Analyse: Die schnellsten Longruns beim Bahrain-Test

Longrun-Analyse Bahrain-Test 2024
Drei Teams verschleiern wahre Pace

Wären die Bestzeiten bei den Testfahrten von Bahrain ein Maßstab, dann führt Max Verstappen drei Zehntel vor Ferrari, Mercedes und Sergio Perez, ein weiteres Zehntel vor Aston Martin und McLaren. Die zweite Tabellenhälfte hat auf die Verfolgergruppe zwei bis drei Zehntel Rückstand. Nicht genug, dass sich das Establishment darauf ausruhen könnte.

Die harte Währung bei Testfahrten sind natürlich die Longruns. Bei einzelnen Runden weiß man nie, mit wie viel Sprit im Tank und mit welchem Power-Modus gefahren wurde. Ein echte Rennsimulation beginnt immer mit einem relativ vollen Tank. Von da lässt sich hochrechnen, was mit welchem Reifentyp möglich wäre, wenn der Tankinhalt sich dem Ende neigt.

Die Rechnerei macht allerdings nur Sinn, wenn zwischen den Stints nicht nachgetankt wird. Ob das passiert, lässt sich relativ einfach an der Zeit des Boxenstopps erkennen. Beträgt die OUT-Runde nur zwei Minuten wurden auch nur Reifen gewechselt.

Wer aber dazwischen zehn bis 20 Minuten in den Boxen verbringt, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder so viel Benzin aufgefüllt wie beim Longrun davor. Ein Indiz dafür sind auch ähnliche Rundenzeiten zu Beginn der Stints. Das spricht für eine identische Spritmenge. Ändern tun sich nur die Reifenmischungen und Eingriffe am Setup, die auch während des Rennens möglich sind.

Max Verstappen - Red Bull - Bahrain F1-Test 2024
Wilhelm

Perez kann nicht überzeugen

Damit lässt sich gut tarnen, weil keiner weiß, ob die Ausgangsmenge 50, 60 oder 70 Kilogramm Sprit beträgt. Ein Unsicherheitsfaktor von 20 Kilogramm wirft jede Kalkulation über den Haufen. Bei unserer Analyse der Dauerläufe vom zweiten und dritten Testtag haben sich Red Bull, Mercedes und Aston Martin alle Mühe gegeben, ihre wahre Form zu verschleiern. Zwischen den Stints wurde jeweils Kraftstoff nachgefüllt.

Sergio Perez simulierte am zweiten Tag in der Mittagshitze ein Rennen, das aber wenig aussagekräftig war, weil es kaum Vergleichswerte gibt. Die meisten platzierten ihre Dauerläufe in den kühleren Nachmittagsstunden, in denen nächste Woche auch das Rennen stattfinden wird.

Perez konnte bei seinen Stints über 13, 18 und 21 Runden nicht überzeugen. Selbst wenn man die höheren Temperaturen einrechnet, blieb der Schnitt jeweils über der 1.38er-Marke. Zwei Mal war der Mexikaner am Ende des Abschnitts langsamer als am Anfang. Es sieht ganz so aus, als wäre auch der Red Bull RB20 ein Verstappen-Auto.

Fernando Alonso - Aston Martin - Bahrain F1-Test 2024
Wilhelm

Alonso auf den Spuren von Verstappen

Der Weltmeister legte in seinen Longruns die Messlatte unerreichbar hoch. Verstappen spulte in den letzten zwei Stunden des dritten Testtages drei Stints ab, die an Gleichmäßigkeit kaum zu überbieten waren. Der Schnitt der Dauerläufe über jeweils 15 Runden lag bei 1.37,256, 1.37,129 und 1.36,949 Minuten.

Gleichzeitig ging Fernando Alonso mit einem ähnlichen Programm auf die Bahn. Der Spanier fuhr jeweils 13 Runden am Stück. Seine Mittelwerte lagen erstaunlich nahe an denen von Verstappen: 1.37,699, 1.37,356 und 1.37,123 Minuten. Alonso mutete seinen Reifen etwas mehr zu. Alle ersten Runden waren schneller als die des Titelverteidigers. Auch zwei der jeweils letzten Runden. Aber Verstappen schlug mittendrin zu.

Wie groß der Einfluss der ersten Runde ist, zeigte Lewis Hamilton bei einem ähnlichen Versuch am Nachmittag des zweiten Testtages. Der Mercedes-Pilot hängte jeweils 14 Runden hintereinander. Den ersten Stint begann er mit 1.36,947 Minuten, büßte dann aber für das hohe Anfangstempo und wurde in Runde 14 mit 1.39,494 Minuten bestraft. Macht einen Schnitt von 1.37,796 Minuten.

