Formel 1: Wer ist der beste Fahrer aller Zeiten?

Bilanz nach 1.000 F1-Rennen
Wer ist der beste Pilot aller Zeiten?

Senna, Prost, Mansell & Piquet - GP Portugal 1986
Foto: Motorsport Images

Fallen wir mit der Tür ins Haus. Wer ist der beste Formel 1-Pilot aller Zeiten? Diese Frage hat Generationen von Motorsport-Fans beschäftigt. Und das nicht erst nach dem 1.000. Grand Prix. Doch wann wäre es besser Bilanz zu ziehen, nach so einem runden Jubiläum.

Wir sind nicht die ersten, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Und sicher auch nicht die letzten. Eigentlich ist es unmöglich, die Frage fair zu beantworten. Die Fahrer sind schwer miteinander zu vergleichen. Dazu waren die einzelnen Epochen zu unterschiedlich. Vergessen wir auch die weichen Fakten. Die sind oft von Sympathien gesteuert.

Es bringt auch nicht viel damit zu argumentieren, dass Juan-Manuel Fangio, Michael Schumacher oder Lewis Hamilton meistens im besten Auto gesessen sind, dass Ayrton Senna mit Alain Prost, Nigel Mansell und Nelson Piquet in der Epoche fuhr, in der es die meiste Gegenwehr gab. Oder dass Jim Clark, Jochen Rindt oder Ayrton Senna noch so viel mehr hätten erreichen können, wären sie im Rennauto nicht gestorben.

Effizienz zählt mehr als Präsenz

Wir beschränken uns auf Zahlen. Aber nicht einfach nur die absoluten Werte. Dann wäre es ja einfach. Michael Schumacher läge immer noch vorn, weil er in den meisten Wertungen die Rekorde hält. Ein Fangio, der nur an 51 Rennen teilgenommen hat, kann da logischerweise nicht mithalten.

Andererseits kann kein Fahrer der Neuzeit auch nur annähernd mit dem Erfolgsschnitt des Argentiniers mithalten. Er gewann 47 Prozent all seiner Grands Prix. Das ist bei 307 Starts und 19 Saisons wie bei Schumacher gar nicht möglich, weil man zwischendrin immer mal ein schlechtes Jahr oder ein schlechtes Auto erwischt.

Wir haben in unserem Bewertungsschema versucht, alles so gut wie möglich gegeneinander aufzuwiegen. Viele GP-Starts wurden genauso honoriert wie eine hohe Erfolgsquote. Wer wie Rubens Barrichello 323 Mal dabei war, hat auch etwas geleistet. So ganz ohne Erfolg auf der Rennstrecke findet man nicht über eine so lange Zeit immer ein Team.

Schumacher, Massa, Alonso & Barrichello - GP Brasilien 2011
Motorsport Images

Natürlich haben wir gewichtet. Effizienz ist immer noch höher einzustufen als pure Präsenz. Ein Sieg ist mehr wert als eine Pole Position, und eine Trainingsbestzeit mehr als eine schnellste Runde im Rennen.

Das war übrigens das Kriterium für die Vorauswahl. Wir haben natürlich nicht alle 775 Piloten dieser Prüfung unterzogen. In den engeren Zirkel kamen nur alle Weltmeister, alle GP-Sieger, alle Fahrer mit mindestens einer Pole Position, schnellsten Runde oder Führungskilometern.

Die Fahrer, die lediglich an den elf Indy 500 zwischen 1950 und 1960 teilgenommen haben, waren zunächst Teil der Liste, wurden schließlich aber aussortiert. Die Erfolgsbilanz der zehn Sieger fällt wegen der wenigen Starts im Vergleich zu den „reinen Formel 1-Piloten“ zu gut aus.

Man hätte die Indy-Stars dann in ihrem eigenen Umfeld über eine gesamte Saison messen müssen, um gerecht zu sein. Von den Yankees wurden nur Rodger Ward und Troy Ruttman übernommen, weil sie zusätzlich zum Indy 500 auch an „echten“ Grands Prix teilgenommen haben.

