Nur noch wenige Tage bis zum Formel-1-Saisonstart in Melbourne. Endlich ist die Kaffeesatzleserei vorbei. Endlich müssen die Teams die Hosen runterlassen, wenn am Sonntag (16. März) die Startampeln ausgehen. Die spannendsten Fragen werden dann beantwortet: Ist McLaren so stark wie bei den Testfahrten in Bahrain? Fährt Max Verstappen im Red Bull doch wieder vorne weg? Wie schlägt sich Lewis Hamilton im Ferrari? Und wie präsentiert sich Mercedes in dem ersten Formel-1-Rennen nach zwölf Jahren ohne den Superstar?
Doch nicht nur an der Spitze wird hart gekämpft. Vor allem im Formel-1-Mittelfeld geht es häufig um Hundertstelsekunden. Hier entscheiden Geniestreiche über Jubel und minimale Fehler über Trauer. Dazu kommt noch das Preisgeld, welches die Teams gerne einstreichen wollen.
Ein Rennstall, den man inzwischen wieder zur Mittelschicht zählen darf, ist Alpine. Dort wollen die Franzosen aber nicht bleiben. Ganz im Sinne der Französischen Revolution probte das vermeintliche Formel-1-Proletariat im vergangenen Jahr den Aufstand. Alpine war zu Beginn der Saison 2024 ans Ende des Feldes zurückgefallen und leitete dann die Kehrtwende ein. Am Ende katapultierte man sich dank eines famosen Schlussspurts noch auf Rang sechs bei den Konstrukteuren.

Alpine greift 2025 die Top 5 an. Der Aufwärtstrend am Ende der letzten Formel-1-Saison soll weitergehen.
Alpine peilt Top 5 an
Jetzt darf es gerne etwas mehr sein. Alpine will in der Formel-1-Saison hinter den Top-Teams McLaren, Ferrari, Red Bull und Mercedes "Best Of The Rest" sein. Die ersten vier sind noch zu weit weg, Aston Martin holte man schon im Endspurt 2024 ein. Das hielt Teamchef Oliver Oakes während der Testfahrten in Bahrain Ende Februar fest. "Die Top-Teams sind einen Schritt voraus. Unser Ziel ist es, dort weiterzumachen, wo wir letztes Jahr aufgehört haben." Den Formel-1-Adel wollen die Franzosen 2025 dennoch mehr ärgern als in den Jahren zuvor.
Auch wenn Aston Martin die Saison noch vor Alpine abschloss, hatte sich das Kräfteverhältnis verschoben. Alpine punktete regelmäßig und der Speed des überarbeiteten A524 stimmte. Einen großen Anteil hatte daran David Sanchez. Der Technik-Chef heuerte nach einem kurzen McLaren-Intermezzo im Frühjahr 2024 bei Alpine an und half der strauchelnden Equipe wieder auf die Beine. Sanchez hatte entdeckt, dass die Korrelation des Windkanals über mehrere Jahre nicht stimmte. Der Fehler wurde behoben und die Upgrades am Auto zeigten ihre Wirkung.
Dementsprechend selbstbewusst geht Alpine in die neue Saison. Bei den Testfahrten hinterließ vor allem Speerspitze Pierre Gasly einen guten Eindruck. Die Experten sind sich einig: Alpine reist als fünfte Kraft nach Melbourne.

Rookie Jack Doohan steht zu Saisonbeginn bereits unter Druck. Es gibt Gerüchte, dass er früh gegen Reservefahrer Franco Colapinto ausgetauscht werden könnte.
Doohan unter Druck
Neben der Performance auf der Strecke steht vor allem Jack Doohan im Mittelpunkt des Interesses. Der Australier ist neben Gasly der neue Stammfahrer des Teams, nachdem sich Esteban Ocon zu Haas verabschiedet hat. Dem Sohn der Motorrad-Legende Mick Doohan wird aber eine kurze Formel-1-Karriere bei Alpine prophezeit. Seit der Verpflichtung von Franco Colapinto als Reservefahrer gibt es anhaltende Gerüchte um einen frühen Fahrertausch.
Der Argentinier scharrt mit den Hufen. Im letzten Jahr stieg er fulminant als Williams-Ersatz für den enttäuschenden Logan Sargeant ein und forderte sofort Nummer-1-Fahrer Alex Albon heraus. Doch Alpine hatte bereits Doohan als Stammpilot für 2025 bestätigt, als Colapintos Formel-1-Stern aufging. Daran änderten auch die Unfälle gegen Ende des Jahres nichts.
Teamchef Oliver Oakes war in Bahrain dennoch bemüht, den Druck von Doohans Schultern zu nehmen: "Er macht einen guten Job. In den ersten Rennen geht es darum, sich aus Problemen rauszuhalten. Er sollte ein paar Rennen Zeit bekommen, bis man ihn bewertet. Er geht gut mit dem Druck um."
In die Karten schauen lassen wollte sich der Engländer aber nicht. "Wir beginnen die Saison mit Jack und Pierre und dann sehen wir, wie sich die Dinge entwickeln. Ich bin entspannt, lasst Jack erstmal anfangen", beschwichtigte der 36-Jährige, der im vergangenen Sommer zum Teamchef von Alpine aufgestiegen war.

Alpine-Teamchef Oliver Oakes (links) freut sich über die Unterstützung von Flavio Briatore, der als Berater (rechts) mit dem Engländer die Strippen zieht.
Früher Fokus auf 2026
Das letzte Jahr des aktuellen Reglements stellt die Formel-1-Teams vor große Herausforderungen. Wie lange entwickelt man noch am aktuellen Auto und wann fokussiert man sich auf 2026? "Ich denke, viele Teams fangen jetzt bereits an, auf 2026 umzuschwenken. Schon wenn du das diesjährige Auto auf die Straße gestellt hast, beginnen die Diskussionen für nächstes Jahr", erklärte Oakes. Für den Saisonauftakt soll es aber kleinere neue Teile am A525 geben.
Alpine hat eine weitere Baustelle, die man meistern muss. Ab kommender Saison tritt man mit Mercedes-Aggregaten an und verabschiedet sich von der Eigenentwicklung aus Viry-Châtillon. Das bereitet Oliver Oakes aber keine Kopfschmerzen. "Wir sind happy, dass wir das ganz gut ausbalancieren können. Wir sind kein kleines Team, aber auch kein großes. Nach den ersten Rennen wird man sehen, wo man steht und auf was man seinen Fokus legen muss."
Teamchef Oakes freut sich auch über die Anwesenheit von Flavio Briatore, der im letzten Jahr als Berater für Renault-CEO Luca de Meo eingestellt wurde. Briatore will das ehemalige Weltmeister-Team wieder fit machen. Auch Luca de Meo hält die schützende Hand über das Formel-1-Projekt. Das gefällt Oakes, der das als wichtiges Puzzlestück für den Erfolg sieht: "Es ist gut, die beiden um uns zu haben. Vielleicht hat uns diese Unterstützung in den letzten Jahren gefehlt."