Aston Martin: FIA untersucht grünen Red Bull

Aston Martin B-Version keine Kopie
FIA untersucht grünen Red Bull

GP Spanien 2022

Der Saisonauftakt brachte für Aston Martin eine böse Überraschung. Das Team, das wenigstens im vorderen Mittelfeld mitspielen wollte, kämpfte mit Williams am Tabellenende. Dabei attestierte der Windkanal dem AMR22 viel bessere Werte als er auf der Rennstrecke zeigen konnte.

"Das Bouncing hat uns ausgebremst", erklärte Technikchef Andy Green. "Es hat uns gezwungen das Auto in einer Konfiguration zu fahren, für die es nicht konzipiert wurde. Wir mussten es höher fahren als wir wollten, und das hat massiv Rundenzeit gekostet."

Die Ingenieure standen vor der Frage, ob sie das Konzept behalten und über Modifikationen am Unterboden dem Auto das Bouncing austreiben können oder ob man auf ein anderes Konzept wechseln soll, das schon bewiesen hatte, dass es funktioniert.

Als die B-Version des Aston Martin aus der Garage gerollt wurde, war klar wie sich das Design-Team um Andy Green entschieden hatte. Es handelt sich um einen Großumbau, der einem anderen Auto verblüffend ähnlich sieht. Das Fahrerlager spottete bereits über den "grünen Red Bull".

Aston Martin AMR22 - Upgrade - GP Spanien 2022
ams

FIA-Prüfer in der Aston Martin-Fabrik

Tatsächlich weist der AMR22B zwischen den Achsen große Ähnlichkeiten mit dem Red Bull RB18 auf. Von den Seitenkästen, die sich in Form einer Rampe zum Boden absenken. Bis zu den acht Kanälen und den vertikalen Leitblechen im vorderen Bereich des Unterbodens. Die FIA wusste schon vorher Bescheid. Die Teams müssen bei Upgrades vorab CAD-Dateien der einzelnen Komponenten beim Weltverband einreichen.

Wegen der Vielzahl der Übereinstimmungen tauchten FIA-Prüfer am Dienstag und Mittwoch dieser Woche in der Aston-Martin-Fabrik in Silverstone auf, um zu untersuchen ob es da in irgendeiner Form einen unerlaubten Informationsaustausch gab. Inzwischen hat der Verband Aston Martin grünes Licht gegeben. Das Auto, so der Befund, wurde in Eigenleistung ohne Hilfe von außen entworfen.

Der Verdacht lag auch deshalb auf der Hand, weil im Laufe des letzten Jahres sieben Red-Bull-Ingenieure die Seiten gewechselt hatten, darunter der frühere Aerodynamikchef Dan Fallows. Nachdem erste Fotos von dem runderneuerten Aston Martin im Netz kursierten, fragte man sich auch bei Red Bull, ob die Überläufer mehr als nur ihr Wissen im Kopf mitgenommen hatten.

Aston Martin AMR22 - Upgrade - GP Spanien 2022
ams

Keine Hilfe von Ex-Red-Bull-Mitarbeitern

Aston Martin weist den Verdacht zurück. Das Team aus Silverstone wilderte nicht nur im Designbüro von Red Bull, sondern auch bei Mercedes. Und man ist trotzdem nicht den Mercedes-Weg gegangen, obwohl Getriebe und Hinterradaufhängung bei Mercedes eingekauft werden.

Außerdem bezog der ehemalige Red Bull-Mann Dan Fallows wegen seiner Arbeitssperre sein neues Büro erst im April dieses Jahres und kann deshalb keinerlei Einfluss auf das Design der B-Version genommen haben.

Denn der neue Aston Martin ist kein Schnellschuss als Reaktion auf den schlechten Saisonstart, sondern wurde bereits seit November letzten Jahres im Windkanal entwickelt. "Hätten wir das Programm erst nach dem ersten Rennen gestartet, wären wir nie in der Lage gewesen bis Barcelona zwei B-Versionen auf die Räder zu stellen", erzählt ein Ingenieur.

Aston Martin plante demnach immer mit zwei unterschiedlichen Konzepten, weil das Technische Reglement in der Entwicklungsphase offenließ, welcher Weg der richtige sein würde. Im Oktober 2021 trafen die Aston Martin-Designer die Entscheidung für die A-Version.

