Dass ein Fahrer ein Team mitten in der Saison verlassen muss, ist in der Formel 1 keine alltägliche Geschichte. Wenn es sich dann noch um einen Fahrer handelt, der 257 Grands Prix auf dem Buckel hat und acht Siege feiern konnte, dann ist die Aufregung besonders groß. Und so mussten die Verantwortlichen von Toro Rosso natürlich jede Menge Fragen beantworten, als die ersten Gerüchte über einen bevorstehenden Rauswurf von Daniel Ricciardo in Singapur aufkamen.
Offiziell bestätigen wollte den Abschied aber keiner aus der Führungsriege. Auch der Fahrer selbst wollte nichts davon wissen, dass es sich um seinen letzten Auftritt in der Königsklasse handeln könnte. Stattdessen wurde versucht, das Rennwochenende ganz normal über die Bühne zu bringen. Doch je länger sich die Hängepartie mit den ausweichenden Aussagen der Beteiligten hinzog, desto klarer wurde jedem im Fahrerlager, dass sich hier eine große Karriere dem Ende neigt.
Als die Trennung dann mit einer Woche Verspätung endlich offiziell gemacht wurde, prasselte jede Menge Kritik auf das Team ein. Man habe Ricciardo die Chance verbaut, einen ordentlichen Abschied von der Formel 1 und den Fans zu feiern, lautete der Vorwurf. Die Geheimniskrämerei sei eines Piloten wie Ricciardo nicht würdig gewesen.

In Singapur wussten alle Beteiligten Bescheid. Ricciardo wollte den Abschied aber offenbar nicht wahrhaben.
Vorgehen mit Ricciardo abgesprochen
Teamchef Laurent Mekies gab beim nächsten Rennen in Austin zu, dass man selbst nicht happy gewesen sei, wie das Wochenende gelaufen ist: "Wir hätten das anders handhaben können, oder vielleicht sogar müssen." Mittlerweile war bekannt, dass alle Beteiligten schon vor dem Singapur-Wochenende von der bevorstehenden Trennung wussten. Mekies wollte aber nicht näher darauf eingehen, warum nicht mit offenen Karten gespielt wurde.
Erst Peter Bayer bringt etwas Licht ins Dunkel. Auf Nachfrage von auto motor und sport verriet der Geschäftsführer, dass es nicht die Idee des Teams war, die Bekanntgabe so lange hinauszuzögern: "Wir hatten uns mit Daniel darauf geeinigt, dass wir es nicht kommunizieren. Wir wussten, dass wir da als Team ein bisschen alt aussehen werden. Wir haben das aber auch gemacht, um den Fahrer zu schützen. Es war sein Wunsch."
Laut Bayer hatte Ricciardo bis zum Schluss darauf gehofft, dass noch ein Wunder eintritt. "Er hat bis zuletzt daran geglaubt, dass er im Qualifying ganz vorne reinfahren und es allen zeigen wird. So eine mentale Stärke, die dieser Mensch hat, habe ich noch nie bei einem Athleten gesehen. Und ich war schon bei vielen Sportarten."

Am Ende konnte Ricciardo das Ruder nicht mehr herumreißen. Einen feierlichen Abschied gab es auch nicht.
Ricciardo-Wunder trat nicht ein
Doch das Wunder trat leider nicht ein. Ricciardo konnte das Ruder nicht mehr herumreißen. Sein Schicksal war besiegelt. "Das war dann ein furchtbarer Moment, wie er im Q1 ausgeschieden ist. Da hat man am Funk schon gehört, dass für ihn eine Welt zusammengebrochen ist", erinnert sich Bayer. "Wir haben dann am Samstag noch einmal mit ihm geredet. Da saßen wir um zwei Uhr in der Früh zusammen bei uns im Büro und haben ihn gefragt, wie wir es jetzt machen sollen. Er hat uns dann gesagt, dass wir ihn das Rennen einfach fahren lassen sollen. Er wollte einfach keinen Zinnober."
Am Ende ließ man Ricciardo das Kapitel Formel 1 immerhin mit einer schnellsten Rennrunde abschließen. WM-Punkte gab es aber keine. Und auch keinen feierlichen Abschied. Bayer bedauert das, sieht aber auch keinen alternativen Weg: "Wir haben uns als Team vor ihn gestellt. Wenn Daniel bis Abu Dhabi gefahren wäre, dann hätte man natürlich den Abschied mit Feuerwerk und Foto auf dem Grid gefeiert, so wie bei Räikkönen damals. Das hätten sich alle gewünscht."
Laut Bayer dürfe man aber nicht vergessen, dass die Karriere von Ricciardo ohne Red Bull schon vorher beendet gewesen wäre. "Wir haben ihm noch eine Chance gegeben, die niemand mehr für möglich gehalten hatte." Das Verhältnis vom Ex-Piloten zum Team sei nach wie vor gut. Laut Bayer gibt es immer noch regelmäßig Kontakt zwischen Ricciardo und Teamchef Mekies. "Für uns war wichtig, dass wir am Ende des Tages in den Spiegel schauen und sagen können, dass wir es richtig gemacht haben. Auch wenn die ganze Welt und seine neun Millionen Instagram-Fans auf uns einprügeln."