Analyse F1-Test Bahrain: Ferrari aktuell vorne

Probleme bei Red Bull & Mercedes
Ferrari aktuell weit voraus

Es waren fünf Minuten in der letzten Stunde des zweiten Testtages, die mehr sagten als die ganzen fünf Tage davor. Max Verstappen und Lewis Hamilton lieferten sich fast zeitgleich ein Duell um die schnellste Runde. Natürlich war sowohl im Red Bull als auch im Mercedes noch genügend Sprit im Tank und damit in der Rundenzeit noch Luft nach unten. Doch das traf auch auf Carlos Sainz zu. Und der fuhr seine beste Runde bei höheren Außentemperaturen früher am Tag.

Verstappen war am Ende 0,130 Sekunden schneller als sein WM-Gegner aus dem letzten Jahr. Aber auf Sainz fehlte ihm fast eine halbe Sekunde. Und der Spanier drehte seine Runde mit mehr Leichtigkeit. Verstappen und Hamilton waren sichtbar am Limit und kämpften damit, ihre Autos auf Spur zu halten. Dagegen fuhr der Ferrari wie auf Schienen.

George Russell - Mercedes - Formel 1 - Test - Bahrain - 11. März 2022
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Auf Ferrari fehlt eine halbe Sekunde

Die WM-Favoriten und ihr roter Herausforderer waren auf den weichen Reifen unterwegs. Hamilton nahm sich sogar Pirellis C5-Mischung, die aber in Bahrain kein Vorteil gegenüber dem C4-Gummi ist. Die Sektorzeiten zeigten es. Im ersten Sektor herrschte mit 29,850 Sekunden Gleichstand. Die Zeit, die Hamilton im Mittelsektor auf Verstappen gutmachte, büßte er im Schlussabschnitt wieder ein. Weil der C5-Reifen schon in der roten Zone war.

Viel aufschlussreicher als die bloße Rundenzeit war ein Blick auf die Gesichter in den Garagen kurz nachdem die beiden Fahrer die Ziellinie überquert hatten. Entspanntheit sieht anders aus. Ein Mercedes-Mann brachte es auf den Punkt: "Red Bull und wir sitzen im gleichen Boot, und das rudert im Moment noch nicht in Normalform. Wenn am Sonntag ein Rennen wäre, würde Ferrari mit deutlichem Abstand gewinnen." Fast genauso alarmierend: "Das große Verfolgerfeld sitzt uns direkt im Nacken."

Carlos Sainz - Ferrari -Formel 1 - Test - Bahrain - 11. März 2022
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Red Bull sucht Balance für alle Kurven

Die Experten sind sich einig: "Ferrari steht zur Zeit am besten da. Die sind unter allen Bedingungen schnell. Und sie spulen die meisten Kilometer ab." Red Bull und Mercedes arbeiten an unterschiedlichen Problemzonen. Man wird sie erst einschätzen können, wenn die aus der Welt geschafft sind. Das kann dauern.

Das Potenzial der beiden Autos deutet sich in der GPS-Analyse aber jetzt schon an. Mercedes ist extrem schnell in langsamen Kurven, verliert aber in den schnellen Passagen Zeit. Bei Red Bull ist es genau umgekehrt. Der RB18 untersteuert in langsamen Kurven. Und er ist noch deutlich zu schwer.

Technikchef Adrian Newey räumt ein: "Wir bewegen uns in unbekanntem Terrain. Diese Autos sind so neu, dass wir sie erst verstehen müssen." Deshalb verbrachten die Ingenieure und Fahrer die ersten beiden Testtage hauptsächlich damit, unterschiedliche Abstimmungen und Aerodynamik-Konfigurationen auszuprobieren, um auf diesem Weg die Datenbank zu füllen.

Sportchef Helmut Marko setzt seine Hoffnung auf das Aerodynamikpaket, das am letzten Testtag eintraf. Es umfasste vor allem neue Seitenkästen und einen neuen Unterboden. "Das sollte das Untersteuern wegbringen." Und zum Übergewicht: "Wir specken Schritt für Schritt ab."

Toto Wolff - Mercedes - F1-Test Bahrain - Tag 1 - 10. März 2022
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Mercedes im Bouncing-Irrgarten

Mercedes dagegen verzweifelt an dem Schaukelproblem auf den Geraden. Toto Wolff stöhnte: "Wir sind mit der Bodenfreiheit rauf und runter, aber das Auto springt wie ein Geißbock." In den schnellen Passagen mussten die Fahrer teilweise sogar vom Gas.

Auf der Suche nach einer Lösung kam Mercedes kaum dazu, seinen runderneuerten W13 einem normalen Testprogramm zu unterziehen. Damit lässt sich auch keine Aussage über die Qualitäten des Silberpfeils treffen, der optisch für so viel Aufregung sorgt.

Die Ingenieure reden Klartext: "Das Bouncing-Problem hat das ganze Feld befallen, die einen mehr, die anderen weniger. Der Schlüssel in der Woche bis zum Grand Prix wird darin liegen, wie gut die Teams das Problem lösen. Wir sprechen von lindern, nicht beheben. Unserer Meinung nach kann es bis zum Sommer dauern, bis alle einen Weg gefunden haben. Selbst wenn wir für Bahrain einen finden, muss das nicht heißen, dass es auf der nächsten Strecke auch wieder so funktioniert."

Das Phänomen ist komplexer als gedacht. Weil es nur in der Realität auftritt und im Windkanal nicht reproduziert werden kann. Also braucht man Fahrzeit. Doch die gibt es ab nächster Woche nicht mehr gratis. Fahrzeugentwicklung unter dem Druck Resultate abliefern zu müssen, war noch nie einfach.

Red Bull Vergleich - Bahrain Test 2022
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Warten auf den Durchblick

Die Lösung des Problems bringt nach Meinung der Experten mehr Rundenzeit als jedes Upgrade, das man jetzt ans Auto schrauben könnte. Weil man erst dann mit der Basisarbeit beginnen und das Auto optimal abstimmen kann. Gesucht ist ein gutmütiges Fahrverhalten in langsamen und schnellen Kurven. Und das ist mit Groundeffect-Rennern schwerer zu erreichen als mit den Autos der Vergangenheit.

Ferrari ist bei dieser Suche schon am weitesten gekommen. Vielleicht auch deshalb, weil der Entwicklungsansatz ein anderer war. Ein Beobachter gab ein interessantes Urteil ab: "Vielleicht ist der Ferrari gar nicht das schnellste Auto im Feld. Aber es ist das Auto, das sich im Moment am einfachsten fahren lässt. Und das bringt die Rundenzeit." Helmut Marko prophezeit: "Dieses Jahr kann es drei bis vier Rennen dauern, bis wir wissen, wer das schnellste Auto hat."