In der Formel 1 versuchen die Ingenieure stets, ihre besten Ideen so lange wie möglich geheim zu halten. So führen die Techniker vor der Saison regelmäßig Kämpfe gegen die Marketing-Abteilung. Sponsoren bekommen natürlich deutlich mehr Aufmerksamkeit, wenn man ihre Logos bei der Saisoneröffnung auf dem neuen Auto zeigt, und nicht nur ein aufgepepptes Auslaufmodell vor die Kameras rollt.
Während Red Bull immer lange ein Geheimnis um den Neuwagen macht, zeigt Ferrari die echte neue Rote Göttin traditionell schon eine Woche vor den offiziellen Testfahrten. Das war auch in diesem Jahr so. Im Zuge der großen Enthüllungsparty drehte der SF-23 sogar direkt schon ein paar Proberunden auf der hauseigenen Teststrecke in Fiorano.
Dabei achteten die Ferrari-Mitarbeiter aber stets darauf, nicht zu viel zu verraten. Die nervösen Ingenieure bestanden darauf, dass die Unterboden-Kante und der Eingang in die Luftkanäle immer abgedeckt sein mussten, wenn das Auto in der Garage stand. Von der Seite kam man gar nicht an den Neuwagen heran, um mögliche Details zu fotografieren.

Ferrari-Lufthutzen im Schatten
Auf den Studiobildern gab es das Auto im Gegensatz zu früheren Jahren dieses Mal gar nicht von hinten zu sehen. Außerdem versuchte Ferrari, so geschickt mit Licht und Schatten zu spielen, dass die sensibelsten Bereiche im Dunkeln verschwanden. Doch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen gelang es nicht ganz, alle interessanten Details zu verstecken.
Schob man den Helligkeitsregler im Bildbearbeitungsprogramm nach oben, sah man plötzlich Dinge, die vorher im Verborgenen waren. So machte Photoshop zum Beispiel eine vertikale Hutze direkt am Cockpitrand vor den Seitenkästen sichtbar. Separate Öffnungen sind in diesem Bereich nichts Ungewöhnliches. Hier zapfen die Techniker gerne Luft zum Kühlen von Elektronik-Komponenten oder der Batterie ab.
Im Fall der Ferrari-Hutzen könnte es sich aber auch um einen neuen Trick handeln. Fotos der Motorhaube, die von schräg hinten aufgenommen wurden, zeigen einen neuen Luftauslass seitlich hinter dem Cockpit. Der erste Verdacht war, dass hier heiße Luft von den Kühlern nach außen geleitet wird. Es gibt aber auch noch eine andere Theorie: Bei einem neuen Eingang vorne und einem neuen Ausgang hinten, liegt der Verdacht nahe, dass beides mit einem Kanal verbunden ist.

Revival der S-Schacht-Idee?
Einen ähnlichen Trick hatten die Formel-1-Aerodynamiker jahrelang vorne an der Front gezeigt. Der S-Schacht führte Luft von unten nach oben durch der Nase. Damit wurde die verwirbelte Strömung an der Unterseite des Autos quasi weggesaugt. Auf der Oberseite wurde die Luft so gezielt über den Vorderbau ausgeblasen, dass sie eng an der Verkleidung anlag.
Der S-Schacht ist mittlerweile Geschichte. Auf der Ober- und der Unterseite der Nase sind seit 2022 gar keine Löcher mehr erlaubt. Öffnungen in der Carbon-Struktur dürfen nur noch vorne an der Nasenspitze eingebaut werden. Viele Teams leiten hier Luft ein und führen sie zum Cockpit, um dem Fahrer bei Hitzerennen etwas Kühlung zu verschaffen.
Die Erkenntnisse aus dem S-Schacht-Trick sind aber nicht vergessen. Gut möglich, dass Ferrari die Idee weiter hinten am Auto noch einmal aufleben lässt. Weniger Luftwirbel und eine eng an der Verkleidung anliegende Strömung kann man schließlich immer gebrauchen.

Warten auf nackten Ferrari
Für diese Theorie spricht auch, dass die beiden Eingangshutzen für die Kühlung der Elektronik eigentlich etwas überdimensioniert erscheinen. Außerdem zeigte Ferrari in der Vorsaison keine Überhitzungserscheinungen, die eine größer dimensionierte Kühlung erforderlich machen.
Die Antwort werden wir wohl erst in ein paar Wochen bekommen, wenn wir das Auto bei den Testfahrten oder dem ersten Grand Prix in Bahrain ohne Verkleidung in der Garage ablichten können. Dann dürfte es mit dem Versteckspiel bei Ferrari endgültig vorbei sein.