Beim zweiten Anlauf ließ es der Rekordsieger mit 1.39,072 Minuten vorsichtiger angehen und drehte prompt die letzte Runde im Stint mit 1.38,234 Minuten. Der Mittelwert der 14 Runden war mit 1.37,728 fast identisch. Insgesamt aber langsamer als Verstappen und Alonso.

George Russell - Mercedes - Bahrain F1-Test 2024
Wilhelm

Sainz fuhr das schnellste Rennen

Die Mercedes-Ingenieure rechneten trotzdem hoch, dass der W15 im Renntrim eine Spur schneller war als der Ferrari. Das lässt sich für uns im direkten Vergleich nicht nachvollziehen. Tatsache ist, dass sich Ferrari in der Konstanz seiner Rundenzeiten stark verbessert hat. Carlos Sainz legte die beste Rennsimulation auf die Bahn. Die meisten Teams vertrauten dabei auf die Reihenfolge C3-C2-C3.

Sainz teilte sein Rennen am Donnerstag in 15, 18 und 19 Runden ein und war in den einzelnen Segmenten mit den Durchschnittszeiten von 1.38,199, 1.37,306 und 1.35,420 Minuten klar die Nummer eins im Feld. Besonders der letzte Stint, der mit 1.35,586 Minuten begann und mit 1.35,642 Minuten aufhörte, war beeindruckend. Teamkollege Charles Leclerc bestätigte die gute Form des SF-24 am letzten Testtag, brach aber nach zwei Stints ab.

Das Problem von McLaren zeigte sich im Dauerlauf mehr als auf eine Runde. Oscar Piastri drehte zwar unheimlich gleichmäßig seine Runden, war über die drei Stints im Schnitt aber immer zwei bis vier Zehntel langsamer als Sainz. Seine Mittelwerte zum Vergleich: 1.38,586, 1.37,549 und 1.35,905 Minuten.

Yuki Tsunoda - Toro Rosso - Bahrain F1-Test 2024
Wilhelm

Williams vor Haas und Sauber

Dann beginnt schon die zweite Hälfte des Feldes. Toro Rosso zählte zu den Teams, die ihre Longruns verdunkelten. Daniel Ricciardo fuhr am zweiten Tag am Abend und am dritten Tag am Vormittag Dauerläufe mit Tankstopps. Mit Rundenzeiten, die vermuten lassen, dass Red Bulls Schwesterteam eher auf dem Weg in die erste als in die zweite Gruppe ist.

Im Vergleich der echten Rennsimulationen hat Williams leicht die Nase vorn. Wie bei Red Bull muss man hier differenzieren. Das trifft auf Alexander Albon zu, nicht auf Logan Sargeant. Albon setzte mit 1.38,446, 1.37,549 und 1.36,305 Minuten den Maßstab in Liga zwei.

Dicht gefolgt von Nico Hülkenberg mit 1.38,876, 1.38,023 und 1.36,377 Minuten und Valtteri Bottas mit 1.38,927, 1.37,987 und 1.36,508 Minuten. Hülkenberg gewinnt das Rennen im finalen Stint. Es ist eine enge Kiste, zeigt aber, dass Haas mit dem VF-24 einen echten Schritt nach vorne gemacht hat. Letztes Jahr hatten Williams und Sauber das bessere Renntempo. Toro Rosso sowieso.

Esteban Ocon - Alpine - F1-Test - Bahrain - 21. Februar 2024
xpb

Alpine im Elend

Alpine gab nicht nur bei den schnellsten Runden auf C3-Reifen ein Trauerspiel ab. An den letzten beiden Tagen war weder bei Pierre Gasly noch bei Esteban Ocon ein Longrun zu erkennen. Mit oder ohne Tankstopp. Die Alpine-Piloten gingen nach längeren Setup-Umbauten jeweils für sechs bis zehn Runden auf die Strecke.

Bei Ocon konnten wir am zweiten Tag zwei Achtrunden-Turns entdecken. Mit einer Umbau-Pause von zwölf Minuten dazwischen. Keiner der beiden Stints war eine Offenbarung. Im ersten brachen die Reifen innerhalb von acht Runden um 1,1 Sekunden ein, im zweiten um sechs Zehntel.

*Runde X = Letzte Runde im Stint

*V = Vormittag, N = Nachmittag

*TANK = Zwischen Stints nachgetankt