Nach drei Jahren auf Platz 5 in der Markenwertung war der vierte Rang in diesem Jahr Pflicht. Alpine-Chef Laurent Rossi erklärt warum: "Wir haben uns in diesem Jahr bestimmte Ziele gesetzt. Der Plan war eine neue Struktur im Team hochzuziehen, die mehr Innovationen abliefert. Der Plan war auch jedes Rennen Upgrades zu bringen, die das Auto besser machen. Beides wurde erfüllt. Deshalb war es am Ende nicht nur aus finanzieller Sicht wichtig das mit einem Resultat zu manifestieren. Das stärkt die Moral. Und es ist ein Zeichen, dass wir zur Spitze aufholen. Diesen ersten Schritt durften wir nicht verpassen."
Der Kampf mit McLaren ging bis zum letzten Rennen. Alpine hat ihn nach 22 Rennen um 14 Punkte gewonnen. Der Erfolg hatte viele Väter, aber auch einige Stolpersteine. Der Alpine A522 war im Schnitt das bessere Auto. Es gab keine Strecke, auf der er nicht funktionierte. Fernando Alonso und Esteban Ocon waren die ausgeglichenere Fahrerpaarung als Lando Norris und Daniel Ricciardo.
Das größte Handikap war die Zuverlässigkeit. McLaren legte12 363 Kilometer zurück und verzeichnete fünf Ausfälle, vier wegen Defekten. Alpine kam 11 844 Kilometer weit, sah acht Mal die Zielflagge nicht, sechs Mal davon mit technischen Pannen. Die Alpine-Fahrer mussten wegen Überziehen des Motorenkontingents je drei Mal Startplatzstrafen in Kauf nehmen, McLaren nur eine einzige für Lando Norris.

Stabiler Abtrieb der Schlüssel
Nach den Winter-Testfahrten sah es noch nicht nach einem Alpine-Revival aus. Doch das Upgrade-Programm der Ingenieure in Enstone zog das Team aus dem Sumpf. In 17 der 22 Rennen kamen neue Teile ans Auto. Nie das ganz große Paket wie bei McLaren in Barcelona, Paul Ricard, Spa und Singapur. Doch dafür punktgenau in den Problemzonen des Autos. Die Seitenkästen mutierten über das Jahr zu einer Kreuzung zwischen Red Bull und Ferrari. Vom Unterboden gab es vier Familien mit verschiedenen Derivaten. Der letzte Boden trug das Kürzel 4B.
Alpine schaffte im Kleinen, was Red Bull an der Spitze auszeichnete. Die Ingenieure verstanden ihr Auto. Es wurde in kleinen Schritten statt in großen Portionen schneller gemacht. Am Ende des Jahres kam der Alpine sogar den Topteams etwas näher. Alonso und Ocon konnten den Abstand hin und wieder unter eine Sekunde drücken.
Technikchef Matt Harman und seine Truppe zogen die richtigen Schlüsse aus Autos, die nach anderen Gesetzen funktionierten als ihre Vorgänger. Priorität hatten nicht mehr die absoluten Abtriebswerte sondern die aerodynamische Stabilität. "Wir haben versucht Spitzen im Anpressdruck zu vermeiden. Das hat uns auch geholfen, das Bouncing weitgehend fernzuhalten." Stabiler Abtrieb wurde deshalb ein noch wichtigeres Thema als früher, weil der Unterboden plötzlich einen viel größeren Beitrag lieferte. Damit wirkten sich Stabilität oder Instabilität auch viel stärker auf das Fahrverhalten aus.
Null Übergewicht das Ziel für Alpine
Eine der größten Aufgaben war das Abspecken von Gewicht. Alpine ist über die Saison zwischen sieben und acht Kilogramm losgeworden und liegt wie so viele immer noch nicht am Limit. "Unter dem Kostendeckel ist das ein extrem schwieriger Job", gibt Harman zu. Gerade wenn man Probleme mit der Standfestigkeit hat und praktisch jedes Rennen neue Teile ans Auto kommen. Da legt man eher zu als das man abnimmt.
Harman ist aber zuversichtlich, dass im nächsten Jahr eine Null auf dem Übergewichtskonto steht. "Wir haben jetzt mehr Erfahrung und wissen, wo wir ansetzen müssen. Zum Beispiel bei der Kühlung, bei der wir etwas zu großzügig waren."
Bei Kollisionen erwies sich der A522 stabil wie ein Panzer. "Die anderen scheiden aus, wir fahren weiter", staunte Alonso gleich mehrmals in der Saison. Die Ingenieure bestreiten jedoch, dass es Teil des Plans war ein speziell robustes Auto zu bauen. "Wir entwickeln unser Auto nicht, damit es Unfälle übersteht. Die Aufhängungen wurden in diesem Jahr automatisch stärker, weil die Autos härter gefedert sind und mehr Stöße wegschlucken müssen."

Neuer Renault-Motor als Türöffner
Die Zuverlässigkeit jedoch muss besser werden. Viele Defekte traten im Umfeld des Motors auf. Da machte Renault die gleichen Erfahrungen wie Ferrari. Man musste in einem Winter massiv Leistung finden um vor dem Einfrieren der Entwicklung auf das Niveau der anderen zu kommen und hat dafür einen Preis bezahlt. Die meisten Fehlerquellen sind identifiziert und werden im nächsten Jahr nicht mehr auftreten. Arbeiten an Problemzonen sind weiter erlaubt.
Die neue Antriebseinheit war für die Chassisingenieure eine Art Türöffner. Neben der Leistung wurden auch in Bezug auf die Abmessungen, das Gewicht, den Kühlbedarf und die Steifigkeit große Fortschritte erzielt. Das hat beim Konzept des A522 mehr Freiheiten gestattet.
Beim Topspeed lag Alpine meistens im vorderen Drittel. Die Aerodynamik war wie beim Red Bull extrem effizient. Dass der Red Bull auf den Geraden trotzdem noch um eine ganze Ecke schneller war, treibt Harman nicht besonders um: "Wir werden nächstes Jahr Lösungen haben, das zu egalisieren." Das wird man auch brauchen, um das nächste Ziel in Angriff zu nehmen. "Der Sprung von Platz 5 auf 4 war schon schwer", blickt Harman zurück und warnt. "Dritter statt Vierter zu werden ist noch einmal eine Stufe härter. Da müssen wir uns als gesamtes Team steigern."