Kaum zu glauben. Wuchernde Kotflügelverbreiterungen, Slicks, Käfig, karges Interieur – und das das: Vorrangig wolle man eine emotionale Antriebstechnik für straßenzugelassene Kleinserien-Fahrzeuge vorstellen, erklärt Simon Opel, Leiter Sonderprojekte Motorsport bei Schaeffler. „Dass wir uns für einen Audi RS3 TCR als Basis entschieden haben, liegt daran, dass der schon so schön leergeräumt ist. Das hat uns Arbeit erspart.“ Die Arbeit, die hat nun derjenige, der hinterm Lenkrad sitzt. Schon auf den ersten Metern, nachdem das Projektfahrzeug aus der Boxengasse des Hockenheimrings auf die Strecke rollte, wirbelt es die Sinne durcheinander.

Was heult da so? Die Ölpumpen der Trockensumpfschmierung, die dafür sorgt, dass die vier geradeverzahnten, differenziallosen Einganggetriebe arbeiten können. Je zwei Motoren aus dem Abt-Schaeffler-Formel E-Monopostos der Saison 2016/17 bilden je eine Antriebsachse, entwickeln 220 kW und 320 Nm, drehen bis zu 14.000/min. Sie wiegen jeweils nur 25 Kilogramm. Woher dann das Fahrzeuggewicht von 1,8 Tonnen kommt? Vom 64 kWh-Akku. Was aber auch ziemlich egal ist, denn es fühlt sich hier drin nicht mehr so an, als ob du auf eine Kurve, eine Schikane, das Ende einer Gerade zufährst. Nein. Du bekommst es einfach vor den Latz geknallt. Anschwellendes Heulen, zack, dann ist wieder irgendwas da. Bremsen, Einlenken, Gas geben, was auch immer. Immer rasend schnell. Alles das, auf was du sonst mehr oder minder vehement zu beschleunigst, materialisiert sich nun einfach vor dir. Der Bremspunkt der 90 Grad-Kurve, die sich über die engere Links in der Parabolica auflöst, beispielsweise.

Rennwagen mit überirdischen Kräften
Bremsen ohne Bremskraftverstärker und ABS, Beschleunigen ohne Traktionskontrolle (kommt alles noch, sagt Opel). Einzig die clevere Leistungssoftware jongliert mit der überirdischen Kraft so geschickt, dass sich die Slicks nicht sofort in Rauch auflösen. Derzeit richtet der von Schaeffler bei Abt Sportsline aufgebaute 4ePerformance den GP-Kurs mit einer Antriebsmoment-Verteilung von 40 zu 60 zugrunde, zieht beispielsweise an der lange Rechts nach der Mercedes-Tribüne vier schwarze Striche auf den Asphalt. Kein Rennwagen? Oh doch. Natürlich. Zumindest in der aktuellen, frühen Projektphase. Für ein Straßenfahrzeug muss die Software die Leistung so unter Kontrolle bringen, dass die Reifen nicht einfach implodieren.
Die Slicks jedoch halten wacker. Sehr wacker. So wacker, dass du den TCR-Renner inzwischen wie selbstverständlich in die Kurven wirfst, dich darauf einlässt, dass bei mittleren Radien das Heck drückt, bei engen hingegen schon mal Leistungsuntersteuern droht. In der Links vor der Mercedes-Tribüne beispielsweise. Dann bist du aber auch schon wieder schneller, als du es mit einem Einzelstück dieser Art sein solltest. Denn du fühlst dich sicher, fährst rund, homogen, was für die Arbeit der Ingenieure spricht.
Hey, auf jedes Rad wirkt ein Motor mit so viel Leistung, für die sich mancher Sportwagen entleiben würde. Hätte also auch ein Hampelmann werden können. Ein sehr zorniger. Jetzt aber ist es ein Rennwagen, selbst wenn extra noch der Tourenwagen-Heckflügel demontiert wurde. Das mit der Technologie für Straßenfahrzeuge indes – nur schwer zu glauben. Doch was es auch immer mal wird: In der dritten schnellen Runde wurde dem hinteren der beiden Akkus zu heiß. Ende der Vorstellung. Hoffentlich dauert es nicht lange, bis Simon Opel und sein Team dafür eine Lösung entwickeln und sich der Vorhang wieder hebt. Und gerne wieder auf der Rennstrecke.