Fahrbericht: Porsche 911 Speedster (2019)

Porsche 911 Speedster (2019)
:
Nur über der Gürtellinie gespart

© Rossen Gargolow

Der neue 911 ist schon da, also wird es Zeit, die alte Baureihe würdig zu verabschieden. Nun, das ist überaus gelungen mit dem Speedster der Baureihe 991. Und was sind schon 279 000 Euro für ein Auto, das wohl bald unbezahlbar sein wird?

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Der Speedster ist genau das Auto, für das man es hält, aber dann auch wieder nicht. Er ist der Höhe- und Schlusspunkt der Baureihe 991. Und dann wiederum trotz der auf 1948 Exemplare limitierten Auflage kein Wagen für die Show, keines zum Wegstellen, sondern eines zum Wegfahren. Er basiert auf dem GT3 Touring und dem 911 R – beides Autos, die ebenfalls die Truppe entwickelt hat, die sich sonst um die GT-Versionen der Marke kümmern. So schleppt auch der Speedster nichts Verzärteltes mit sich herum. Keine elektrische Dachbetätigung, keine Sitzheizung, ja nicht mal eine Lehnenverstellung, kein Doppelkupplungsgetriebe. Und vor allem: keinen Turbolader.

Schnelleres Ansprechen schwer vorstellbar

Denn im Heck wütet der Vierliter-Saugboxer mit seinen sechs Zylindern. Trotz Ottopartikelfilter leistet er nun mit 510 noch mal zehn PS mehr – das gelang unter anderem durch den Einsatz von Einzeldrosselklappen, mit denen das Gemisch noch effektiver verwirbelt, die Füllung so verbessert und die Verbrennung optimiert wird. Er spreche zudem nun noch etwas an, der Motor und der Antrieb als solcher, weil auch das Zweimassenschwungrad ein paar Gamm abgefeilt bekam, informiert Porsche. Noch schnelleres Ansprechen? Ist erst mal schwer vorstellbar, spricht doch schon das bisherige Triebwerk so spontan an wie ein Lichtschalter.

Porsche 991 Speedster Fahrbericht 7:17 Min.

Die ganze Kraft sortiert das manuelle Sechsganggetriebe an die Hinterräder, denen dabei das Sperrdifferenzial assistiert. Die Heckabdeckung aus CFK, zehn Kilo leicht, gilt es noch zu erwähnen, das optionale Heritage-Paket für beherzte 21.634 Euro samt Zweifarb-Look sowie frei wählbarer, zweistelliger Startnummer auf den Türen. Oder auch die Tatsache, dass der erwählten Kundschaft mit dem Erwerb des Speedsters angeboten wird, zusätzlich die passende Armbanduhr für 9.950 Euro gleich mit zu kaufen. Nun aber wollen wir nicht mit solchen Nebensächlichkeiten verweilen, sondern loseilen.

© Rossen Gargolow

Im Grunde setzt er sich aus drei Modellen zusammen. Der verstärkte, breitspurige Rumpf stammt vom Carrera 4 Cabrio, Fahrwerk und Antrieb decken sich weitestgehend mit dem GT3 Touring, die kohlefasernen Karosserieteile im Frontbereich spendete der 911 R.

Dazu aber erst mal das Dach auf: Ein kleiner Tastendruck, dann entriegelt das Softtop am gekürzten Frontscheibenrahmen, dazu klinken die seitlichen Dachdreiecke aus und die Heckabdeckung entriegelt. Jetzt die Abdeckung von Hand nach hinten ziehen, wieder vor ans Verdeck und es hinter die Sitze klappen, dann erneut ans Heck, die Abdeckklappe sacht zudrücken. Fertig. Jetzt wieder rein auf den klemmigen Schalensitz: Zündschlüsseldreh, Anlasserwuchten, Zündungsbrüllen, Leerlaufwummern. Kupplung, erster Gang, Kupplung kommt. Los.

