Alpine hatte 2022 ein besseres Auto und einen besseren Motor. Die Fabriken in England und Frankreich sind enger verzahnt. Beide Abteilungen schauen nicht auf sich, sondern auf den Erfolg des Teams. Für 2023 sollen Schwachstellen auf Seiten der Power Unit behoben werden. Für die Performance gibt es gewissen Spielraum.
Alpine erging es in der abgelaufenen Saison ähnlich wie Ferrari. Der französische Nationalrennstall bezahlte wie Maranello für eine aggressive Motorenentwicklung über den Winter. Bei Alpine sorgten Defekte an der Power Unit und deren Umfeld für gleich mehrere Ausfälle. Besonders oft erwischte es Fernando Alonso.
In Singapur traf es den Spanier und Teamkollege Esteban Ocon nacheinander innerhalb von sechs Runden. Die hohe Luftfeuchtigkeit knockte den Sechszylinder-Turbomotor aus. Zwei Mal gingen verschiedene mechanische Teile zu Bruch. Ansonsten sorgte vor allem die Peripherie des Motors für Kopfzerbrechen in der Motorenfabrik in Viry-Châtillon. Allen voran die Wasserpumpe. Und auch mal die Benzinpumpe.

Bruno Famin wurde vor der Formel-1-Saison 2022 zum Motorenchef von Renault-Alpine.
Qualitätssicherung mit Priorität 2023
Ohne die Ausfälle hätte Alpine den vierten Platz in der Team-WM früher abgesichert. Motorenchef Bruno Famin lässt keine Ausreden gelten. "Wir hatten natürlich auch Probleme mit Teilen von Zulieferern. Aber das spielt keine Rolle. Wir stehen in der Verantwortung, alles zu überprüfen und müssen sicherstellen, dass der Motor standfest ist." Die Pannen kamen nicht aus dem Nichts. Dass es zu Defekten kommen könnte, war den Ingenieuren bereits vor der Saison klar.
Für Alpine galt es, eine große Lücke zu schließen. Vor dem Einfrieren der Motoren musste man im großen Stil bei der Leistung nachlegen. Wie bei Ferrari galt das Motto: Power vor Zuverlässigkeit. Die Standfestigkeit kann man schließlich später noch absichern, sofern man bei der FIA tatsächliche Probleme nachweisen kann.
"Wir sind viel Risiko eingegangen. Wir haben versucht, den Motor möglichst leicht zu bekommen. Wir haben die Entwicklung so lange wie möglich bis kurz vor der Saison vorangetrieben", erzählt Motorenchef Famin. "Das hat dazu geführt, dass wir gewisse Schleifen bei der Überprüfung nicht drehen konnten." Mit anderen Worten: Alpine pushte so sehr und so lange, dass man nicht alles auf dem Prüfstand absichern konnte. Für 2023 wurde die Qualitätssicherung als Priorität eingestuft. Helfen wird der neu angeschaffte VTT (Virtual Test Track), über den Alpine seit Oktober verfügt.
Aus zwei Lagern wird ein Team
Der Einsatz hat sich gelohnt. Alpine verringerte den Abstand zur Konkurrenz. Das Gesamtpaket wurde konkurrenzfähiger. Es heißt, der neue Motor habe allein mehr als eine halbe Sekunde dazu beigetragen. Der Leistungsunterschied zu Ferrari, Red Bull und Mercedes ist auf wenige PS zusammengeschrumpft. "Der Motor kostet uns eine Zehntel. Maximal zwei", berichtet Alpine-CEO Laurent Rossi. Der restliche Rückstand zu Red Bull käme von aerodynamischen Defiziten.
Die auf Links gedrehte Power Unit mit geänderter Kühlung baut leichter und kompakter – und ist daher besser ins Auto integriert. Die Motoreningenieure trennten nach dem Vorbild von Mercedes Turbine und Verdichter des Turbos. Sie liegen nun jeweils auf einer Seite des Motors. "Der Split-Turbo ist der beste Beweis für unsere neue Herangehensweise. Dadurch konnten wir das Packaging verbessern, was zu einer deutlich verbesserten Aerodynamik führte."
