Pirelli rief, und alle fuhren. Jedes Team hatte zwei Tage nach dem Saisonfinale der Formel 1 in Abu Dhabi zwei Autos am Start. Das Stammpersonal testete fünf der sechs Mischungen der 2025er-Reifen, die Rookies zum Vergleich die aktuellen Versionen. 23 Fahrer spulten zusammen 2.578 Runden oder 13.614 Kilometer im Dienst von Pirelli ab.
Der italienische Reifenhersteller verfolgt mit den letzten Reifen der aktuellen Generation drei Ziele: weniger Verschleiß, eine geringere thermische Abnutzung und deutlichere Unterschiede zwischen den einzelnen Mischungen. Bei zwei Punkten ging der Daumen nach oben. "Wir sahen eine verbesserte mechanische Widerstandsfähigkeit mit weniger Gummiabrieb und eine deutliche Abgrenzung der Mischungen C2, C3, C4 und C5. Sie liegt wie gewünscht bei einer halben Sekunde von Mischung zu Mischung", resümierte Pirelli-Sportchef Mario Isola den letzten Test des Jahres.
Bei Asphalttemperaturen von über 40 Grad war es schwer, verlässliche Aussagen über die Hitzeresistenz der neuen Reifen zu machen. Pirelli hatte aber schon bei Testfahrten im Vorfeld festgestellt, dass man sich mit den neuen Konstruktionen auch da auf einem guten Weg befindet.

Abu-Dhabi-Sieger Lando Norris drehte beim Test seine Runden im McLaren MCL38.
McLaren lässt Stammfahrer antreten
Für die Teams war es eine Gelegenheit, das Setup an die neuen Reifen anzupassen und die Simulationen in die neue Richtung zu modifizieren. Für die Piloten ein Arbeitstag, sich an das neue Fahrgefühl zu gewöhnen. Trotzdem schenkten sich Verstappen, Hamilton, Alonso, Stroll, Gasly und Albon die Fleißaufgabe. Sie flogen lieber in den Urlaub.
Carlos Sainz, Nico Hülkenberg und Esteban Ocon fuhren schon für ihre neuen Teams. Im Red-Bull-Pool wurde eifrig rotiert, auch mit dem Fokus, wie man am besten das Perez-Auto besetzt. Yuki Tsunoda und Isack Hadjar nahmen in den beiden Red-Bull-Cockpits Platz, Liam Lawson und Ayumu Iwasa saßen in den zwei Toro Rosso.
Bei McLaren wechselten sich die Stammpiloten Lando Norris und Oscar Piastri in einem Auto ab. Ein Zeichen, wie wichtig der Konstrukteurs-Weltmeister die nächste Saison nimmt. Im Gegensatz zum Rennen reduzierte McLaren für den Test den Abtrieb. In der Topspeed-Tabelle rangierte Piastri mit 332,2 km/h ganz vorne. Charles Leclerc vertrat Ferrari, George Russell Mercedes. Aston Martin schickte Felipe Drugovich in Vertretung des Stammpersonals an die Front.

Liam Lawson war beim Abschluss-Test der fleißigste Pilot und spulte die meisten Kilometer ab.
Lawson mit Kilometer-Rekord
Fleißigster Fahrer war Liam Lawson. Der Neuseeländer wickelte in den neun Stunden Testzeit 159 Runden oder 840 Kilometer ab, gefolgt von Carlos Sainz und Felipe Drugovich (je 146), Jack Doohan, Charles Leclerc und George Russell (je 134). Die Rundenzeiten waren zweitrangig. Longruns hatten Priorität. Charles Leclerc unterstrich mit der schnellsten Zeit des Tages von 1.23,510 Minuten, dass Ferrari in Abu Dhabi gut aufgestellt war.
Da der Test am Tag stattfand, konnten die Rundenzeiten nicht mit dem GP-Wochenende konkurrieren. Leclerc und Sainz fuhren ihre schnellsten Runden auf dem neuen C5-Reifen. Russell und Ocon probierten dagegen Pirellis neuen Superkleber C6 aus, der eigentlich nur für Strecken wie Monte Carlo oder Singapur gedacht ist. "Bei den hohen Temperaturen war der dritte Sektor bei einer schnellen Runden mit dem C6 eine Herausforderung", berichtete Isola. "Wir konnten in der Passage mit den vielen Kurven, in denen Traktion verlangt ist, schon einen deutlichen Gripverlust feststellen.