Gleich auf den ersten Metern merkst du, wie spielfrei der Speedster zusammengebaut ist. Er ist besonders verwundungssteif, Fahrwerk und Lenkung sind so pufferfrei-fest ans Auto gebunden, du hörst die Mechanik: Getriebe, Motor, spürst jeden Millimeter der Kupplung. Da gibt es kein Nebenbei, der Speedster konzentriert das Fahren auf das Erlebnis des Fahrens.

Enorme mechanische Präzision

Und ja, das liegt zu allererst an diesem grandiosen Motor. Schon wenn du nur den kleinen Zeh krümmst, legt der Vierliter mit einer ansatzlosen Vehemenz los, für welche herkömmliche Kompaktautos schon ihr ganzes Leistungspotenzial aufbrauchen. Dabei beißt der Boxer gleich richtig los, dreht homogen, bei 4.000 Touren schnappt er dann aber erst richtig zu und schnellt frenetisch hoch bis auf 9.000/min. Also, wenn du nicht schon zuvor das Tempo für überaus enorm genug hältst, was meist der Fall ist. Ansonsten: Jetzt den nächsten Ganz der sechs nicht leicht, aber mit enormer mechanischer Präzision schaltbaren Gänge einlegen.

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Erst wenn man Querkraft in die Gebeine hebelt, macht sich die höhere Widerstandskraft der Sport-Stufe bemerkbar – überaus positiv.

Doch es sind gar nicht die schieren Fahrleistungen, die einen Sportwagen ausmachen, sondern die Dramaturgie der Darbietung. Und die beherrscht der Speedster in einer Opulenz, die selbst bei Porsche einzigartig ist. Das liegt einerseits natürlich daran, dass der Fahrwind mit der ganzen Macht, mit dem der Speedster ihm entgegenstürmt, ins Cockpit tost. Selbst wenn die kleinen Seitenscheiben hochgefahren sind, turbulenzt es ganz erheblich in diesem Drinnen, das ja eigentlich mindestens ein halb-Draußen ist. Andererseits aber hat er so dermaßen viel Grip und einen enorm hohen Grenzbereich, bis zu dem er einfach neutral bleibt – kein Unter- oder Übersteuern.

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Der Handschalter ist übrigens sicher, verspricht Preuninger. Bei den GT3 lägen die Take-Rates um 40 Prozent. „Wir wären ja doof, würden wir das nicht bedienen.“

Schließlich aber kommt es auf die ganze Geschwindigkeit gar nicht recht an, weil der Speedster selbst mit 70, 80 km/h Landstraßen in geradezu operettenhafter Ausschmückung inszeniert. Keine Bodenwelle, ach was, keine Asphaltkrume, über die er nicht mit der Lenkung doziert. Sie spricht so sensibel an, wie das nur eine Porsche-Lenkung kann, und ihre famose Rückmeldung und Präzision mindern nicht einmal die Tatsache, dass sie für die Aufgaben des Richtungswechselns ja die Hinterräder mit einbindet. Die Landstraße und der 911 R, das war schon eine Romanze. Mit dem Speedster, der dich ja dabei direkt in die Landschaft setzt, ist es eine große, wilde Liebe.

Ausgewähltes Klientel

Komfort? Nun, eben eher nein. Wobei es nie wirklich ungebührlich unbequem wird. Die im Vergleich zu den GT-Modellen etwas weicher abgestimmte Federung hat immer noch ein paar Reserven übrig, wenn man sie braucht. Der Motor pflegt Klang- statt Lautstärke, und wer sich an der fehlenden Sitzheizung stört, kann eh gleich das 911 Cabrio bestellen.

