Seit vier Rennen zeigt die Formkurve von Aston Martin nach unten. Seit dem Rennen in Spanien befinden sich die grünen Autos für ihre Verhältnisse im Rückwärtsgang. Nur in Kanada trumpfte Fernando Alonso als Zweiter noch auf. Nur dort war Aston Martin der erste Jäger von Red Bull. In den ersten sechs Rennen davor stand Alonso fünf Mal auf dem Podium. Seither in vier Grand Prix nur das eine Mal in Montreal.
Nie stürzten die grünen Autos so ab wie in Silverstone. Sie konnte weder auf eine Runde noch über die Distanz die gewohnte Performance zeigen. Red Bull, McLaren, Mercedes und Ferrari hatten schnellere Autos. Fernando Alonso profitierte vom Safety-Car und dem späten Boxenstopp. Er platzierte sich als Siebter. Teamkollege Lance Stroll steuerte nichts bei. Sechs Punkte: So mau fiel die Ausbeute in keinem anderen Rennen aus.

Ein Mix gegen Aston Martin
Aston Martin ging mit einem modifizierten Frontflügel und neuen Bremsbelüftungen hinten in sein Heimspiel. Die eigenen, neu hochgezogenen Werkshallen liegen direkt neben der Rennstrecke. Man verließ den GP England mit der Bestätigung des Gefühls, das die Ingenieure vorher schon hatten. Das 5.891 Meter lange Asphaltband passt nicht zum AMR23. Es fehlen dort die harten Bremszonen. Der Aston Martin glänzt beim Anbremsen für gewöhnlich mit seiner Stabilität. Es mangelt an mittelschnellen Kurven. Die sind das Spezialgebiet der grünen Autos.
Stattdessen: ein Mix aus langsamen und vielen schnellen Kurven plus Vollgasstücken. Von Luffield (Kurve 7) bis Maggotts (Kurve 12) stehen die Fahrer für 1,8 bis zwei Kilometer voll auf dem Gas. Da braucht es aerodynamische Effizienz und Topspeed. Beides keine Disziplinen, in denen der Aston Martin in diesem Jahr glänzte.
Also mussten sich die Techniker für das eine oder das andere entscheiden. Sie trimmten das Auto auf weniger Luftwiderstand. Das half in den Highspeed-Sequenzen. "Der Performance-Unterschied kam in den langsamen Kurven zustande", bedauerte Chefingenieur Tom McCullough. Hier haftete der AMR23 mit kleinerem Flügel nicht so recht. Die Schwächen aus der Qualifikation übertrugen sich ins Rennen. Der Reifenabbau war gering. Also konnte Aston Martin auch nicht die Qualitäten im Reifenmanagement ausspielen.

AMR23 bekommt neue Teile
Aston Martin nutzte den Trainingsfreitag für umfangreiche Vergleichstests. Fernando Alonso und Lance Stroll testeten verschiedene Teile und Abstimmungen. Erst ab Samstag fügten die Ingenieure die vielversprechendsten Bausteine zusammen. Aston Martin erklärte den Freitagstest mit dem Umstand, dass man in Kanada aufgrund des Ausfalls des ersten Trainings und wegen regnerischer Verhältnisse kaum Zeit gehabt hätte, das große Upgrade richtig kennenzulernen. In Österreich begrenzte das Sprintformat die Trainingszeit und damit die Erprobungsphase.
Man könnte die zweckentfremdeten Trainings am Freitag von Silverstone auch anders werten. Vielleicht sind die neuen Teile, die in Montreal erstmals am Auto waren, doch kein gewinnbringender Eingriff gewesen. McCullough widerspricht: "Wir verstehen das neue Paket zu großen Teilen. Die hinteren Bremsbelüftungen haben es ergänzt. Die Daten geloben einen Fortschritt." In Ungarn soll dieser wieder sichtbar sein.
Aston Martin verspricht sich vom Hungaroring mit den langsamen und mittelschnellen Kurven ein deutlich besseres Ergebnis. Hier will man mit guter Traktion punkten. Aerodynamische Effizienz spielt in Budapest eine untergeordnete Rolle. Auch das DRS wird unwichtiger. Aston Martin hadert noch immer mit seinem System. Und auch im Rennen danach, in Belgien, sollte mehr herausspringen. So zumindest das eigene Gefühl. In Spa-Francorchamps ist Aston Martin traditionell stark.
Mit einem Laster schlägt sich die Entwicklungsabteilung in Silverstone seit dem 1. Juli herum. Das Reglement kappt Aston Martin die Zeit im Windkanal und die Kapazitäten beim CFD. Vorher hatte das Team den Windkanal zu 100 Prozent auslasten dürfen. Durch den Sprung vom siebten auf den dritten WM-Platz sind es 20 Prozent weniger geworden. "Wir wussten, dass das auf uns zukommt. Entsprechend haben wir Vorkehrungen getroffen. Alle Teams arbeiten generell daran, im Windkanal immer effektiver zu operieren."
Aston Martin will weiter beständig neue Teile nachschieben. "Wir hatten in Silverstone etwas dabei. Wir werden in Ungarn und in Belgien etwas Neues für das Auto haben. Und nach der Sommerpause in Zandvoort", berichtet Teamchef Mike Krack. Für 2024 sind die Ingenieure optimistisch. Kann irgendwer Red Bull einholen? Ist das überhaupt möglich? Antwort: "Verdammt, ja. Das ist möglich."