Der Vorsprung schmilzt. Alfa Romeo liegt nach dem GP Japan nur noch sieben Punkte vor Aston Martin. Der britische Rennstall hat in den letzten beiden Grands Prix 20 Zähler eingefahren. In den letzten neun deren 29. Alfa hat in dieser Zeitspanne nur einen einzigen Zähler gutgeschrieben bekommen. 52 Punkte hat das Schweizer Team vier Rennen vor Saisonende auf dem Konto. 51 davon hat man bis zum GP Kanada, dem neunten Saisonrennen, eingefahren.
Die Vorteile aus der ersten Saisonhälfte sind verschwunden. Der C42 lag mit Saisonbeginn am Mindestgewicht. Sogar darunter. So konnten die Ingenieure mit Ballast arbeiten, um das Auto besser auszubalancieren. Inzwischen ist der Gewichtsvorteil geschrumpft. Viele Konkurrenten haben über das Jahr hinweg zehn Kilogramm oder mehr abgespeckt. Das allein brachte dreieinhalb Zehntel, die Alfa nicht mehr in Reserve hatte. Ein zweites Manko: Alfa-Sauber ist bei den Reifen nicht mehr so treffsicher.
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Unterboden-Update für Austin
Hinwil machte in der Frühphase Druck bei der Entwicklung. Es zahlte sich aus. Dann herrschte für längere Zeit Flaute, was Neuentwicklungen anbetraf. Die Gegner holten auf. Alfa schöpft den Budgetdeckel nicht aus. Bis zur Obergrenze sollen 2022 etwa zehn Millionen US-Dollar liegen. Das Geld fehlt für die Entwicklung. Und ein kleines Team kann nicht so schnell Teile produzieren.
Beim GP Japan legte Sauber erstmals wieder in größerem Stil nach. Die Ingenieure kürzten die Nase, die deshalb noch einmal durch den Crashtests musste. Und sie backten einen neuen Frontflügel. Dazu kamen neue Teile im unsichtbaren Bereich. In Austin will man am Unterboden nachbessern. Kleinigkeiten, wie es heißt.
Der neue Vorderbau brachte einen zufriedenstellenden Fortschritt. "Er erhöht allgemein etwas den Gesamtanpressdruck. Und er verschafft uns eine bessere Balance zwischen langsamen und schnellen Kurven", erklärt Einsatzleiter Xevi Pujolar. Punkte blieben dennoch aus. Weder Qualifikation noch Rennen liefen nach Plan. In der Qualifikation gab die Elektromaschine im Auto von Valtteri Bottas zwischen den Kurven sieben und acht nicht ausreichend Leistung ab. Das Problem mit dem ERS kostete Schwung – und die entscheidenden Bruchteile auf der Uhr. Bottas schrammte um 53 Tausendstel am Q3 vorbei.
Frontflügel verlangt Feintuning
Eine Schwachstelle sind die Starts. Da fällt der Finne fast immer zurück. Teilweise dramatisch. In Suzuka ging es für ihn von Platz zwölf auf 14 nach hinten. Mit der Punktevergabe hatten weder Bottas noch Guanyu Zhou im Regenrennen wirklich etwas zu tun. Sie landeten auf den Positionen 15 und 16.
In den letzten vier Rennen wird Alfa-Sauber nochmals punkten müssen. Sonst droht Aston Martin im Schlussspurt noch durchzurutschen. Der Rückfall auf den siebten Platz in der Team-WM würde Alfa mehrere Millionen US-Dollar an Prämien kosten. Einem Team, das unterhalb der Budgetobergrenze operiert, tut das doppelt weh. Mit den Millionen für einen sechsten Platz würde man 2023 am Kostenmaximum operieren. Der Budgetdeckel redzuiert sich nächstes Jahr auch leicht.
Der neue Frontflügel verlangt nach Feintuning. Weil er die Strömung von vorn bis nach hinten beeinflusst. Der Trainingsfreitag von Suzuka fiel ins Wasser. "Eigentlich wollten wir mit Strömungsgittern fahren. Das konnten wir vergessen", führt Pujolar aus. Dass das Update trotzdem auf Anhieb funktioniert, hat mit guter Vorbereitung zu tun. "Unsere Fahrer sind damit viel im Simulator gefahren."
Die Werkzeuge liefern verlässliche Daten. Schmerzhaft ist für Alfa-Sauber, dass das zweite Training in Austin zum Reifentest erklärt wird. Und das in Mexiko gleich mit. Das schränkt die Übungszeit ein, weiter Feintuning zu betreiben.
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Neues Chassis oder nicht?
Noch haben es nicht alle Teams ans Gewichtslimit geschafft. Die Großen wie Red Bull, Ferrari und Mercedes beispielsweise sollen noch drüberliegen. Mercedes offenbar noch ziemlich weit. Wem es so ergeht, der kann im Winter durch ein neues Leichtgewichtschassis abspecken. Red Bull soll ein solches ja bereits gebaut, aber noch nicht eingesetzt haben.
Teams, deren Autos am Mindestgewicht kratzen, werden sich zwei Mal überlegen, ob sie überhaupt ein neues Chassis backen. Zwei, drei Kilo lassen sich auch auf anderen Wegen abfeilen. Wer bereits drunter liegt und mit Ballast arbeitet, für den ist die Versuchung am größten. Alfa-Sauber zählt zu ihnen. Hier steht man vor der Frage, ob man sich den Bau eines neuen Chassis nicht besser komplett spart. Und das Geld besser in andere Bereiche der Fahrzeugentwicklung investiert.
Die Ingenieure müssen abwägen: Wo steckt man das Geld am sinnvollsten rein? Was bringt am meisten Rundenzeit? Wie viel Spielraum hat man sich mit der aktuellen Architektur gelassen, um beispielsweise mit der Anordnung der Kühler spielen zu können, sollte man dort auf etwas bei der Entwicklung gestoßen sein. An der Power Unit wird sich nichts ändern. Die ist seit September homologiert.
Die Entscheidung – ob neues Chassis oder nicht – muss eigentlich schon getroffen worden sein. Tragende Bauteile wie das Monocoque haben eine lange Vorlaufzeit. Sie werden rund um den Oktober für die nächste Saison abgesegnet. Verraten wird es kein Team. Da werden die Fans bis zu den Präsentationen im Februar 2023 warten müssen. Und dann müssen sie darauf hoffen, dass die Teams es auch tatsächlich kommunizieren.