Das Brasilien-Wochenende vor einer Woche war ein Kracher. Mit diversen Überholmanövern und Zweikämpfen im Sprint und im Hauptrennen. Beim Saisonfinale in Abu Dhabi ging es nicht ganz so spektakulär zur Sache. Der 22. Grand Prix des Jahres war mehr eine Taktikschlacht. Die Mehrzahl glaubte vor dem Start, dass zwei Reifenwechsel der schnellste Weg ins Ziel sein würden. Die Schnellsten entschieden sich während der 58 Rennrunden allerdings dazu, mit einem Halt durchzufahren.
Max Verstappen brillierte dabei einmal mehr. Der Weltmeister verteidigte seine Pole Position, kontrollierte seine Gegner und landete den 15. Saisonsieg. Damit meldeten sich Red Bull und sein Superstar nach einem verkorksten Rennen in Interlagos zurück. Verstappen ließ eine Saison, die in Summe 246 Tage dauerte, mit Stil ausklingen.
Ferrari fordert Red Bull
Der große Gegner an diesem Rennsonntag von Abu Dhabi hieß Ferrari. Die roten Autos machten über die Distanz eine gute Figur. Ganz offensichtlich hat der Rennstall aus Maranello seine Lektion beim Reifenmanagement gelernt. Trotz kleinerem Heckflügel hielt man die Pirellis ordentlich in Schuss.
Ferrari zwang Red Bull damit sogar in ein Einstopprennen. Das Weltmeister-Team schien die Taktik mit seiner Speerspitze umzusatteln. Sonst hätte Verstappen der Verlust des Sieges gedroht. Red Bull widersprach später: "Ein Stopp war von Anfang an der Plan." Die letzten Runden wurden für den Kommandostand in Rot zur Zitterpartie. Sergio Perez hatte es anders gemacht als sein Teamkollege und einen zweiten Satz der harten Garnitur für den Schlussspurt aufziehen lassen.
Der Mexikaner rückte seinem Rivalen um den zweiten WM-Rang in den letzten Umläufen immer näher. Allerdings kam er ihm nicht mehr nah genug. Zum Schluss fehlten 1,3 Sekunden. Perez wird mit den Überrundeten hadern. Leclerc rettete die zweite Position hinter Weltmeister Verstappen ins Ziel – und sicherte sich damit den zweiten Platz in der Fahrer-Weltmeisterschaft. Red Bull verfehlte sein Vorhaben, erstmals in seiner Geschichte die Saison mit einer Doppelspitze abzuschließen.

Mercedes schwächelt
Carlos Sainz im zweiten Ferrari taktierte wie Perez mit zwei Stopps. Das warf ihn zwischenzeitlich hinter Lewis Hamilton zurück. Der Spanier überflügelte seinen Vordermann vier Umläufe vor der Zielflagge. Danach wurde Hamilton in seinem Mercedes plötzlich langsam. Die Ingenieure vermuteten ein Problem mit der Hydraulik. Es passte zum Rennsonntag des Teams.
Mercedes war am Samstag nur die dritte Kraft im Feld und blieb es auch am Rennsonntag. Der Silberpfeil war auf ein reifenschonendes Setup ausgelegt, was sich allerdings nicht auszahlte. Speziell auf den Mediumreifen, die fast das gesamte Feld am Start drauf hatte, schwächelten die Mercedes. Hamilton legte sich in seinem 200. Rennen für das Team aus Brackley gleich in der ersten Runde mit Sainz an.
Der Spanier überraschte seinen Vordermann, der ihn auf den ersten Metern ausbeschleunigt hatte, mit einem späten Bremsmanöver vor Kurve sechs. Hamilton verteidigte den vierten Platz, indem er in die Auslaufzone auswich. So hatte er es im Vorjahr bereits gegen Verstappen getan. Ferrari beschwerte sich. Die Klagen zeigten Wirkung. Die Rennleitung forderte Mercedes auf, seinen Fahrer zurückzupfeifen. Hamilton verlangsamte, Sainz zog vorbei.

