Die Formel 1 erlebt gerade einen Hype, wie es ihn seit der Gründung 1950 wohl noch nie gab. Besonders der US-Markt boomt. 2023 fährt die Königsklasse des Motorsports drei Rennen in den USA: in Austin, Miami und in der Zockermetropole Las Vegas. Dank Netflix (Drive to survive) hat vor allem ein junges US-Publikum die Formel 1 und ihre zahlreichen Charakterköpfe für sich entdeckt.
Auf diesen Zug wollen auch US-Automobilhersteller aufspringen. Ford könnte sich Gerüchten zufolge 2026 mit Red Bull verbünden. General Motors ist da schon einen Schritt weiter. Zumindest was die öffentlichen Ankündigungen angeht. Der Konzern mit Hauptsitz in Detroit hat sich dazu entschlossen, in die Formel 1 einzusteigen. Dafür würde man die Edelmarke Cadillac ins Rennen schicken und mit Andretti zusammenarbeiten. Das gab der US-Hersteller am Donnerstag (5.1.) bekannt.
Schon im Herbst 2022 wurden die ersten intensiveren Gespräche geführt, im Dezember wurde das neue Projekt dann offenbar in der GM-Kommandozentrale abgesegnet. Die wachsende Popularität der Rennserie in den USA und weltweit, die Budgetdeckelung mit planbaren Ausgaben pro Saison und das neue Formel-1-Motorenreglement ab 2026 macht einen Einstieg attraktiv. Der Elektroanteil an der Gesamtleistung soll auf rund 50 Prozent hochgeschraubt werden. Das in Kombination mit CO2-neutralem Benzin sorgt für nachhaltigeren Rennsport, den Hersteller besser verkaufen können. GM will seine Fahrzeugflotte bis 2035 auf Elektroautos umstellen.

Andretti mit Cadillac
Einen eigenen Motor würde man allerdings nicht bauen, sondern die Power Unit bei einem anderen Hersteller/Lieferanten einkaufen. Dazu soll es bereits eine vorläufige Vereinbarung geben. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um Renault handelt. Ein Einsatzteam hat Cadillac bereits gefunden. Man verbündet sich mit einem großen Namen im US-Rennsport. Cadillac und Andretti wollen eine Kooperation eingehen, und haben ihre Absicht erklärt, gemeinsam einzusteigen, sollte ihnen die Formel 1 die Freigabe dazu erteilen.
"Wir danken Mohammed Ben Sulayem, einen Prozess der Interessensbekundung angestoßen zu haben. Wir wollen heute offiziell unsere Absicht für einem F1-Einstieg bestätigen", verkündeten Michael Andretti und GM-Präsident Mark Reuss gemeinsam. Der FIA-Präsident hatte vor Tagen die Tür für interessierte neue Teams geöffnet.
Für Andretti ist die gemeinsame Bekanntgabe ein großer Schritt in Richtung des Traums, in die Formel 1 aufzusteigen. Als Privatteam wurde Andretti vom Formel-1-Management und von der Mehrzahl der anderen Teams bisher stets abgeblockt. Mit einem Hersteller als Zugpferd könnten sich die Vorraussetzungen ändern. Das hat eine andere Außenwirkung – und dürfte auf den Wert der Formel 1 einzahlen.
Es ist jedoch noch längst nicht sicher, dass auch alle beteiligten Parteien zustimmen und ob Cadillac-Andretti tatsächlich eintreten darf. Sie müssen erstmal durch einen offiziellen Bewerberprozess. Mit der frühzeitigen Verkündung scheint man das Formel-1-Management von Rechteinhaber Liberty Media etwas überrumpelt zu haben.
Andretti lehnt sich aus dem Fenster: "FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem hat uns seine Unterstützung zugesichert. Ich bin optimistisch, dass es klappt. Immerhin ist die Formel 1 noch eine FIA-Rennserie. Aus unserer Sicht erfüllen wir alle Voraussetzungen. Mit GM haben wir einen der größten Automobilhersteller der Welt und jede Menge Unterstützer mit im Boot", sagt Michael Andretti.
Sollte das Team ausgewählt werden, wolle es so bald wie möglich mit mindestens einem amerikanischen Fahrer in der Formel 1 antreten. Dabei fällt immer wieder der Name Colton Herta. Der Kalifornier, nachdem auch Alpha Tauri die Fühler ausgestreckt hatte, ist für Andretti aktuell in der IndyCar-Serie aktiv. Ein Zeitplan für den Einstieg ist noch nicht bekannt. Logisch wäre die Saison 2026 mit dem neuen Motorenreglement. "Wir müssen jetzt erstmals abwarten, wie lange der Zulassungsprozess dauert", so Andretti.
US-Dream-Team für Formel 1?
Mit dem Rückhalt von GM/Cadillac ist immerhin sichergestellt, dass das Projekt auf sicheren Beinen steht: sowohl finanziell als auch personell und technisch. Eine langfristige Zukunft wäre damit gesichert. General Motors würde seine Motorsport-Offensive mit dem Formel-1-Projekt krönen. In der US-amerikanischen IMSA-Serie ist Cadillac mit einem Prototyp (GTP-/LMDh-Klasse) unterwegs. Damit will man auch bei den diesjährigen 24 Stunden von Le Mans aufkreuzen. Parallel dazu bestreitet Cadillac mit einem Auto auch noch die komplette Saison in der Sportwagen-Weltmeisterschaft WEC.
Mit Tochter Chevrolet ist GM einer von zwei Motorenherstellern in der IndyCar-Serie. Der neue F1-Partner Andretti fährt dort allerdings mit Honda-Motoren. Auch im GT-Rennsport ist GM vertreten: Chevrolet baut gerade einen neuen GT3-Rennwagen auf Basis des Mittelmotor-Sportwagens Corvette C8 auf. Zudem spielt der Chevrolet Camaro in der NASCAR mit.

Andretti hat bereits angefangen, Ingenieure aus der Formel 1 anzuwerben. Einen technischen Direktor hat man ebenfalls bereits angeheuert. Den Namen will man zu einem späteren Zeitpunkt verraten. Das US-Team ist im Motorsport weit verzweigt. Neben der IndyCar ist Andretti in der Formel E (mit Porsche Powertrain), Extreme E, der IMSA und bei den australischen Supercars vertreten.
GM bestätigte, dass der Austausch mit Andretti bereits seit fünf Monaten läuft: "Wir waren immer schon interessiert an der Formel 1. Aber die Rahmenbedingungen haben nie richtig gepasst, damit wir als Marke tatsächlich einsteigen. Jetzt kam Michael Andretti auf uns zu. Die Gespräche liefen so gut, dass wir den Schritt nun gemeinsam gehen wollen", sagt Reuss.
Die Motorsport-Basis des neuen Andretti-Teams würde man in der Heimat USA aufbauen. Für das Einsatzteam soll es aber eine Satelliten-Basis in England geben – so wie es auch Haas macht. Von dort aus sollen auch noch weitere Motorsport-Programme von Andretti in Europa operieren.
Die neue Motorenformel ab 2026 zieht bereits Audi in die Champions League des Motorsports. Der deutsche Premiumhersteller hat seinen Platz im Feld im Gegensatz zum US-Duo bereits sicher. Neben Cadillac-Andretti wird auch Ford und Hyundai ein Interesse an einem Einstieg nachgesagt. Beide geben sich deutlich zurückhaltender. Dem F1-Management gefällt es besser, wenn Interessierte die Fäden leise im Hintergrund ziehen. Honda hat sich pro forma eingeschrieben, um bei den weiteren Verhandlungen zum Antrieb der Zukunft am Tisch zu sitzen.