Morgan Threewheeler im Fahrbericht:2 Zylinder, 3 Räder, ein Traum

Morgan Threewheeler im Fahrbericht
Zwei Zylinder, drei Räder, ein Traum

Es beginnt schon mit der Wahl der passenden Kleidung. Schwere Motorradkluft mit Helm? Übertrieben. Dreißiger-Jahre-Dandy mit wehendem Schal? Affig. Am Ende genügen Lederjacke und Wollmütze. Dem Morgan ist es sowieso egal, er ist eh ein cooler Typ. Unprätentiös und herzlich begrüßt uns der Morgan Threewheeler mit dem festen Schlag seines luft-/ölgekühlten 56-Grad-V2. 1983 – Kubik, nicht Baujahr. Sieht aus wie Harley, ist aber S & S.

Für die Milwaukee-Fangemeinde ein Unterschied wie tot oder lebendig, uns jetzt mal egal. Hauptsache, das Stoßstangen-Trumm läuft, rüttelt unternehmungslustig an seinen Lagern, liefert Arbeitstakte zum Mitzählen. Irgendwie ist doch fast alles wie früher, als sie in den Backsteinbutzen von Malvern Link noch JAP-Motoren auf ihre Stahlrahmen pflanzten. Selbst heute ist die offizielle Leistungsangabe so vage wie der Endbetrag des Euro-Rettungsschirms – es gibt keine. Manche munkeln von 115 PS, Ziffer P.2 der Zulassungsbescheinigung des Morgan Threewheeler dokumentiert jedoch schwarz auf grau umgerechnet 82 PS bei 5.250/min.

Morgan Threewheeler ohne Schalldämmmaßnahmen

Rein akustisch sollten sie sich vollzählig an der Kurbelwelle einfinden, denn auf nennenswerte Schalldämmmaßnahmen verzichtet der Morgan Threewheeler. Eine kleine Brotdose als Luftfilterkasten und zwei geradewegs zum schlanken Heck abfließende Auspuffläufe genügen.

Gesteuertes Klappensystem? Nix davon. Das Einzige, was hier runterklappt, sind die Unterkiefer staunender Passanten. Elegante Piloten fädeln sich ohne Umschweife zwischen fest montiertem Doppelsofa und Lenkrad in die lederverkleidete Kanzel ein, weniger Talentierte dürfen das raumgreifende Volant auch abnehmen, was beim Einsteigevorgang den Mitleidsfaktor lindert. Zudem hat das Aufstecken danach etwas Erhebendes.

Pin-up-Girl oder den Union Jack

Und erst der Zündvorgang im Morgan Threewheeler: Schutzdeckelchen hochschnippen und Startknopf drücken. Die Briten nennen so etwas "bomb release button". Zumindest die, die noch Bomber Harris hinterhertrauern. Jene dürfen sich aus dem Original-Zubehör sogar Einschussloch-Aufkleber und Kampfflugzeug-Abzeichen aussuchen. Dann doch lieber das Pin-up-Girl oder den Union Jack auf der abnehmbaren Fronthaube, unter der im Wesentlichen der Öltank wohnt.

Jetzt aber Katalog zu und den Alu-Deckel wieder drauf, wir starten. Ob die beiden Zylinder des 121 CI-V2 mit der Motornummer M 5500057 sich wohl jemals haben träumen lassen, quer vor ein Dreirad gepflanzt zu werden? Wo sie vielleicht schon miteinander schacherten, wer seine Rippen vorn in den Fahrtwind stellen darf? Nun pustet sie dieser eben gleichmäßig an. Uns ebenfalls, denn das Pseudo-Cabrio-Gefühl moderner Roadster weist der Morgan Threewheeler von sich, setzt Pilot & Co. hinter den beiden kleinen Frontscheibchen den Elementen aus.

Keine Servo, also kurbeln

Wozu Türen im Holzaufbau mit Aluminiumverkleidung, wenn man den Ellenbogen beim Lenken lässig ins Freie stemmen kann – respektive muss, denn sonst ist es Essig mit flottem Kurbeln am großen Kranz. Keine Servo, Sie wissen schon. Knapp geht es auch im Parterre zu. Fußraum wäre euphemistisch, es drängeln drei Pedale auf dem Platz für zwei, rechts davon drückt der Getriebetunnel. So gilt es, auf drei gefrästen Pedälchen vom Format Parkettstäbchen herumzusteppen, ohne zwei gleichzeitig zu treten. Nach kurzer Eingewöhnung klappt das dann genauso elegant wie das Schalten, wobei die Ex-Fünfgangbox des Mazda MX-5 bei der Transplantation leider einen Teil ihrer Knackigkeit hergab.