Ausfall für Hamilton
Im ersten Stint beklagte sich Hamilton über einen launischen Silberpfeil. Er hatte einen Schaden am Unterboden im Verdacht. Bei seinem Ausweichmanöver hatte ihn ein Randstein ausgehebelt. Die Landung war etwas unsanft. Erst auf den harten Reifen kam Mercedes dann doch wieder besser in Schwung. Da war der Zug an der Spitze allerdings bereits abgefahren.
George Russell hatte Pech beim ersten Boxenstopp. Erst dauerte der Reifentausch wegen eines klemmenden Rades über fünf Sekunden. Dann schickten ihn seine Mechaniker auch noch in die Fahrspur von Lando Norris. Die Sportkommissare vergaben für das unsichere Losfahren eine Zeitstrafe von fünf Sekunden. Für den Brasilien-Sieger endete das Rennen somit nur auf dem fünften Rang. Für Hamilton war vorher Schluss. Er humpelte mit Schaden zu seinen Mechanikern. Für ihn war 2022 die erste sieglose Saison in seiner ruhmreichen Formel-1-Laufbahn.
McLarens Saison fand ein versöhnliches Ende, auch wenn man Alpine den vierten Rang im Konstrukteurs-Pokal nicht mehr abjagen konnte. Lando Norris exerzierte ein Zweistopprennen, das ihm einen ungefährdeten sechsten Rang einbrachte. Der Engländer unterstrich seine Klasse in der Qualifikation und im Rennen. Für die nächste Saison hofft er auf einen schnelleren Rennwagen. Teamkollege Daniel Ricciardo beendete sein letztes Rennen in Orange auf dem neunten Platz.

Vettel-Strategie geht in Hose
Aston Martin legte sich von Anfang an auf ein Einstopprennen fest. Es zahlte sich für Sebastian Vettel nicht wie erhofft aus. Der Heppenheimer erwischte eine gute Startphase. Allerdings baute sich vor ihm Esteban Ocon im Alpine wie eine Wand auf. Trotz mehrerer Attacken fand Vettel keinen Weg am Franzosen vorbei. Als Ocon endlich an der Box war, fehlte auf den abgefahrenen Reifen die Pace.
Besonders gegen Ende seines langen Stints auf Mediumreifen verlor Vettel zu viel wertvolle Zeit. Er kroch um die Rennstrecke, während die Kollegen mit frischen Reifen Vollgas geben konnten. Der direkte Vergleich mit Ocon zeigt, dass zwei Boxenstopps in diesem Fall besser gewesen wären. Der Alpine-Fahrer sah die Zielflagge als Siebter, während Vettel in seinem letzten Formel-1-Rennen Zehnter wurde.
Vettel klagte noch während des Rennens: "Wie konnten wir so falsch mit der Strategie liegen?" So hatte er sich seinen Ausstand nicht vorgestellt. Unterm Strich war es ein sehr emotionales Rennwochenende für ihn. Die Königsklasse wird den vierfachen Weltmeister vermissen.
Sein Teamkollege zog mit zwei Stopps die bessere Wahl. Lance Stroll belegte die achte Stelle. Aston Martin wird den Tag dennoch verfluchen. Man hatte die Möglichkeiten, Alfa Romeo noch vom sechsten WM-Platz zu stoßen. Das Team aus Silverstone nutzte sie nicht. Zwar haben beide Teams am Ende je 55 Zähler. Doch Alfa hat das bessere Einzelergebnis vorzuweisen.
Mick Schumacher fiel in seinem finalen Formel-1-Rennen lange nicht auf. Kurz vor Schluss war er dann doch mal im TV-Bild zu sehen. Ihm missglückte ein Angriff gegen Nicholas Latifi im Williams. Die Sportkommissare straften ihn dafür mit fünf Sekunden ab. Haas verteidigte immerhin den achten Platz in der Team-WM gegen Alpha Tauri.