"Die Werte im Windkanal wurden immer besser und die Kurve, wie viel Abtrieb wir dafür bekommen würden, zeigte steil nach oben. Einen Monat später entdeckten wir dann, dass wir nicht weiter kamen. Dass wir das Auto immer höher setzen mussten, je mehr Anpressdruck wir draufpackten. Und dadurch fiel das Auto aus dem Fenster, für das wir es entworfen hatten. Wir bewegten uns also rückwärts."

Andy Green - Aston Martin - F1 - 2022
Aston Martin

Seit November 2021 Arbeit an B-Version

Deshalb nahmen die Ingenieure wieder die Arbeit an der vorübergehend still gelegten B-Version auf. Und die hatte Seitenkästen wie der Red Bull, ohne den RB18 je gesehen zu haben. Ein Ingenieur verrät: "Wir konnten der FIA CAD-Daten und Fotos von unserem Windkanal-Modell im vergangenen Herbst zeigen und beweisen, dass wir nichts kopiert haben."

Der Re-Start der B-Version kam zu spät für den Saisonstart. Die Produktion lief längst für die A-Spezifikation. Weil jedoch feststand, dass Aston Martin früher oder später auf die Alternative umschwenken würde, wurden von allen Komponenten nur ein Minimum an Teilen hergestellt, um nicht zu früh in der Saison mit dem Kostendeckel in Konflikt zu kommen. Von der Kühlern gab es zum Beispiel jeweils nur ein Ersatzteil.

Andy Green erinnert daran, dass er bereits bei der Präsentation des Autos darauf hingewiesen habe, dass man bei Konstruktion des Chassis schon im Blick hatte, mit unterschiedlichen Konfigurationen zu fahren.

Das Kühlsystem und die Verpackung der Innereien sind beim neuen Auto komplett unterschiedlich angeordnet. Was auch ein Beweis dafür ist, dass die B-Version lange geplant war. "Das Chassis musste so gebaut werden, dass es zwei unterschiedliche Kühlsysteme aufnehmen kann. Hätten wir das nicht getan, wäre es unmöglich gewesen auf die neue Seitenkasten-Geometrie umzuschwenken."

Aston Martin AMR22 - Upgrade - GP Spanien 2022
ams

Neues Konzept weniger anfällig für Bouncing

Eigentlich war der Einsatz des AMR22B erst für den GP England in Silverstone vorgesehen. Als sich aber nach den ersten beiden Rennen abzeichnete, dass die A-Version auch noch extrem unter dem Bouncing litt und deshalb noch nicht einmal die Abtriebswerte erreichte, die der Windkanal versprach, zog Andy Green die Reißleine. Das runderneuerte Auto musste so schnell wie möglich auf die Räder gestellt werden.

Zu dem Zeitpunkt waren mit Blickrichtung Silverstone bereits einige Teile für das Upgrade produziert worden. "Ohne diese Vorleistung hätten wir Barcelona nicht geschafft", heißt es im Team. Für Aston Martin beginnt die Saison damit noch einmal neu. Man stellt sich deshalb auch darauf ein, dass sich der Erfolg der Maßnahme nicht sofort zeigt. "Wir müssen das neue Auto erst einmal verstehen."

So könne es durchaus sein, dass auch die B-Version durch Bouncing gebremst wird. Die Ingenieure sind jedoch zuversichtlich, dass sich das Schaukeln mit dem Red-Bull-Konzept besser kontrollieren lässt. "Weil wir das Auto jetzt nicht mehr so tief und so hart fahren müssen, um genug Abtrieb zu generieren. Es ist ein völlig anderer Ansatz Anpressdruck zu gewinnen. Mehr Federweg ist komfortabler für die Fahrer und besser für die Reifen."

Für Green und seine Kollegen ist es ein Déjà vu. Vor zwei Jahren wurden sie dafür kritisiert, dass sie den Mercedes des Vorjahres nachgebaut hatten. Diesmal gibt es aber einen entscheidenden Unterschied. "Die Nase, die Flügel vorne und hinten und die Aufhängung sind völlig anders als beim Red Bull. Schon deshalb kann man nicht von einer Kopie sprechen. Die Rampenform der Seitenkästen sieht man nicht nur beim Red Bull, sondern auch bei anderen Autos."