Bei Alpine denkt man nicht wie früher in zwei Lagern, sondern als ein Team. Die Chassis-Abteilung in Enstone und die Motorensparte im französischen Viry haben das Silo-Denken abgelegt. Priorität hat das Team. "Es geht nicht der einen Seite um die Aero-Performance und der anderen um die Motorleistung. Wir denken nur an die Gesamtperformance des Autos. Alle Entscheidungen zum Auto werden so getroffen, dass wir möglichst viele Punkte einfahren."
Alpine zu Kompromissen bereit
Die gemeinsame Mission heißt "Annäherung an die Formel-1-Spitze". Dieses Ziel erreicht man nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Das soll bei Alpine der Fall sein. Famin und Teamchef Otmar Szafnauer gaben mit ihrer Ankunft vor der Saison 2022 den letzten Anstoß. Alpine first: Das soll sich auch beim 2023er Auto bemerkbar machen.
Zwar herrscht in der Formel 1 ein sogenannter "Engine Freeze". Das heißt allerdings nicht, dass in der Motorenentwicklung nichts mehr passiere. "Es gibt keinen echten Spielraum, mehr Leistung auszuquetschen. Per Reglement kannst du die Performance des Motors nicht verbessern", sagt Famin. Aber: "Wir können über Änderungen am Motor die Performance des Autos beeinflussen. Eine Möglichkeit dazu besteht beim Packaging." Also der Integration der Power Unit ins Auto.
Famin: "Wir können beispielsweise die Einlassleitung oder den Abgastrakt modifizieren, damit unsere Kollegen in Enstone drum herum eine bessere Aerodynamik stricken können." Die Motorenkollegen gehen Kompromisse ein, um der Chassisabteilung zu helfen. Das war beim 2022er Projekt so, und soll auch beim neuen Auto so sein.
Alpine will 2023 eine deutlich standfestere Power Unit bauen.
Ein Software-Update erlaubt
Bei der Power Unit selbst sind keine großen Sprünge zu erwarten. An der Fahrbarkeit darf gearbeitet werden. Und auch am Energiemanagement des Hybridsystems: Bereitstellung der Elektro-Power und Bunkern der Energie. "Die Gewinne sind begrenzt. Es ist nur ein Software-Update pro Jahr erlaubt." Über Verbesserungen an der Zuverlässigkeit könnte sich mehr machen lassen. Daran darf man, wie oben beschrieben, arbeiten. Eine bessere Standfestigkeit erlaubt schärfere Motoreinstellungen.
Es ist ein zweischneidiges Schwert. "Natürlich steckt hinter einer Verbesserung der Standfestigkeit oft auch eine Erhöhung der Leistung", weiß Famin. "Wo ziehst du da die Grenze? Unser Problem mit der Wasserpumpe ist sicher ein klares Zuverlässigkeitsthema." Alpine ging hier einen Schritt zu weit und ändert für 2023 das Konzept der Wasserpumpe. Man ist dazu gezwungen, weil es kein einheitliches Schadensmuster gab.
Es gibt jedoch Grenzfälle. "Wenn du an den Kolbenringen Änderungen vornimmst und sie stärkst, kannst du die Klopfgrenze verschieben." Das bringt mehr Power. 2022 ließ die FIA den Herstellern offenbar eine längere Leine – aufgrund des "Engine Freeze" und der Einführung von E10-Benzin. "Es gab von den vier Herstellern dutzende Anfragen", sagt Famin, der den Weltverband lobt. "Die FIA war sehr transparent. Die anderen Hersteller wurden detailliert unterrichtet. Ich schätze, 2023 wird die FIA allgemein strenger sein."
Alpine arbeitet an 2026er F1-Motor
Sollte die 2023er Power Unit wie erhofft deutlich standfester sein, will Alpine die Ressourcen verlagern. Auf den Neustart 2026. "Wir müssen erst sicherstellen, dass sich Probleme nicht wiederholen. Dann schichten wir größtenteils auf die Entwicklung des 2026er Motors um. Wir arbeiten daran bereits seit ein paar Monaten. Zunächst anhand des Reglemententwurfs. Inzwischen gibt es ja so etwas wie eine finale Version."
Parallel arbeitet Viry weiter an den Prozessen. "Der erste Schritt war die engere Verzahnung mit Enstone. Diesbezüglich haben wir ein gutes Level der Integration erreicht. Der zweite Schritt ist, die Prozesse zu vereinfachen und sind effizienter zu machen."
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