Die Antwort gleich vorweg, denn diese Frage kommt stets und ständig: Ja, der 996 fährt sich, wie es sich für einen Elfer gehört, Wasserkühlung hin oder her. Sie glauben mir nicht? Hm, da gibt es eigentlich nur eine Option: Steigen Sie mal in einen 996 ein – ob Coupé oder Cabrio spielt in diesem Fall natürlich keine Rolle –, und Sie werden sich, da gehe ich jede Wette ein, sofort gut aufgehoben fühlen. Allein schon weil der Drehzahlmesser mittig und das Zündschloss selbstverständlich links sitzen. Eben klassisches, über die Jahre gepflegtes und kultiviertes Elfer-Ambiente – der erste Eindruck passt also schon mal. Der zweite Eindruck, und da gebe ich Ihnen recht, mag für einen kurzen Moment irritieren, denn anfangs gibt sich dieser komplett neu konstruierte Hightech-Vierventilboxer noch recht harmlos. Kein metallisches Kipphebelklicken, kein Lüfterrauschen und kein Röcheln mehr, sondern nur ein überraschend braves Brummen.

Vermutlich haben Sie etwas mehr Radau erwartet, erst recht, wenn es sich – wie in diesem Fall – um eine bereits modellgepflegte 996-Version (ab 2001) mit 3,6 Litern Hubraum und 320 PS handelt (vorher waren es 3,4 Liter und 300 PS). Runter vom Hof. Schon die ersten Meter gehen locker von der Hand, und den Stadtverkehr meistert dieser Elfer so problemlos wie ein VW Golf. Wie bitte, von einem Sportwagen haben Sie sich mehr Leidenschaft versprochen? Warten Sie nur, bis Sie draußen auf dem Land sind (mich zieht es derzeit immer in den nördlichen Schwarzwald, wohin es auch die Testfahrer aus dem Porsche-Entwicklungszentrum in Weissach verschlägt – die Strecken dort sind wirklich erstklassig).
Der Motor ist auf Temperatur, und vor Ihnen erstreckt sich hoffentlich Ihre Hausstrecke, kurvig und hügelig. Jetzt wollen Sie wissen, was so ein 996 zu bieten hat, und geben Gas. Ungezwungen und dabei auch noch nahezu vibrationsfrei dreht dieser brillante Wasserboxer in Bereiche, die sonst oft tiefrot sind. Und ab 4.500 Touren stimmt auch wieder der Sound, schallt endlich wieder jenes herrliche Boxersägen durch das Cockpit, von dem die Elfer-Traditionalisten mit ihren gebläsegekühlten Flat Six im Heck so schwärmen. Nein, kein Zweifel, hier arbeitet ein waschechter Sportwagenmotor, der sich mit seinem Drehvermögen obendrein noch deutlich vom alten Boxer unterscheidet: Schluss ist erst bei 7.100 Touren.
Der 996 – ein Bestseller
Sie erinnern sich noch gut an den Aufschrei, als Porsche 1997 mit dem ersten wassergekühlten Boxer um die Ecke kam, und müssen schmunzeln. Weil Sie heute wissen, dass man in Zuffenhausen angesichts wirtschaftlicher Schwierigkeiten die einzig richtige Entscheidung getroffen hat – luftgekühlt waren weder die immer strengeren Abgasvorschriften noch die Ansprüche hinsichtlich der Motorleistung zu realisieren. Das Ende des klassischen Elfer-Motors war definitiv nicht mehr aufzuhalten. Die Neuausrichtung einer traditionellen Linie liefert Porsche trotz aller Missachtung der Elfer-Puristen den dringend benötigten Verkaufserfolg. Als die 996-Baureihe 2005 eingestellt wird, haben insgesamt rund 175.000 Einheiten die Werkshallen verlassen. Von etwas anderem als einem Bestseller zu reden hieße, die Wahrheit zu verdrehen. Langsam kommen Sie ins Schwärmen. Weil dieses Aggregat jede noch so kleine Gaspedalbewegung in Vortrieb verwandelt, während die leichtgängige Lenkung selbst bei schnellen Manövern jederzeit zentimetergenaues Fahren ermöglicht, ohne dass sich gleich Schweißperlen auf Ihrer Stirn bilden würden. Keine fiesen Heckattacken, kein knallharter Kampf Mann gegen Auto, allenfalls ein dezentes Untersteuern. Und jederzeit volle Traktion, erst recht in einem an allen Rädern angetriebenen Carrera 4.
