Den Namen Coanda kennt inzwischen jeder, der mit der Formel 1 zu tun hat. Es geht um den Auspuff, der in einem Schacht in den Seitenkästen mündet. Das Endrohr bläst dabei auf eine Fläche, die nach innen gebogen ist. Sie leitet die Auspuffgase aus dem um zehn Grad nach oben angewinkelten Endrohren nach unten um.
McLaren war das erste Team, das einen Coanda-Auspuff gezeigt hat. Sauber folgte drei Tage später bei den Testfahrten in Jerez. Red Bull zog beim Abschlusstest in Barcelona nach. Das war das Startzeichen für alle, sich mit dem Coanda-Auspuff zu beschäftigen. Schritt für Schritt rüsteten fast alle Teams um.
Force India folgte beim GP Spanien. Ferrari und Toro Rosso beim GP Kanada, Caterham und Marussia in Silverstone. Mercedes ließ sich bis zum GP Singapur, Lotus gar bis zum GP Korea Zeit. Nur HRT und Williams blasen die Auspuffgase noch nach innen. Williams hat zwar mehrfach eine Coanda-Lösung probiert, kommt aber auf keinen grünen Zweig damit.
Mercedes und Lotus mit Problemen nach Coanda-Umbau
Auch Mercedes und Lotus haben ihre Anlaufschwierigkeiten mit dem Coanda-Auspuff, der die Ersatzfunktion des angeblasenen Diffusors ist. Er soll die Auspuffgase auf die Spalte zwischen Hinterrädern und Bodenplatte transportieren, um den Diffusor gegen seitliche Einströmung abzudichten. Das bringt mehr Anpressdruck.
Beim angeblasenen Diffusor, der im Vorjahr noch erlaubt war, mündete der Auspuff direkt am Bestimmungsort. In der Bodenplatte, schräg vor den Hinterrädern. Da war es einfach den Diffusor seitlich abzudichten. Red Bull hatte den angeblasenen Diffusor 2011 zur Perfektion gebracht. Er brachte im Vergleich zu einer konventionellen Lösung bis zu drei Sekunden pro Runde. Deshalb wurden die Titelverteidiger auch am meisten gestraft, als die FIA die Position der Endrohre neu definierte.
Die Endrohre müssen seit diesem Jahr in mindestens 25 Zentimeter Höhe münden, 50 Zentimeter vor der Hinterachse und 50 Zentimeter außerhalb der Mittellinie das Auto. Je weiter weg, um so schwieriger ist es, die Spalte zwischen Hinterrad und Bodenplatte genau zu treffen.
Coanda-Auspuff mit begrenzter Wirkung
Die Entfernung führt zu Streuverlusten, und der Auspuffstrahl verliert an Energie, bis er dort ankommt, wo er ankommen soll. "Ich schätze den aerodynamischen Effekt des Coanda-Auspuffs auf 25 Prozent des angeblasenen Diffusors", verrät McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh.
Bis man einmal dort angelangt ist, gibt es da aber noch ein paar Probleme zu lösen, die man bei einem konventionellen Auspuffsystem nicht hat. Die Aerodynamiker müssen erst einmal sechs Zehntel finden, um die Nebenwirkungen auf der Motorenseite zu kompensieren.
Die Ersatzlösung für den angeblasenen Diffusor ist ein Langzeitprojekt, das nicht sofort funktioniert. Mercedes und Lotus knabbern an einem Entwicklungsrückstand von einem halben Jahr. Der letzte Teil der Entwicklung kann nämlich nur auf der Rennstrecke stattfinden, da es sehr schwierig ist, die Effekte im Windkanal exakt zu simulieren.
Coanda-Auspuff kostet bis zu 20 PS
Der Coanda-Auspuff verlangt dünnere Auspuffendrohre. Das erhöht die Zielgenauigkeit und die Geschwindigkeit der Gase. "Nehmen Sie einen Gartenschlauch und drücken ihn zusammen. Da ist sofort mehr Druck dahinter", erklärt Mercedes-Motorenchef Andy Cowell. Der kleinere Durchmesser der Endrohre kostet bis zu 20 PS, weil weniger Luft durch den Auspuff abgeführt werden kann. Dabei kommt es zu einem Rückstau.
