Es war der kleinste Motor, der jemals eine Formel 1-Weltmeisterschaft gewann. Und der stärkste. Der BMW M12/13 hatte nur 1,5 Liter Hubraum und vier Zylinder. Berechnungen ergaben, dass er bei ausgebautem Wastegate-Ventil in Qualifikationsrunden bis zu 1.430 PS abgegeben haben soll. Auf den Prüfständen der BMW Motorsport GmbH konnte nur bis maximal 5,1 bar Ladedruck gefahren werden. Dabei wurden 1.065 PS abgelesen. Die Cockpitanzeige im Brabham BT54 von 1985 endete bei 5,5 bar. Im Training wurde das Dampfrad noch weiter gedreht. So konnte der Maximalwert nur berechnet werden.
Alles begann damit, dass BMW in den 70er Jahren in der Formel 2 erfolgreich mit dem M12/7-Vierzylinder unterwegs war. Die Basis des Triebwerks stammt aus dem BMW 1500 von 1961. Außerdem hatten die Bayern aus der Deutschen Rennsportmeisterschaft und der IMSA-Serie Erfahrung mit Turbomotoren. Nachdem Renault 1977 seinen V6-Formel 2-Motor zu einen 1,5-Liter-Turbo für die Formel 1 aufblies, reifte auch in München der Plan, es eine Klasse höher zu versuchen. Der 1,4-Liter-Turbo aus dem Tourenwagen gab mittlerweile bereits 550 PS bei 2,6 bar Ladedruck und 10.500/min ab. Mehr als die damals weit verbreiteten Cosworth-V8 in der Königsklasse. Daraus leiteten die BMW-Techniker unter der Leitung von Paul Rosche ab, dass man mit mindestens 550 PS in das Abenteuer Formel 1 einsteigen könnte.

Der erste Sieg kurz vor der Scheidung
Noch musste der Vorstand sein Ja-Wort geben. Und das war schwierig genug. Rennleiter Jochen Neerpasch hatte den Plan, sich ab 1980 mit McLaren als Team und Niki Lauda als Fahrer zu verbünden. Lauda trat zurück, der Vorstand sagte nein, das Projekt starb. Vorübergehend. Neerpasch ging zu Talbot und fädelte einen Deal ein, in dem BMW für die französische Marke den bereits halbfertigen Formel 1-Motor konstruieren und liefern sollte. Die Sache scheiterte, weil Talbot exklusive Nutzungsrechte für alle Rennmotoren von BMW verlangte.
Neerpaschs Nachfolger Dieter Stappert hatte im Untergrund zusammen mit Rosche den Plan geschmiedet, den Formel 1-Motor nun doch in Eigenregie zu bauen und ihn zunächst bei Brabham und später bei anderen Teams einzusetzen. Quasi als Cosworth-Ersatz für die Turbo-Ära. Der Österreicher überzeugte schließlich die skeptischen Herren im BMW-Hauptquartier mit dem Argument, dass man sich bei Brabham-Chef Bernie Ecclestone mit dem Mann verbünde, der im GP-Sport das Sagen hat.
1981 tauchte BMW mit seinem aufgeladenen Vierzylinder erstmals in der Öffentlichkeit auf. Im Training zum GP England. Vorerst nur für 14 Runden. Der Auftritt des 557 PS starken Vierzylinders schockte die Konkurrenz. Mit einer Zeit von 1.12,06 Minuten wäre Nelson Piquet auf Anhieb auf dem vierten Startplatz gestanden. BMW vertröstete seine Anhänger bis 1982.