Ja, so ein 996 macht es seinem Fahrer ziemlich leicht, schnell zu sein – was ihm Puristen (einige sogar bis heute!) nie wirklich verziehen haben. Als Softie haben sie ihn damals verspottet, als weich gespültes Mainstream-Modell, das sämtliche Porsche-Tugenden verloren habe. Man könnte es allerdings auch anders ausdrücken: Aus dem Hinlanger-Männerauto ist ein überlegener Sportwagen geworden. Spätestens jetzt denken Sie darüber nach, dass sich ein 996 womöglich doch ganz gut in Ihrer Garage machen würde. Sie biegen auf einen Waldparkplatz ab, um sich das Auto noch einmal in aller Ruhe aus allen Perspektiven anzuschauen. Besonders von schräg hinten sieht dieser Elfer – seiner Taille beraubt – noch bulliger aus als sein Vorgänger, jener fast schon kultisch verehrte 993. Die viel kritisierte glupschige Scheinwerfer-Blinker-Einheit, die sich der 996 aus Kostengründen anfangs mit dem Boxster teilte und die immer ein wenig wie zerlaufene Spiegeleier aussah, wurde bereits 1999 gegen die schärferen Augen des Turbo-Modells getauscht.
Nein, wirklich schlecht sieht so ein Porsche 911 der Baureihe 996 nicht aus, erst recht nach dem Facelift im Jahr 2001, als die letzten Boxster-Elemente – beide Modelle wurden nahezu parallel entwickelt, und der Anteil an identischen Bauteilen beträgt rund 40 Prozent – durch eine modifizierte Front und geänderte Heckleuchten ersetzt wurden. Und noch etwas fällt Ihnen auf: Im geöffneten Zustand ist das zweilagige Stoffverdeck unter einer Klappe verschwunden – ein Novum bei Porsche, denn bis dahin trug jeder offene Elfer sein zusammengefaltetes Dach wie eine wuchtige Nackenrolle unter einer Persenning, die erst noch mühsam geknöpft werden musste. Bei einem 996 Cabriolet hingegen genügt der Druck auf einen Knopf im Armaturenbrett, um 20 Sekunden später in der Sonne zu sitzen. Das Ganze lässt sich aber auch aus der Ferne erledigen – per Infrarotbefehl vom Zündschlüssel aus. Oder, drittens, durch Drehen des Zündschlüssels im Türschloss. Dass der 996 in der Cabrio-Version wegen der neuen Verdeckkonstruktion gegenüber dem offenen Vorgänger 993 über eine höhere Gürtellinie verfügt, weckt zudem Erinnerungen: Die Wölbung der Motorhaube ähnelt der am Heck eines 356 Speedster. Nicht schlecht, denken Sie.
