Andretti F1: kein Motor, F1-Management dagegen

Viele Hürden für Andretti
Mit Motorenpartner, aber ohne Motor

Andretti hat einen ehrgeizigen Plan. Nachdem ihm die FIA endlich eine Lizenz erteilt hat, will er so schnell wie möglich in die Formel 1. Am besten noch 2025 unter dem existierenden Concorde Abkommen. Da ist der Einstiegspreis, der zu gleichen Teilen an alle etablierten Teams ausgezahlt wird, auf 200 Millionen Dollar festgelegt. Beim nächsten Concorde Abkommen wird es teurer.

Doch Andretti ist nicht willkommen. Weder bei den Teams noch bei der Formel 1. Alle fürchten, dass ein weiterer Mitesser die Einnahmen schmälert. Und die aktuellen Teams haben Angst davor, dass ihnen der US-Rennstall Personal abwirbt. Alle verstecken sich hinter der Formel: Andretti darf mitmachen, wenn er nachweisen wird, dass er dem Sport einen Mehrwert bringt.

Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur geht noch einen Schritt weiter: "Ein elftes Team muss eine massive Verbesserung bringen. Es reicht nicht zu sagen, dass man das Feld um ein amerikanisches Team und einen amerikanischen Fahrer bereichert. Das haben wir mit Haas und Sargeant schon."

Spielt die Formel 1 auf Zeit?

Genau diesen Wertzuwachs wird das F1 Management (FOM) jetzt prüfen. Die Rechteinhaber verlangen von dem Bewerber einen genauen Plan der Marketingaktivitäten, den Partnerschaften und Sponsoren, den Verträgen mit Motorherstellern und Ausrüstern. Sie wollen wissen, wie viel Bandenwerbung und Paddock Club Tickets gebucht werden sollen und was dabei möglicherweise in die Kasse eingezahlt wird. Es wird auch geprüft, was es kostet auf platzbeschränkten Strecken wie Monte Carlo, Spa, Imola oder Zandvoort, zusätzliche Garagen und Stellplätze für Motorhomes zu schaffen.

Der Prüfprozess kann sich bis Februar oder März 2024 hinziehen. Dann ist es für Andretti technisch fast schon unmöglich, 2025 zwei Autos an den Start zu bringen. Als Neuling ist er in den ersten Jahren auf ein Modell Haas-Ferrari angewiesen. Er braucht einen Chassispartner und einen Motorenlieferanten.

Sein Partner Cadillac kann unter besten Umständen frühestens 2027 einen eigenen Motor auf die Beine stellen. Die Amerikaner bereiten sich zwar bereits intensiv auf einen Formel 1-Einstieg vor, haben sich aber noch nicht einmal für die nächste Reglementsperiode ab 2026 eingeschrieben.

Alpine im Moment kein Geburtshelfer

Als Geburtshelfer hatte Andretti schon vor Jahren einen Vorvertrag mit Renault unterschrieben. Der aber ist im März 2023 erloschen. Und im Moment zeigen die Franzosen keine große Lust, die Verhandlungen über eine Fortsetzungen wieder aufzunehmen. Renault alias Alpine will nicht in das Kreuzfeuer eines Machtkampfes zwischen FIA und FOM geraten.

Alpine-Sportdirektor Bruno Famin wählt seine Worte mit Bedacht: "Es stimmt, dass dieser Vorvertrag mit Andretti ausgelaufen ist. Er wurde auf der Basis geschlossen, dass Andretti seine Lizenz früher bekommt. Wir werden Gespräche erst wieder aufnehmen, wenn der Prüfprozess mit positivem Ergebnis abgeschlossen ist."

Famin betont, dass er sich dabei voll auf die Entscheidungen von FIA und FOM verlässt. "Wir haben prinzipiell nichts gegen ein elftes Team, wenn sich herausstellt, dass es den Wert des Sports steigert. Es ist aber nicht unsere Aufgabe, das zu beurteilen. Wir folgen den Regularien, egal ob es sich um das Sportliche Reglement oder das Concorde Abkommen handelt."

Bis vor einem Jahr war es Renault noch wichtig, einen Kunden ins Boot zu bekommen, um mehr Daten zu sammeln und einen Vergleich zum Werksteam zu haben. "Die Prioritäten haben sich verschoben", baut Famin vor. "Für uns steht an erster Stelle, dass wir den bestmöglichen Motor für 2026 entwickeln."

Bruno Famin - Formel 1 - 2023
xpb

Steht Renault in der Pflicht?

Das Sportgesetz für die Jahre 2021 bis 2025 sieht in Anhang 6 vor, dass jedem Team ein Motorenlieferant garantiert ist. Bei mehreren Herstellern trifft es denjenigen, der die wenigsten Kunden hat. Das wäre im Moment Renault. Ab 2026 stünde auch Honda in der Pflicht, sofern der Passus im Reglement nicht geändert wird.

In diesem Punkt gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Die FIA steht auf dem Standpunkt, dass Renault im Ernstfall liefern müsse, sollte Andretti einen Motor brauchen. Die FOM interpretiert den entsprechenden Regeltext so, dass diese Lieferpflicht nur für existierende Teams, nicht aber für Neulinge gilt. In den Regeln ist nur von einem "new customer team" die Rede. Das kann ein Team sein, das den Motorhersteller wechselt, aber auch ein Neueinsteiger. In dem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass im Concorde Abkommen sehr wohl ein Unterschied gemacht werde.

In FIA-Kreisen glaubt man außerdem, dass die FOM Andretti nur schwer den Zugang verweigern kann, ohne eine EU-Richtlinie von 2000 zu ignorieren. Dort steht, dass man neue Teams nur aus nachvollziehbaren Gründen ablehnen kann und ihnen keine unüberwindbaren Hürden in den Weg stellen darf. Die Formel 1 gibt sich in dem Punkt gelassen. Die FIA müsse einer Ablehnung erst einmal die Gesetzwidrigkeit nachweisen. Das dürfte dem Verband schwerfallen.