Sie waren eine der größten Spielwiesen für die Ingenieure. Sie sind ein extrem kompliziertes Geflecht aus Flügeln, Generatoren, Finnen, Slots und Zähnen, die jedoch bald der Vergangenheit angehören. Ab der kommenden Saison werden Bargeboards in der Formel 1 ausrangiert. Die Regelhüter nehmen den Ingenieuren damit eines ihrer wichtigsten Werkzeuge weg. In der Hoffnung, den Strömungsverlauf insofern zu vereinfachen, dass Hinterherfahren und damit Überholen einfacher wird.
Die Ingenieure müssen umdenken. McLaren-Technikchef James Key führt aus: "Mit dem 2022er Auto fallen Werkzeuge wie der Y250-Wirbel am Frontflügel, Deflektoren und Bargeboards weg. Das erschwert die Konditionierung des Luftstroms am vorderen Teil des Autos. Es wird schwieriger, die Luft in die gewünschten Bahnen zu lenken."

Erste Bargeboards bei McLaren 1993
Der Y250-Wirbel entsteht am Übergang zwischen genormten Teil des Frontflügels (je 25 Zentimeter um die Mittelachse) und frei gestaltbarer Fläche. Eigentlich ist er schädlich, doch die Teams haben sich ihn zunutze gemacht, um den Luftstrom um das Auto herum zu verbessern, und mehr Anpressdruck zu gewinnen. Die feuchte Luft beim Rennwochenende in der Türkei offenbarte, was ansonsten verborgen bleibt. Wie auf der Innenseite des Frontflügels die Strömung verwirbelt und von den Leitblechen abgefangen und dirigiert wird. Die neuen Autos mit ihren Frontflügeln, die aus der Nase wachsen, lassen den Y250-Wirbel wegfallen.
Die Bargeboards sind dann ebenfalls Geschichte. Ihr Einzug in die Formel 1 begann 1993 mit dem McLaren MP4/8. Es dauerte nicht lange, bis die Konkurrenz das Brett zwischen Vorderachse und Seitenkasten kopiert hatte. Es half, die von vorne kommende Luft von Flügel und Reifen abzufangen und in die gewünschte Richtung nach hinten zu lenken.
Bis 2009 nahm die Komplexität ständig zu. Wenn auch weit weniger ausgeprägt als heutzutage. Dann schoben die Regelhüter einen Riegel vor. Das 2009er Regelwerk vereinfachte die Autos und schaffte größtenteils Anbauteile am Chassis ab. So schrumpften die Bargeboards, ehe sie acht Jahre später eine Renaissance feierten. 2017 wurden die Autos breiter und der Entwicklungsspielraum bei den Bargeboards freizügiger.

Das Spiel mit der Luft
Zunächst war eine Höhe von bis zu 475 Millimeter erlaubt. Zwei Jahre später schrumpften die Bargeboards um 12,5 Zentimeter auf 350 Millimeter. Die Teams wollten damit die Sichtbarkeit und die Lesbarkeit von Sponsorenlogos auf der Seite des Chassis verbessern. Weil der Frontflügel von 1,8 auf 2 Meter in der Breite wuchs, gleichzeitig aber vereinfacht wurde, nahm die Bedeutung der Leitbleche weiter zu.
Deshalb entwickelten die Teams immer neue Formen. Immer genauere CFD-Modelle ermöglichen immer mehr Details. Inzwischen sind die Bargeboards hochkomplexe Kunstwerke mit verschiedenen Ebenen und Elementen. Sie beeinflussen die gesamte Luftströmungsstruktur über die Ober- und Unterseite des Autos. Die zahlreichen Generatoren und Lamellen spielen mit der Luft, beschleunigen und lenken sie gezielt auf die Außenseite. Wer hier patzt, bezahlt es mit Abtriebsverlust.
In unserer Fotoshow reisen wir zurück in die Vergangenheit und zeigen Ihnen das erste klassische Bargeboard. Dazu bestücken wir die Galerie mit Beispielen aus den 1990er Jahren von Benetton, McLaren und Williams. Auf einem Bargeboard findet sich sogar das Logo von "auto motor und sport". Zudem betrachten wir die Entwicklung der Leitbleche bei Red Bull seit dem Einstieg 2005 genauer. Und haben Ferrari als Vergleichsbeispiel aufgenommen.