169 Fahrer in der engeren Wahl

Nach unserem Ausschlussverfahren bleiben 169 Fahrer übrig. Eine knifflige Sache war noch die Sache mit den WM-Punkten. Juan-Manuel Fangio bekam für einen Sieg nur 8 Punkte, Ayrton Senna 9, Mika Häkkinen 10 und ein Valtteri Bottas immer 25. Zu Fangios Zeiten gab es WM-Zähler nur für die ersten Fünf. Heute bekommen doppelt so viele Teilnehmer Punkte.

Wir haben deshalb alle 1.000 Rennen so durchrechnen lassen, als hätte das heutige Punkteschema schon 1950 gezählt. Dafür gab es beim Finale 2014 in Abu Dhabi bei uns nicht wie in der Wirklichkeit doppelte Punkte, sondern wir haben auch dort die Zähler nach dem Schema 25-18-15-12-10-8-6-4-2-1 verteilt.

Es wird Sie vielleicht interessieren, dass nach dieser Rechnung Michael Schumacher mit 3.890 Punkten vor Lewis Hamilton (3.436), Sebastian Vettel (2.968), Kimi Räikkönen (2.744), Fernando Alonso (2.740), Alain Prost (2.470,5), Ayrton Senna (1.859,5), Rubens Barrichello (1.892), Jenson Button (1.836,5) und David Coulthard (1.726) führen würde. Fangio hätte immerhin 892,1 statt 277,1 Punkte geschafft.

Doch Punkte allein sind nur ein Teil unserer Bewertung. Und die stellt sich im Detail wie folgt dar:

GP-Starts: Ein heißes Eisen. Wie soll man Ausdauer im Vergleich zu Erfolg bewerten? Wie die Tatsache mit einrechnen, dass es in den 50er Jahren oft weniger als 10 Rennen pro Saison gab, ab den 2000er Jahren aber viele mit mehr als 16?

Wir haben deshalb die Saisons mitgezählt, damit auch die Fahrer der ersten zwei Jahrzehnte zu ihrem Recht kommen. Die Formel lautet wie folgt: (GP-Starts x Saisons)/5. Spitzenreiter ist, wen wundert‘s, Rubens Barrichello mit 1.227,4 Index-Punkten. Hier büßen die Helden der 50er und 60er Jahre am meisten. Fangio kommt nur auf 81,6, Ascari auf 38,4.

Titel: Jeder WM-Titel ist 200 Punkte wert, jeder zweite WM-Platz 100, jeder dritte Rang 50. Zu wenig, sagen Sie. Wir haben die Top 3-Platzierungen in der Gesamtwertung deshalb etwas bescheidener gewichtet, weil sie im Prinzip nur die Summe aus WM-Punkten und Siegen sind. Wir wollten die erfolgreichen Fahrer nicht drei Mal über Gebühr belohnen.

Michael Schumacher sammelt für seine sieben Titel, seine zwei zweiten und drei dritten Plätze in der Endabrechnung trotzdem noch 1.750 Extra-Punkte. Stirling Moss wurde zwar nie Weltmeister, hamsterte aber in dieser Rubrik trotzdem noch 550 Zähler. Er ist auf Platz 12 der Gesamtwertung auch der beste Nicht-Weltmeister.

WM-Punkte: Die auf das heutige Punkteschema hochgerechneten WM-Zähler sind die Basis. Sie werden durch die Anzahl der Starts geteilt und mit 100 multipliziert. Also (Punkte/Starts) x 100.

Nach dieser Rechnung wird Fangio für seine unglaubliche Ausbeute belohnt. Er bekommt 1.749,2 Index-Punkte, Michael Schumacher dagegen nur 1.267,1. Aus dem Rahmen fällt hierbei Luigi Fagioli, der bei nur 7 Starts in zwei Saisons 32 echte und 122 Punkte nach heutigem Schema erzielt und dafür im Index mit 1.600 Punkten belohnt wird. Der Italiener fällt dafür in den anderen Wertungen ab.