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Einer fehlte noch im Bunde 991: Der Speedster. als Idee beim Kaffeekränzchen geboren, kommt er nun quasi als direktumsetzung: Motorsportiv, stilecht, Richtungsweisend.
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"Der 911 ist die Ikone von Porsche, die Ikone des 911 ist der Speedster." Kommentar von Andreas Preuninger, Leiter GT-Fahrzeuge.
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Die Federraten entsprechen exakt jenen des GT3, die zweistufigen Dämpfer jedoch sind etwas lieblicher abgeschmeckt. Beim Dahinrollen spürt man zwischen den Modi kaum einen Unterschied.
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Erst wenn man Querkraft in die Gebeine hebelt, macht sich die höhere Widerstandskraft der Sport-Stufe bemerkbar – überaus positiv.
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Der CFK-Heckdeckel, der trotz seiner Größe nur 10 Kilo wiegt, wölbt sich zu einer Double-Bubble, die das G-Modell einst etablierte.
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Die Frontscheibe ist kürzer, die Seitenscheiben kleiner als beim normalen Cabrio.
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Neu ausgerichtet, aber traditionell: Als erster Speedster ging der 964 auf Tuchfühlung mit den Rennsportmodellen. Der Neue ist nun nichts anderes als ein GT3 mit Mütze.
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Ver- und Entriegelung erfolgen auf Knopfdruck, aber beim Ein- und Ausklappen des Stoffverdecks muss man selbst tatkräftigt mit anpacken.
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Im Grunde setzt er sich aus drei Modellen zusammen. Der verstärkte, breitspurige Rumpf stammt vom Carrera 4 Cabrio, Fahrwerk und Antrieb decken sich weitestgehend mit dem GT3 Touring, die kohlefasernen Karosserieteile im Frontbereich spendete der 911 R. Alles oberhalb der Gürtellinie, also das, was den Speedster zum Speedster macht, ist eigenständig.
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Anziehen? Genauso, bloß andersrum, außer dass noch die beiden Eselsohren der Kapuze festgeclipst werden müssen. Preuninger verrät, dass es sogar Überlegungen gegeben habe, das Verdeck komplett wegzulassen.
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Flirtfaktor gleich Unterhaltungswert: Der Speedster ist ein Gassenhauer – in jeglicher Hinsicht.
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Das Offenfahrgefühl ist intensiv, aber nie zugig. Der Speedster wiegt 120 kg weniger als das aktuelle 992 Carrera Cabrio.
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Mal richtig schön draußen sitzen: Das Heritage-Kit bringt Rennsport-Look der 50er und einen korrespondierenden Innenraum.
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Innen im Cockpit sind grün hinterleuchtete Analoginstrumente zu finden.
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Heritage-Look: Vollschalensitz in Leder cognac mit geprägten Porsche Wappen auf den Kopfstützen, sowie eine Limitierungsplakette mit goldenem Logo.
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Der Handschalter ist übrigens sicher, verspricht Preuninger. Bei den GT3 lägen die Take-Rates um 40 Prozent. „Wir wären ja doof, würden wir das nicht bedienen.“
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Details soweit das Auge reicht: Der „Speedster“ Schriftzug auf Zierblende in goldfarben.
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Passend zu den Aussichten switcht nun auch der sardische Himmel auf rosig um, während der Speedster die letzten Geraden Richtung Wasser inhaliert. Noch einmal reinspüren, ob der Feuereifer der sechs Zylinder auch wirklich nicht verloren ging.

Was man ohnehin in Betracht ziehen sollte. Als Ehrerbietung der ersten Porsche von 1948 gibt es eben auch nur 1.948 Speedster. Wie jeder Speedster vor ihm wird sein Preis bald nur noch einen Bruchteil seines Sammlerwertes ausmachen. 269.274 Euro kostet der Speedster. Oder kostete, denn inzwischen dürften so ziemlich alle ausverkauft sein. All jenen, die es getan haben, können wir nur raten: Der Wind ist gesät, fahrt raus und erntet den Sturm.

Fazit

Ja, wieder ein limitiertes Sondermodell, wieder eine Variante des 911. Aber, Freunde, dieser 911 auf Basis des GT3 ist eben auch wieder grandios, mit Saugmotor, Schaltgetriebe und ohne Komfortgezampel. Ein echter Speedster.

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