Der am Wochenende noch fiebrige Andrea Kimi Antonelli (links) konnte im Mercedes einige Runden drehen. Vater Marco stand zur Seite.
Vom Krankenbett in den Mercedes
Gabriel Bortoleto startete zwei Tage nach dem Formel-2-Titel seine Formel-1-Karriere bei Sauber. Der Brasilianer braucht dringend Kilometer, weil er bis jetzt kaum Formel-1-Autos gefahren ist. Bei McLaren kam er nur auf einen Testtag in einem 2022er-Auto. Bortoleto spulte im Sauber 130 Runden ab und stellte fest, dass die höchste Spielklasse eine andere Nummer ist als das, was er gewohnt war: "Diese Formel-1-Autos sind so viel schneller als die Formel 2. Für mich ging es an meinem ersten Arbeitstag nur darum, mich anzupassen und zu lernen. Das ist mir ganz gut gelungen."
Während Bortoleto auf 130 Runden kam, war das Pensum des neuen Mercedes-Fahrers Andrea Kimi Antonelli wesentlich bescheidener. Der 18-jährige Italiener sprang erst am Nachmittag in den Silberpfeil, drehte 62 Runden und setzte mit der fünftschnellsten Zeit nur 84 Tausendstel hinter Teamkollege Russell gleich einmal eine Duftmarke. Eigentlich sollte Antonelli den ganzen Tag fahren, doch das Wunderkind erholte sich nur langsam von einer Krankheit, die ihn ab Samstag mit bis zu 41 Grad Fieber ans Bett fesselte. Die Formel-2-Rennen musste er auslassen.

Ferraris Simulatorfahrer Antonio Fuoco steuerte den SF-24 in Abu Dhabi.
Simulatorfahrer frischen Fahrgefühl auf
Für die Rookies ohne feste Anstellung wie Ayumu Iwasa, Patricio O'Ward, Paul Aron, Luke Browning, Arthur Leclerc und Jak Crawford war es eine willkommene Gelegenheit ihre Träume weiter zu träumen. Iwasa war mit 1.24,100 Minuten der schnellste von ihnen. Der Japaner hatte schon im ersten Freitagstraining Gelegenheit, sich mit dem Toro Rosso anzufreunden. Alpine-Ersatzfahrer Paul Aron war auf Anhieb gleich schnell wie Jack Doohan. Für den Australier ein Warnschuss. Bei Flavio Briatore kann sich keiner sicher sein, morgen den Platz zu behalten, den man heute noch hat.
Auch zwei Simulatorfahrer machten sich auf die Reise nach Abu Dhabi. Für Frederik Vesti (Mercedes) und Antonio Fuoco (Ferrari) ging es nicht um Rundenzeiten oder Dauerläufe. Sie mussten ihre Sinne schärfen, um zu Hause die Simulatoren an die neuen Reifen und die aktuellen Autos anzupassen. Fuoco flog gleich nach dem Test nach Hause, um am Mittwoch in Maranello sein Fahrgefühl im richtigen Auto mit den Eindrücken im Ferrari-Simulator zu korrelieren.

Nico Hülkenberg nahm erstmals im Sauber Platz und wurde am Ende Vierter.
Sainz und Hülkenberg setzen Zeichen
Für Carlos Sainz und Nico Hülkenberg ging es auch darum, ein Zeichen für ihre neuen Teams zu setzen. Williams-Neuzugang Sainz war nicht nur einer der fleißigsten Fahrer, er zeigte auch mit der zweitbesten Zeit, dass er die neue Aufgabe ernst nimmt. Für Williams war es ein Lichtblick nach einer selbstzerstörerischen Unfallserie.
Auch Nico Hülkenberg demonstrierte Sauber auf Anhieb, was er wert ist. Mit 1.23,856 Minuten war er Viertschnellster, nur dreieinhalb Zehntel hinter der Bestzeit. Das macht im Team gleich gute Laune. Ein Insider berichtet: "Wir haben nicht nur beim Auto ein Upgrade gebraucht, sondern auch bei den Fahrern."
Hülkenberg glich seine auf Haas gepolten Sensoren mit dem Fahrgefühl im Sauber ab. Für ihn ist es gewissermaßen ein Déjà-vu. Vor einem Jahr war Haas so weit vom Mittelfeld entfernt wie heute Sauber. Doch sein neuer Rennstall hat in den letzten zwei Rennen die Kurve gekriegt und gezeigt, dass das Haas-Wunder wiederholbar sein kann. "Es war ein positiver Start", kommentierte der Veteran seinen ersten Arbeitstag für das künftige Audi-Team. "Wir haben Grundlagenforschung betrieben und begonnen als Team zueinanderzufinden. Es war hilfreich, einen ersten Eindruck vom Auto zu bekommen. Ich freue mich darauf, auf diesem Schwung im neuen Jahr aufzubauen."