GP-Siege: Auch hier zählt wieder das Verhältnis von Siegen zu Starts. Einfache Rechnung für die Index-Punktzahl: (Siege/Starts) x 2.500. Spitzenreiter ist wieder Fangio mit 1.176,5 Index-Punkten. Jim Clark schafft es bei 25 GP-Siegen bei 72 Starts in die Top 3. Lewis Hamilton kommt bei 75 Siegen und 232 Starts auf einen Wert von 808,2.

Pole Positions: Die Formel korrespondiert zu der von den Siegen. Nur die Bewertung fällt geringer aus: (Pole Positions/Starts) x 500. Auch hier ist Fangio bei 29 Pole Positions und 51 Starts mit 284,3 Index-Punkten Erster vor Jim Clark (229,2) und Alberto Ascari (218,8).

Schnellste Runden: Gleiches Spiel wie bei Siegen und Pole Positions, nur noch weniger honoriert: (Schnellste Runden/Starts) x 300. Spitzenreiter auch hier Fangio mit 135,3 Index-Punkten.

Führungskilometer: So wurde gerechnet: (Führungskilometer/Starts) x 5. Michael Schumacher lag 24.084 Kilometer an der Spitze, bekommt dafür 392,2 Index-Punkte. Fangio führte 9.323 Kilometer, steht aber mit 914 Index-Punkten deutlich besser da. Er lag zwar nur 39 Prozent der Distanz von Schumacher an der Spitze, aber er brauchte dafür auch sechs Mal weniger Rennen.

Titel in anderen Serien: Wir belohnen auch Vielseitigkeit. Ein WM-Titel bei den Sportwagen, in der Rallye, bei den Motorrädern oder eine Meisterschaft bei den IndyCars oder der CanAm gibt 40 Extra-Punkte. Titel in der Formel 2, der GT-WM oder Tourenwagen-WM 20 Zähler, in nationalen Serien jeweils 10.

Siege bei wichtigen Rennen: Auch hierfür werden Bonus-Punkte verteilt. Die Klassiker wie das Indy 500 oder die 24 Stunden von Le Mans mit 10 Punkten, alle anderen großen Rennen wie die 12 Stunden von Sebring, die Targa Florio, die Carrera Panamericana, die Mille Miglia, Macau oder Bathurst mit 5 Zählern.

Fangio 57,9 Punkte vor Schumacher

Nach Addition aller Kategorien krönen wir Juan-Manuel Fangio mit 5.565,9 Punkten zu unserem besten Fahrer aller Zeiten. Er gewinnt ganz knapp vor Michael Schumacher, der es auf 5.508,0 Punkte bringt.

Lewis Hamilton liegt schon auf Rang 3, und der Engländer robbt sich Sieg für Sieg, Pole Position für Pole Position, Punkt für Punkt an die beiden Spitzenreiter heran. Nach dem GP China 2019 steht der fünffache Weltmeister bereits bei 4.806,1 Zählern. Wenn er weiter so erfolgreich fährt, könnte er Ende nächsten Jahres Fangio an der Spitze vielleicht ablösen.

Auf Platz 4 folgt Sebastian Vettel vor Alberto Ascari, Alain Prost, Jim Clark, Ayrton Senna und Jackie Stewart. Ich glaube, auf diese zehn Fahrer hätte man sich auch aufgrund von weichen Fakten auch verständigen können. Möglicherweise in einer anderen Reihenfolge. Die Romantiker würden wahrscheinlich Clark und Senna weiter nach vorne wählen.

Stewart liegt mit 3.442,4 Punkten noch recht komfortabel vor Fernando Alonso auf Platz 10. Selbst wenn Alonso das Indy 500 gewinnt, ein zweites Mal die 24 Stunden von Le Mans und obendrein noch Sportwagen-Weltmeister wird, reicht es mit seinen bislang 3.161,2 Punkten nicht für die Top Ten. Er würde dann nur 60 weitere Punkte sammeln.

Wenn der zweifache Weltmeister Alonso den dreifachen Champion Stewart überholen will, muss er in die Formel 1 zurückkehren. Allerdings mit mehr Erfolg als in den Jahren 2014 bis 2018.