Fünf Monate nach dem tödlichen Unfall des Formel 2-Piloten Anthoine Hubert in Spa-Francorchamps hat die FIA ihre Untersuchung abgeschlossen. Die Crash-Analyse zeigt, warum der 22-jährige Franzose keine Überlebenschance hatte.
Es war der tragische Moment der Motorsport-Saison 2019. Im ersten Lauf zur Formel-2-Meisterschaft in Spa-Francorchamps kam es in der zweiten Runde ausgangs Eau Rouge zu einer verhängnisvollen Kettenreaktion, an deren Ende die Kollision zwischen den Autos von Anthoine Hubert und Juan-Manuel Correa stand.
Huberts Verletzungen waren so massiv, dass er zwei Stunden nach dem Unfall verstarb. Correa kämpfte drei Wochen lang mit dem Tod, erholte sich dann aber erfreulich schnell von seinen schweren Frakturen an beiden Beinen und der Wirbelsäule.
Wie üblich bei solchen Unfällen führte die FIA eine genaue Analyse der Ereignisse durch. Sie wurde von Chefarzt Professor Gérard Saillant geleitet und von der FIA-Sicherheitskommission unter der Führung des früheren Williams-Technikchefs Patrick Head durchgeführt. Der Bericht liegt jetzt vor.
Eine Verkettung unglücklicher Ereignisse führte zum Tod von Anthoine Hubert. Der Renault-Junior hatte keine Chance.
Hubert war vor Abflug 262 km/h schnell
Auslöser des Unfalls war demnach der Abflug von Giuliano Alesi, der ausgangs Eau Rouge die Kontrolle über seinen Dallara verlor. Vermutlich ausgelöst durch einen schleichenden Plattfuß am rechten Hinterreifen. Alesi streifte links die Absperrungen, drehte sich, konnte dann aber langsam weiterfahren.
Dabei wurden verschiedene Wrackteile quer über die Strecke geschleudert. Um den Trümmern auszuweichen, zogen Ralph Boschung und der ihm folgende Anthoine Hubert nach rechts in die asphaltierte Auslaufzone. Boschung verlangsamte seine Geschwindigkeit deutlich mehr als Hubert. Was dazu führte, dass der Franzose mit 262 km/h Boschungs rechten Hinterreifen mit dem Frontflügel traf, der sofort abbrach.
Ohne Flügel konnte Hubert seinem Auto keine andere Richtung mehr aufzwingen. Der 22-jährige Franzose rutschte in einem Winkel von 40 Grad in die mit einer Plastikfolie abgedeckten Reifenstapel auf der rechten Seite, hakte dort ein und kam nach einer Drehung abrupt zum Stillstand.
Der Aufprall mit 216 km/h im Streckenabschnitt Radillon führte zu einer Maximalverzögerung von 33,7 g. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Unfall noch überlebbar. Das Auto des Arden-Teams stand nun aber quer zur Fahrtrichtung an der rechten Streckenbegrenzung und wurde zur Zielscheibe für nachfolgende Piloten.
Der tödliche Unfall von Anthoine Hubert ließ Motorsport-Fans auf der ganzen Welt trauern.
Aus dem Stillstand auf 105,4 km/h beschleunigt
Rund 1,5 Sekunden später tauchte Correa am Unfallort auf. Der Amerikaner mit ekuadorianischen Wurzeln versuchte das Trümmerfeld ebenfalls rechts in der Auslaufzone zu umfahren. Sein Pech war, dass er Wrackteile von Alesis Auto traf. Dabei brach rechts vorne die Aufhängung, und der Frontflügel wurde unter das Auto gedrückt. Correa hatte keine Chance mehr zu lenken. Auch die Bremswirkung war stark eingeschränkt.
Man sieht kurz vor dem Einschlag in Huberts Auto an beiden Hinterreifen von Correa Rauch aufsteigen, vorne aber nicht. Was den Schluss zulässt, dass die Vorderreifen bei der versuchten Vollbremsung keinen Bodenkontakt hatten.
1,6 Sekunden, nachdem der Charouz-Pilot die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte, traf er mit einer Geschwindigkeit von 218 km/h in einem Winkel von 86 Grad das stehende Auto von Hubert an der verwundbarsten Stelle kurz hinter den Vorderrädern. Dabei wurde Correa mit einer Kraft von 65,1 g verzögert, Hubert mit 81,8 g beschleunigt.
Das 720 Kilogramm schwere Auto wurde wie von einer Kanonenkugel von null auf 105,4 km/h beschleunigt, bevor es ein zweites Mal auf der rechte Seite in die Absperrungen einschlug und von dort auf die Strecke zurückgeschleuderte. Dabei zerbrach der Dallara in zwei Teile. Correa überschlug sich und rutschte 2,6 Sekunden lang kopfüber noch etwa 50 Meter weiter.
Die FIA kam zu dem Schluss, dass eine komplexe Unfallfolge zu dem fatalen T-Bone-Crash zwischen Hubert und Correa geführt hatte. Die Geschwindigkeiten und Kräfte, die bei der Kollision auftraten, führten bei Hubert zu tödlichen Verletzungen.
Es gab im Rückblick keinen einzelnen Grund, der für die Katastrophe verantwortlich zu machen sei, heißt es im Unfallbericht. Keinem der Fahrer ist ein Vorwurf zu machen. Streckenposten und das Rettungsteam haben richtig gehandelt. Die gelben Flaggen wurden 1,8 Sekunden nach Alesis Einschlag gezeigt.
Ein Feuer, das wegen eines Öllecks an Correas Auto auftrat, wurde innerhalb von zwei Sekunden gelöscht. Nur 54 Sekunden nach der roten Flagge traf das erste Ärzteteam bei Hubert ein. Die Rettungsmaßnahmen für Correa begannen 69 Sekunden nach dem Rennabbruch. Die FIA prüft jetzt, ob sie Erkenntnisse aus dem Unfallbericht in die Autos und die Prozesse einfließen lassen kann.
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