Porsche 996 ist ein Kurvenkünstler

Noch einmal Kurven und Kehren. Sie fühlen sich immer sicherer, was natürlich auch an dieser sensationellen Bremsanlage liegt. Oder an dem Stabilitätsmanagementsystem PSM, über das die Carrera-4-Modelle verfügen und das im Ernstfall in schnellen Kurven eines oder mehrere Räder abbremst, sobald ein Rechner der Meinung ist, dass Sie ein wenig zu übermütig unterwegs sind. Obendrein hat Porsche den offenen 996 mit zwei Überrollbügeln versehen, die sich unter zwei Klappen hinter den Rücksitzen befinden und – ähnlich wie bei einem Mercedes SL der Reihe R 129 – automatisch herausfahren, sobald ein Neigungssensor einen Überschlag befürchtet. In Zuffenhausen war man zudem stolz, als erster Automobilhersteller der Welt auch für ein Cabriolet Seitenairbags anbieten zu können – anfangs gegen einen Aufpreis von 2.007 Mark, ab 1999 gehörte dieses Sicherheitsfeature dann zum Serienumfang. Ebenfalls zum Serienumfang – allerdings seit Anbeginn der 996-Cabriolet-Produktion im Jahr 1998 – gehörte ein Aluminium-Hardtop mitsamt einer beheizbaren Heckscheibe aus Glas. Weil das Stoffdach jedoch bereits sehr gut gegen Lärm und Witterung schützt, verschwand das 32 Kilo schwere Alu-Top meist in den Kellern der Besitzer.
Sie ertappen sich, wie Sie während der Rückfahrt bereits darüber nachdenken, jetzt ernsthaft nach einem 996 Ausschau zu halten. Klar, Sie wollten schon länger einen klassischen Elfer erstehen – wäre da nicht die Sache mit den vollkommen außer Kontrolle geratenen Preisen für die luftgekühlten Modelle. Und natürlich haben Sie auch schon davon gehört, dass weitsichtige Sammler sich bereits den einen oder anderen 996 gesichert haben, beispielsweise einen Turbo, einen GT2 oder GT3, bevor der große Run endgültig losgeht und die Preise auch für diese Baureihe haltlos in die Höhe schießen. Derzeit, darauf spekulieren Sie bei Ihrer Suche, markiert der 996 trotz allem den Einstieg in diesen begehrenswerten Elfer-Kosmos – weil die Gesetze der Straße streng genommen für alle gleich sind: 15 oder 20 Jahre alt? Gestrandet im Tal der Tränen.
Der Vorbesitzer hat die verstärkt anfallenden Wartungskosten gescheut, während andere Elfer-Fans ein so junges Modell eben doch noch nicht auf dem Radar haben. Die fünfte Elfer-Generation schlägt sich zudem mit einem Imageproblem herum: Schäden an Kolben, Zylinderlaufflächen und -köpfen. Zumindest bis zum Facelift im Jahr 2001, als parallel dazu der Hubraum von 3,4 auf 3,6 Liter vergrößert und die Leistung von 300 auf 320 PS angehoben wurde, gilt der Basis-Wasserboxer als, hm, nicht gerade zuverlässig, was heftig am Ruf der Marke knabberte. Die Turbos hingegen basieren auf der kostspieligen und komplexen (und gleichermaßen rennerprobten) Technik des 964, sie genießen den Ruf, sich nur mutwillig zerstören zu lassen. Sie spielen allerdings auch beim Einstandspreis in einer anderen Liga. Sie wägen ab. Ihnen ist nicht nach Experimenten zumute, und Sie wollen natürlich offen durch diesen Sommer fahren. Ein facegeliftetes Carrera 4 Cabriolet mit Handschaltung – das wär’s. Ab etwa 27.000 Euro sollte ein gutes Exemplar aufzutreiben sein. Viel Geld, keine Frage. Aber auch viel Gegenwert. Wenn Sie können, schlagen Sie zu. Am besten heute noch.
Porsche 911 Carrera 4 Cabriolet | |
Grundpreis | 108.855 € |
Außenmaße | 4427 x 1852 x 1300 mm |
Kofferraumvolumen | 105 l |
Hubraum / Motor | 3824 cm³ / 6-Zylinder |
Leistung | 261 kW / 355 PS bei 6600 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 288 km/h |
0-100 km/h | 5,1 s |
Verbrauch | 11,8 l/100 km |
Testverbrauch | 14,6 l/100 km |