Das erste Jahr wurde zum Prüfstein für die Ehe Brabham-BMW. Es gab Probleme mit den Steuergeräten für Zündung und Einspritzung. Die beste Elektronik-Box war durch eine Überspannung zerstört worden. Es dauerte ewig, die gewünschten Kennfeldwerte zu reproduzieren. Weil sich nicht gleich Erfolge einstellen wollten, rüstete Ecclestone eines seiner Autos wieder mit den Cosworth-Motor aus. Nach der Nichtqualifikation von Nelson Piquet beim GP USA in Detroit wäre es fast zur Scheidung gekommen. BMW erzwang für den folgenden GP Kanada den Einsatz eines Autos mit Piquet am Steuer. Das Wunder passierte. Piquet gewann nur sieben Tage nach der Pleite von Detroit in Montreal im Brabham-BMW vor Riccardo Patrese im Brabham-Cosworth.
Der letzte Sieg in einem Benetton
Von da an wurde der Vierzylinder-Turbo zur Erfolgsstory. Nelson Piquet gewann 1983 in Kyalami mit Motorblock Nummer 58 die Weltmeisterschaft. Es war der erst 27. Einsatz des bayerischen Vierzylinders. Den Durchbruch brachte ein neuer Turbolader und eine spezielle Kraftstoffentwicklung von Partner Wintershall in der zweiten Saisonhälfte. Die Truppe, die in München mit Paul Rosche an der Spitze den mittlerweile 680 PS starken Wunder-Motor baute, war exakt 41 Mitarbeiter stark.
1984 ging die Leistung mit immer höheren Ladedrücken durch die Decke. Von 680 auf 760 bis knapp 900 PS. Ab einem bestimmten Zeitpunkt spielten die KKK-Turbolader nicht mehr mit. Der Titelverteidiger landete nur noch zwei Siege. Brabham verbaute sich 1985 mit einem Pirelli-Vertrag und 1986 mit einem extrem flachen Auto alle Chancen auf Erfolg. BMW musste seinen Vierzylinder im BT55 um 72 Grad nach links geneigt in einem Hilfsrahmen einbauen. Einen Sieg erreichte nur der „aufrechte“ Motor. Im Benetton B186 mit Gerhard Berger beim GP Mexiko.
Für die Fahrer war die Leistungsexplosion eine bleibende Erinnerung. Gerhard Berger beschrieb sie mit einem Ritt auf der Kanonenkugel. Thierry Boutsen findet selbst diesen Vergleich als zu schwach: „Es war unbeschreiblich. Worte reichen nicht aus. Du musstest es spüren. Ich hatte in Monte Carlo den Berg rauf bis zum fünften Gang Schlupf. Nur wir Fahrer wussten, was sich in diesen Autos abgespielt hat.“
Der BMW-Vorstand verkündete 1986 vorschnell den Rückzug aus der Formel 1. Die hohen Herren im Vierzylinder hatten jedoch übersehen, dass der Vertrag noch ein weiteres Jahr Gültigkeit hatte. Und Ecclestone bestand auf einer Vertragseinhaltung. Er hätte für die Saison keinen anderen Turbomotor bekommen. Und die Megatron-Kundentriebwerke, die bei Heini Mader in der Schweiz aufbereitet wurden, wollte er nicht. Zähneknirschen schleppte sich die Ehe durch eine weitere, von Ausfällen geprägte Saison. Mit 10 WM-Punkten war sie immerhin besser als die vorangegangene. 1987 endete die erste Ära von BMW in der Formel 1. Den wunderbaren Vierzylinder-Turbo gibt es immer noch. Hin und wieder wird er für historische Anlässe mit Brabham BT52 angelassen.
Technische Daten
- Bauart: 4 Zylinder-Reihe
- Einbau: längs
- Hubraum: 1499 cm³
- Turbolader: 1 (Garrett, KKK)
- Bohrung*Hub: 89,2 * 60,0 mm
- Ventile: 16, Feder
- Verdichtung: 6,7:1
- Gewicht: 165 kg
- Leistung: 580-1430 PS
- Maximaldrehzahl: 9 500/min-11 500/min
- Steuerung: Stirnradsatz
- Konstrukteur: Paul Rosche
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