"Der Knoten ist geplatzt" lautet eine der beliebtesten Floskeln im Sport. Vor allem im Fußball wird sie häufig verwendet. Aber auch in der Formel 1 kann sie den Nagel auf den Kopf treffen. Wie im Falle von Aston Martin. Das ambitionierte Team aus Silverstone war zuletzt in einen Abwärtsstrudel geraten. Zwischen Monaco und Österreich punktete Aston Martin nur in Kanada. Dort profitierten Fernando Alonso und Lance Stroll vom Wetter-Chaos. Zudem kam dem AMR24 das Layout mit den langsamen Kurven, sowie den niedrigen Temperaturen entgegen.
In den ersten sieben Rennen des Jahres sammelte Aston Martin bei jedem Grand Prix Punkte. Verglichen mit dem Vorjahr, als Fernando Alonso bis zur Saisonmitte Podest an Podest reihte, verläuft die Saison jedoch deutlich unspektakulärer. Die Truppe von Besitzer Lawrence Stroll schwebt im luftleeren Raum. Sie hat sich in der Konstrukteurs-Wertung auf Platz fünf eingenistet.

In England punktete Aston Martin zum ersten Mal seit dem GP Kanada.
Upgrades schlagen fehl
Daran änderte sich trotz vieler Upgrades nichts. Im Gegenteil: Der Druck der Teams dahinter nahm zu. Toro Rosso und Haas forderten Aston Martin zunehmend heraus. Auch Alpine konnte auf einzelnen Strecken die Grünen aus eigener Kraft schlagen. In Suzuka gab es im April den ersten Teil eines größeren Pakets. Aston Martin warf einen neuen Unterboden, Seitenkasten und Beam Wing an das Auto. Die Performance des Rennwagens verbesserte sich jedoch nur unwesentlich. Das nächste Paket brachte Aston Martin im Mai in Imola. Und auch das funktionierte nur bedingt. Nachdem Fernando Alonso sein Auto im dritten Training in die Bande feuerte und den Ingenieuren bewusst wurde, dass keine deutliche Verbesserung festzustellen war, soll Lawrence Stroll ordentlich Frust geschoben haben.
Der Kanadier hatte sich für 2024 deutlich mehr versprochen. Letztes Jahr kämpfte man noch um Podien, diese Saison sind Top-Ten-Platzierungen bisher das höchste der Gefühle. Teamchef Mike Krack gab die Probleme unumwunden zu: "Wir waren nie in der Lage Punkte zu sammeln, weder im Sprint noch im Rennen. Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein und uns eingestehen, dass wir keinen guten Job gemacht haben, das Auto weiterzuentwickeln. Die Upgrades haben nicht das geliefert, was wir uns erhofft haben, speziell nach Imola."
Sein Pilot Lance Stroll bestätigte in Silverstone die Aussagen Kracks. "Wir haben in den letzten zwölf Monaten viel entwickelt und viele Aerodynamik-Tests gemacht." Der Sohn des Teambesitzers hielt fest: "Von jedem Upgrade haben wir auf der Strecke nicht das Ergebnis gesehen, das wir uns erhofft hatten." Doch Stroll versprühte in Silverstone Hoffnung, dass Aston Martin nun den Stein der Weisen gefunden habe. "Wir haben in dieser Zeit viel gelernt. Jetzt geht es darum, die Probleme zu beheben und es auf der Strecke umzusetzen."
Teamkollege Fernando Alonso ergänzte: "Eine Zeitlang haben wir viel herumexperimentiert, um nach dem Fehler zu suchen, dabei aber keine klare Linie gefunden. Seit dem Rennen in Österreich ist das Bild schärfer. Wir wissen, was schiefgelaufen ist und werden die Probleme Schritt für Schritt abstellen." Gerade in langgezogenen und mittelschnellen Kurven litt der AMR24 in der ersten Saisonhälfte.

Aston Martin brachte einen neuen Frontflügel nach Silverstone, der sich bewährte.
Neuer Frontflügel und alter Unterboden
Der beim Heimspiel in England begonnene Aufwärtstrend mit den Plätzen sieben und acht für Stroll und Alonso soll sich nun fortsetzen. In Silverstone schraubte Aston Martin einen neuen Frontflügel an das Auto, der gut funktionierte. Er biegt sich ab einer bestimmten Last nach hinten und verschiebt so die aerodynamische Balance in schnellen Kurven Richtung Hinterachse. Das verbessert die Balance zwischen schnellen und langsamen Kurven. Die anderen Top-Teams Red Bull, McLaren, Ferrari und Mercedes haben solche Biege-Flügel schon länger an ihrem Rennwagen.
Aston Martin griff in Silverstone außerdem auf eine alte Unterboden-Spezifikation zurück. Das Team geriet in den Rennen zuvor in die Bouncing-Falle. Ein Phänomen, das auch Ferrari und Toro Rosso zuletzt heimsuchte. Wie Aston Martin rüsteten beide Teams ebenfalls zurück. Mit dem alten Unterboden und dem neuen Frontflügel zeigten die Fahrer in Silverstone eine stärkere Performance. Trotz der Probleme bei der Entwicklung schlägt das Team weiter ein hohes Tempo an: Vor der Sommerpause sind noch für Budapest und Spa neue Teile eingeplant.

Kommt Adrian Newey zu Aston Martin? Der Engländer verlässt Red Bull mit Ende des ersten Quartals 2025.
Neuer Technik-Chef und Newey im Anflug?
Hoffnung auf Besserung macht den Verantwortlichen auch die Verpflichtung von Enrico Cardile. Aston Martin gelang es, den Technik-Chef von Ferrari loszueisen. Der Ingenieur soll in der Winterpause mit der Arbeit in Silverstone beginnen. Offiziell fungiert der Italiener bei seinem neuen Arbeitgeber als "Chief Technical Officer". Auf dem Posten des Technik-Chefs hatte das Team eigentlich keinen Bedarf. Seit 2023 bekleidet das Amt Dan Fallows, den man von Red Bull aus Milton Keynes nach Silverstone lotste.
Das hält den erfolgshungrigen Lawrence Stroll dennoch nicht davon ab, weiter an Adrian Newey zu baggern. Der Star-Designer verlässt Red Bull zum Ende des ersten Quartals 2025. Fast das ganze Paddock buhlt um das Superhirn. Kürzlich sickerte durch, dass Stroll am 3. Juni dieses Jahres Adrian Newey in der neuen Fabrik in Silverstone empfangen hatte. Der Milliardär will Newey unbedingt an Bord holen. Falls die Verpflichtung gelingt, bleibt nur eine Frage offen: Verderben zu viele Köche nicht den Brei?