Die Gase sollten auch möglichst heiß sein. Das erhöht die Energie des Auspuffstrahls. Die Aerodynamiker freuen sich darüber, die Motorentechniker nicht unbedingt. Dazu Cowell: "Um die Auspuffgase aufzuheizen, fetten wir das Gemisch an und verlegen den Zündzeitpunkt nach hinten. Damit steigt die Energie am Ende der Verbrennung, wenn die Auslassventile schon offen sind."
Das heißt aber auch, dass beim Start mehr Kraftstoff in den Tank gefüllt werden muss. Rund drei Prozent. Das Auto mit Coanda verliert also in der Anfangsphase Rundenzeit gegenüber einem Auto ohne Coanda. Außer die Aerodynamiker sind in der Lage, das durch mehr Anpressdruck zu kompensieren.
Heiße Gase nah am Reifen
Je heißer die Auspuffgase, umso größer die Gefahr, dass sich die Hinterreifen aufheizen. Beim Austrittswinkel der Endrohre geht es um Millimeter. Beim Red Bull zum Beispiel blasen die Auspuffgase kerzengerade aus den Seitenkästen. Beim Mercedes immer noch leicht schräg.
Das liegt daran, dass es gar nicht so einfach ist, die Endrohre dorthin zu verlegen, wo man sie haben will. Um die Motorcharakteristik nicht zu beeinträchtigen, braucht der Auspuff eine bestimmte Länge. Im Heck eines Formel 1-Autos ist unter der Verkleidung kaum Platz. Red Bull behilft sich deshalb mit einem Resonator. Das ist ein Abzweig im Auspuffsystem, der die fehlende Länge ausgleicht.
Ein Team wie Mercedes, das ohnehin mit Reifenproblemen kämpft, leidet besonders unter den erhöhten Temperaturen im Bereich der Hinterräder. In Indien trug der Coanda-Auspuff mit dazu bei, dass die Hinterreifen überhitzten.
Coanda-Auspuff führt zu kürzeren Gängen
Der neue Auspufftrend hat auch Auswirkungen auf die Getriebeübersetzung. Sie tendiert eher Richtung kurzer siebter Gang. Dann bewegt man sich in den unteren Gängen öfter im Vollastbereich. Das wiederum sorgt für maximalen Gasfluss durch die Endrohre.
Lotus hat es beim GP Indien mit der Übersetzung übertrieben. Der siebte Gang war so kurz, dass Kimi Räikkönen und Romain Grosjean auf der Geraden nicht einmal mit Hilfe von DRS überholen konnte. Gut für eine Runde allein auf der Strecke, schlecht im Zweikampf. In Abu Dhabi ging man wieder ein Schritt zurück.
Trotzdem ist das Resultat unübersehbar. Lotus zählte früher zu den schnellsten Autos auf der Geraden. "Jetzt gehören wir eher zu den langsameren", klagt Kimi Räikkönen. "Auch wir sind da abgerutscht", gibt Mercedes-Sportchef Norbert Haug zu. Die Silberpfeile sind in der Top-Speed-Tabelle nach hinten gefallen.
Es war kein Zufall, dass Williams in Abu Dhabi die Rangliste angeführt hat. Das Auto ist noch mit einem konventionellen Auspuff bestückt. Die angepassten Motorkennfelder haben dem Mercedes weitere gute Eigenschaften geraubt. "Seit wir den Coanda-Auspuff fahren, sind unsere Starts schlechter geworden." Das ist aber normal. Red Bull ist auch durch diese Phase gegangen. Allerdings schon zu Saisonbeginn.
In unserer Bildergalerie zeigen wir den aktuellen Stand der Auspuff-Entwicklung und haben die verschiedenen Endrohr-Varianten aller zwölf Teams im Vergleich.