Dasha starb eines kurzen und grausamen Todes, und die gleichnamige Tochter hat auch schon bessere Tage gesehen. Übersät mit Schrammen und Narben - zerschmetterte Karbonfasern im Spiegel, die Türklinke hängt nur noch an einer Sehne -, jubelt die kleine Dasha begeistert mit 4.000 Touren und hetzt kurz darauf mit scharrenden Rädern vorwärts, um ihre Begeisterung in kürzester Zeit auf ihren Reiter zu übertragen.
Dasha Junior ist der Kosename für den Skoda Fabia Super 2000 des Red-Bull-Teams, des ersten Kundenautos, das aus dem Stammwerk in Mlada Boleslav an einen Kunden ging. Verzeihung, das zweite Auto, denn das erste war Dasha Senior, das sein Stammpilot Patrick Sandell in Portugal kopfüber an einen Felsen warf.
Der Skoda Fabia Super 2000 ist ein heißes Eisen im Rallye-Sport
Die Nachfolgerin kommt gerade von der Rallye Akropolis und trägt noch die Spuren eines vergeblichen Kampfes. Die Red-Bull- Truppe war mit dem früheren Junioren-Weltmeister Sandell ausgezogen, um die Produktionswagen-WM zu verteidigen, doch eine durchgebrannte Zündspule vereitelte den möglichen Sieg. Vor dem Finale in Wales bleiben Sandell nurmehr theoretische Chancen. Er muss gewinnen und auf einen Totalausfall der Konkurrenz hoffen. Aufkeimende Gedanken, sport auto teste nun aus Mitleid auch Verlierer-Typen, sind fehl am Platz. Dasha und ihre Werks-Geschwister sind zurzeit, abgesehen von den World Rally Cars, die heißesten Eisen im Feuer des Rallye-Sports.
Die im Vorjahr mit einem Gruppe-N Mitsubishi noch mühsam errungene Produktionswagen-WM schien das Red-Bull-Team 2009 im Handstreich zu nehmen. Sandell siegte mühelos zum Auftakt in Norwegen und ein paar Wochen später in Zypern. Erst der Portugal-Crash und eine defekte Zündspule in Griechenland könnten am Ende den Titel kosten. Die Gegner in ihren seriennäheren Geräten à la Lancer Evo IX und Impreza WRX stöhnten, man könne gegen die reinrassige Renntechnik der Super-2000-Flöhe nicht mehr gewinnen
Die Gruppe N-Autos tun sich beim Fahrwerk und Bremsen schwerer
Tatsächlich treten beide in der gleichen Klasse an. Ein Gruppe N ist aber 250 Kilo schwerer und tut sich in puncto Bremsen und Fahrwerk vor allem auf Asphalt extrem schwer gegen die S2000-Fraktion, deren Chassis wie die World Rally Cars mit großen Freiheiten auf Rohkarossen aufgebaut werden. Nur bei den Motoren sind die Gruppe-N Geräte im Vorteil. Ihre Zweiliter-Turbos haben mit 280 PS nicht mehr Leistung als die Zweiliter-Sauger, die den Super 2000 ihren Namen gaben. Sie schieben aber dank Aufladung mit über 500 Newtonmetern Drehmoment, Dasha schafft lediglich die Hälfte.
Bei 8.500 Umdrehungen regelt der Begrenzer des Skoda ab
Entsprechend ist die Leistungsentfaltung im Skoda eher digital. Unter 7.000 Touren dreht der Fabia nur akustisch mächtig auf, darüber heißt es schnell sein. Schon bei 8.500 Umdrehungen riegelt der Begrenzer ab, und ein eiliger Griff zum Schaltstock des sequenziellen Sechsganggetriebes ist gefragt. Vor allem bergauf muss der Fahrer viel Schwung mitnehmen, um nicht zwischen den gelben und roten Leuchtdioden der Schaltlampe zu verhungern. Die Super 2000 verlangen einen sehr präzisen Fahrstil, das geringe Drehmoment reicht nicht aus, die Fuhre bei ausladenden Drifts mit beherztem Tritt aufs Pedal und zügigem Gegenlenken ohne Zeitverlust auf die nächste Gerade zu schießen. Dabei ist Driften im knapp vier Meter kurzen Fabia fast leichter als die kontrollierte Geradeausfahrt. Schon das geringste Aufschaukelmanöver quittiert das Heck mit einem enthusiastischen Ausfallschritt. Der Fabia ist kinderleicht quer zu fahren und wirkt selbst im Vergleich mit den ausgefeilten Allradern der WRC agiler.
