Eigentlich war es ein Irrsinnsprojekt. Ausgerechnet in der Ära der komplexesten Antriebsquellen aller Zeiten will Red Bull den Motor in Eigenregie an den Start bringen. Honda steigt Ende des Jahres aus.
Ein Aggregat von Renault oder Ferrari wollte man nicht. Aus Stolz, aus Furcht vor Abhängigkeit, aus Angst, danach wieder von Mercedes abgehängt zu werden. Nur Honda traute man zu, es mit dem Klassenprimus aufzunehmen. Der Saisonstart scheint das zu bestätigen.
Also selber machen. Honda erklärte sich bereit im Abschiedsjahr für den Chassis-Partner gleich zwei neue Motoren zu bauen. Einen für die Saison 2021 und einen anderen für die kommende Saison, wenn die V6-Turbos auf E10-Kraftstoff umgestellt werden müssen.
Danach steht Red Bull ganz alleine da. Mit etwas Expertise von der Grazer Prüfanstalt AVL vielleicht. Red Bull bezeichnet das Projekt als seine zweitgrößte Investition seit man 2005 mit einem eigenen Team in die Formel 1 gegangen ist.
Damit der Plan überhaupt aufgeht, musste die FIA zuerst die Motorenentwicklung ab 2022 einfrieren. Der Entwicklungsstopp geht bis zur Einführung des neuen Motoren-Reglements. 2025 wahrscheinlich. "Das Format des neuen Antriebs muss bis zum Sommer stehen", fordert Formel 1-Chef Stefano Domenicali.

Was passiert, wenn Audi kommt?
In Millton Keynes entsteht auf dem Firmengelände von Red Bull gerade eine neue Motorfabrik. "Der Aufbau ist in vollem Gang", bestätigte Sportchef Helmut Marko. Maschinen und Prüfstände kann man aus der englischen Honda-Filiale übernehmen oder bei der AVL einkaufen.
Für so ein Projekt braucht man auch aber auch die richtigen Leute. Die Rekrutierung ist bereits angelaufen. Am Freitag gab Red Bull die Verpflichtung von Ben Hodgkinson als neuen Motorenchef an.
Hodgkinson ist ein alter Bekannter in der Szene. Der Engländer arbeitete bei Ilmor und zuletzt in der Führungsriege der Mercedes-Motorenschmiede in Brixworth als Entwicklungsdirektor für die Mechanik. Damit hat Red Bull sich nicht nur prominent verstärkt sondern auch noch den Erzfeind geschwächt. Hodgkinson muss vor seinem Arbeitsbeginn allerdings noch die vertraglich vereinbarte Übergangsperiode abwarten, die erst nach der Saison 2022 endet.
Wenn man Markos Worten glauben darf, dann wird das nicht der einzige Transfer zwischen Brixworth und Milton Keynes bleiben. Auch das englische Personal der alten Honda-Zweigstelle wird wohl übernommen. Bei japanischen Technikern ist eine Übernahme dagegen heikel. In der japanischen Kultur wechselt man nicht einfach so den Arbeitgeber.
Red Bull Powertrains will sich als Verwalter des Honda-Erbes in den drei Jahren bis zum neuen Motorenreglement genug Knowhow aneignen, die Entwicklung des Antriebs der Zukunft notfalls alleine zu stemmen. "Unser Plan ist es, den Motor für 2025 selbst zu bauen", bestätigt Marko. Und was, wenn Audi plötzlich um die Ecke biegt? "Dann müssen wir schauen, ob eine Kooperation möglich ist."