auf Charles Leclerc und George Russell.
Wie schon in Katar, müssen die Ingenieure bis zum Sonntag den Schlüssel für die Probleme finden. Von Katar lässt sich wenig lernen. "Das waren andere Einschränkungen", blickt Marko zurück. Technikchef Pierre Waché hatte es geahnt. "Wir müssen hier auf den Geraden eine Flügeleinstellung niedriger fahren als im letzten Jahr. Deshalb sind wir beim Abtrieb mehr vom Unterboden abhängig als sonst. Das schmeckt uns nicht so gut. Da kommen wir oft an verschiedenen Stellen des Bodens in den Grenzbereich."

Mercedes könnte bei kühleren Bedingungen im Rennen am Sonntag überraschen.
4) Wacht Mercedes in der Nacht auf?
Mercedes steckt in einem Zwiespalt. Je mehr Gummi auf die Bahn kommt, umso schlechter für Lewis Hamilton und George Russell. Je kühler es ist, umso besser. Auf eine Runde lag Lewis Hamilton im Bereich der Ferrari. Doch die schnellsten Runden wurden noch in der Abenddämmerung gefahren. Je dunkler und kühler es wurde, umso mehr wachten die Mercedes auf. Der Longrun von Lewis Hamilton mit einer durchschnittlichen Zeit von 1.29,505 Minuten über sieben Runden lag auf McLaren-Niveau. Für ihn war es ein guter Start in sein letztes Mercedes-Wochenende. George Russell kämpft mit dem Auto noch mehr als sein Teamkollege.
Im Moment verlieren die Mercedes noch zwischen den Kurven 5 und 13 zu viel Zeit. Ausgerechnet in dem Abschnitt mit den beiden langen Geraden, aber auch den langsamen Kurven. Da verfolgt die Mercedes wieder das alte Problem. Wenn die Fahrer das Auto in engen Kurven mit dem Gaspedal drehen müssen, überhitzen die Hinterreifen. Die kühlen Temperaturen in der Nacht lindern das Problem etwas.

Nico Hülkenberg brillierte im zweiten Training von Abu Dhabi. Haas machte einen guten Eindruck.
5) Haas, Alpine oder Toro Rosso?
Wenn das Ergebnis des zweiten Trainings das Rennresultat wäre, dann hätte Haas den sechsten Platz in der Markenwertung mit Pauken und Trompeten zurückgewonnen. Nico Hülkenbergs dritter Platz hinter zwei McLaren zeigt, dass die US-Renner den Speed haben, um Alpine die Position wieder abzujagen. Hülkenberg hatte nach Rechnung der Gegner allerdings auch etwas weniger Sprit an Bord. Der achte Platz von Kevin Magnussen ist da schon realistischer. Damit lag der Däne immer noch vor beiden Alpine und beiden Toro Rosso.
Im Longrun ist das Bild weniger eindeutig. Von den Kandidaten für den sechsten Platz führt Liam Lawson die Reihenfolge mit einem Schnitt von 1.30,272 Minuten vor Pierre Gasly mit 1.30,319 Minuten und Kevin Magnussen mit 1.30,505 Minuten an. Hülkenbergs überragende Longrun-Bestzeit von 1.28,675 Minuten vergessen wir mal. Da waren weniger Sprit im Tank und Soft-Reifen am Auto. Trotzdem meinte Hülkenberg: "Das Auto fühlte sich von Anfang gut an. Diese Form müssen wir jetzt konservieren."
Auf eine Runde verloren die Toro-Rosso-Piloten zwei Zehntel auf Magnussen. Toro Rosso hatte zum Finale noch einmal eine neue Nase und einen modifizierten Frontflügel im Gepäck. Teamchef Laurent Meckies verrät jedoch: "Das war ein reines Testobjekt. Für den Rest des Wochenendes kommen wieder die alte Nase und der alte Flügel ans Auto."
Gaslys schnellste Runde war um drei Zehntel schlechter. Der Franzose klagte im zweiten Training über starkes Untersteuern. Neuling Jack Doohan verlor weitere vier Zehntel. Alpine hat sich mit der Neubesetzung des zweiten Autos mit Doohan keinen Gefallen getan. Beim Showdown um Platz sechs lastet auf den Schultern eines Debütanten noch mehr Druck. Da wäre Alpine mit dem Routinier Esteban Ocon besser besetzt gewesen. Manche glaube jetzt, dass man Doohan absichtlich in die Falle laufen lassen wollte, um sich am Ende doch noch Franco Colapinto von Williams zu holen. Flavio Briatore setzt darauf, dass mangels Interesse von Red Bull der Preis für den Argentinier doch noch sinkt.

Saubers nächstes Upgrade zeigt auch beim Saisonfinale seine Wirkung. Valtteri Bottas landete in den Top-Ten.
6) Kann Sauber den Aufwärtstrend fortsetzen?
Der Aufwärtstrend bei Sauber setzt sich fort. Valtteri Bottas beendete das zweite Training auf dem siebten Platz. Guanyu Zhou rangiert als Fünfzehnter an der Schwelle zwischen Q1 und Q2. Der neue Unterboden, der sich schon in Las Vegas und Katar bewährt hatte, bekam noch einmal eine kleine Retusche. Das Volumen des Diffusors wurde vergrößert, um auch in schnellen Kurven mehr Abtrieb zu generieren.
Valtteri Bottas reklamierte als Siebter, dass er im letzten Rennen der Saison die Null von seinem Punktekonto tilgen will. Der Finne bestätigte seine gute Form auch im Longrun. Mit einem Schnitt von 1.30,116 Minuten kann er den drei Teams, die noch um Rang sechs in der Markenwertung kämpfen, kräftig in die Suppe spucken. "Die Basis ist gut, und die Balance ist einem ordentlichen Fenster. Es zeigt sich aber schon jetzt, dass es in der Qualifikation ganz eng zugehen wird. Da müssen wir noch ein bisschen Rundenzeit finden."