Dabei kommt im Super 2000 regelbedingt eher archaische Technik zum Einsatz. Getriebe und Antriebsstrang sind Einheitsteile, ein teueres Mitteldifferenzial ist komplett verboten - der Fabia fährt wie seine Konkurrenten Peugeot 207 oder Fiat Grande Punto mit starrem Durchtrieb. Auch das Gewicht prädestiniert ihn nicht gerade für höchste Beweglichkeit. Die eigentlich für 1.100 Kilogramm konzipierten Super 2000 mussten zur besseren Chancengleichheit gegenüber den Gruppe-N Autos Gewicht aufsatteln. So wiegt auch ein kleiner Fabia nun 1,2 Tonnen. Um die gut zu verteilen, hat Red-Bull-Chefingenieur Dietmar Metrich einen Teil der Pfunde auf den hinteren Unterbodenschutz geschraubt, so ist die Gewichtsverteilung nahezu hälftig verteilt. Dabei hilft auch die Sitzposition der Insassen, die wie in einem Renntourenwagen über 20 Zentimeter weiter nach hinten geschoben wurden. Nur Anfänger schnallen sich an und versuchen dann, ihre auf dem Instrumentenbrett liegenden Handschuhe zu erreichen.
Der Zweiliter-Motor der Skoda Fabia S 2000 kommz von Oreca
Verglichen mit früheren Sportgeräten aus dem Hause Skoda wirkt der Fabia äußerst clever und konsequent durchkonstruiert. Er trägt die Handschrift des seit zwei Jahren inthronisierten neuen Sportchefs Michal Hrabanek. Dieser hat sich zügig vom früheren Eigenbrödlertum der Tschechen verabschiedet und möglichst viele Experten von außen um sich geschart, um - ohne großen Zeitdruck - ein Top-Auto auf die Beine zu stellen. So kommt der Zweiliter-Motor aus der französischen Schmiede Oreca, die mit Seat bereits die Tourenwagen-WM dominiert. Für das Chassis sicherte man sich unter anderem die Dienste des früheren Mitsubishi-Chefdesigners Mario Fornaris.
"Man muss sich den Gegebenheiten des Geschäfts anpassen", sagt Hrabanek angesichts seiner Söldnertruppe, und der Erfolg gibt ihm recht. Schon beim Debüt bei der Rallye Monte Carlo ohrfeigte der finnische Neuzugang Juho Hänninen die Gegner mit Bestzeiten, bis er im Eifer des Gefechts sein Auto zerstörte. Abgesehen vom Briten Chris Meeke in seinem Peugeot kann in der eigens für S2000-Autos geschaffenen Intercontinental Rally Challenge IRC niemand das Tempo der Skoda mitgehen. Der Fiat ist mit vier Jahren zu alt, der Peugeot ist auch nicht mehr der Jüngste.
Rallye-Konkurrenz von Citroen und Ford
Erst wenn Citroën und Ford ihre Super 2000 im kommenden Jahr in die Schlacht werfen, wächst ein ernsthafter Gegner für Dasha und ihre Schwestern heran. Für die WRC-Platzhirsche ist die Entwicklung eines Super 2000 für Kunden eine Fingerübung. Der Motorsport-Weltverband FIA hat diese Fahrzeugklasse ab 2011 zur Basis für die künftige Kategorie der World Rally Cars erklärt. Schon üben sich diverse WRC-Fahrer wie Petter Solberg in Ausflügen in Super- 2000-Autos, die mit rund einer Viertelmillion maximal halb so teuer sind wie ein gutes World Rally Car. Lediglich das fehlende Drehmoment bemängelt die WRC-Fraktion. Die FIA will Abhilfe schaffen, indem sie für die künftigen Autos 1,6-Liter-Turbos zulässt.
Bis das neue technische Reglement steht, darf der Saugmotor-Fabia in den zweiten Ligen PWRC und IRC noch eine Weile die Konkurrenz verdreschen. In der IRC schlug Lokalmatador Jan Kopecky im Werksauto die Gegner bei der Barum-Rallye, in der WM fuhr Werksfahrer Juho Hänninen als Gaststarter in Finnland Kreise um die Konkurrenz. Dabei bescheinigt der Finne, dass abgesehen von den 25 Kilo schwereren Einheitsreifen im PWRC-Auto gegenüber seinem Werks-Gerät in der IRC kein qualitativer Unterschied bestehe. Kein Wunder - Red-Bull-Teamchef Raimund Baumschlager leistete als Testfahrer einen wichtigen Teil der Entwicklungsarbeit und wird in puncto Teileversorgung vom Werksteam zuvorkommend behandelt.
So verlieh er auch die junge Dasha ohne Furcht an den Gastfahrer von sport auto. Für andere ist der schwer gefragte Skoda Fabia schwer zu bekommen, Baumschlager hat für den Fall der Fälle längst ein zweites Auto in der Garage stehen. Vielleicht gerät ja sogar eines der blauen Autos 2010 in die Hände eines Deutschen. Zumindest hat Nachwuchsmann Hermann Gaßner Junior demnächst einen Termin bei Sponsor Red Bull.