Schließlich mussten die Techniker einen Zwischendämpfer installieren, da die Leistungsabgabe des V2 Marke Hammerschmiede das Getriebe zu sehr stresste. Und Stress ist an Bord des Morgan Threewheeler streng verboten. Er zieht uns raus aufs Land, wo geschwungene Kurven, putzige Nebenstrecken und ein paar knackige Spitzkehren warten. Bei etwa 2.000/min pöttert es gelassen und abwechselnd aus den beiden Zylindern, was die links und rechts montierten Auspuffrohre gern mitteilen. Geschwindigkeit – egal, 80 km/h genügen, oder auch mal 100. Maximal schafft der schlanke Halbtonner 185 km/h, doch viel wichtiger ist, wie der Twin nach jedem Gangwechsel wieder anpackt, den Hammer in die Hand nimmt, spürbar viertaktet und aus der Kurve pumpt.

Flugzeug, Motorrad, Auto

Es gibt keine kürzere Verbindung zwischen einmotoriger Flugzeug-Historie, Motorrad und Auto. Zweirad-Abstinente genießen Threewheeler-Methadon, freuen sich über die in den verchromten Scheinwerfergehäusen vorbeisausenden Baumkronen und Wolkenfetzen. Vierrad-Gelangweilte finden zu den Wurzeln des Automobilismus, greifen den Asphalt buchstäblich mit Händen. Angst vorm Umkippen ist im Morgan Threewheeler unbegründet, denn das Handling ähnelt grundsätzlich vierrädrigen Modellen.

Tankinhalt über Schwappgeräusche schätzen

Beim Einlenken sorgen die auf Speichenrädern montierten, grob profilierten 4.00- 19-Reifen für mäßigendes Untersteuern. Erst wenn der Fahrer stramm ans Gas geht, beweist der per Zahnriemen angetriebene 175er-Hinterreifen Drifttalent. Ans Gas geht es hier mit Seil und Einspritzung, beim Einsatz von Elektronik zeigt sich der Morgan Threewheeler ähnlich reduziert wie bei Rädern und Sitzplätzen. Dort, wo sie sichtbar auftritt, wirkt sie neben den gefrästen Kippschaltern im Cockpit deplatziert – etwa bei den digitalen Anzeigen in den Runduhren. Den Tankinhalt vermelden Prozentangaben so exakt wie eine Schätzung des Schwappgeräusches der beiden 20-Liter-Tanks im Heck.

Egal, stehen geblieben sind wir nicht. Im Gegenteil, mit jedem Meter intensiviert sich das Nachdenken darüber, ob nun 39.850 Euro oder ein viertes Rad zu viel sind. Wer darüber erst lange sinnieren muss, sollte gleich zum Morgan 4/4 Sport greifen. Ebenfalls kultig, viel praktischer und auch nur 1.000 Euro teurer – inklusive Verdeck. Threewheeler-Infizierten ist das schnurz, im Falle überraschenden Starkregens verweisen sie auf Spundlöcher im Boden. Coole Typen eben.

Gestern, heute, Morgan

Henry Frederick Stanley Morgan (HFS) baute sein erstes Fahrzeug im Jahr 1909. Einfach so, aus Spaß, in den Werkstätten des Malvern College. Geldgeber war unter anderem sein Vater, Domherr George Morgan. Eigentlich sollte es ja ein Motorrad werden, doch dann entschied sich HFS um und konstruierte den ersten Threewheeler, zunächst noch als Einsitzer mit einer Art Pinne als Lenkung. Diese leichten Cyclecars galten als Motorräder und waren steuerbegünstigt. Sie basierten auf einem Rohrrahmen mit durchgehendem Zentralrohr, einer Motoraufnahme sowie einer unabhängigen Vorderradaufhängung, die im Prinzip bis heute in den Vier- und Sechszylinder-Roadstern zu finden ist.

Später erhielten die Morgan Threewheeler ein normales Lenkrad sowie einen zweiten Sitz, zeitweise gab es sie sogar mit vier Plätzen. Alle bewiesen ihr Potenzial im Alltag, gern aber auch bei Zuverlässigkeitsfahrten (Trials), die über zerfurchtes Terrain führten und bei denen sogar HFS samt Gattin antraten. Hinzu kamen Hochgeschwindigkeitsfahrten, bei denen etwa Pilotin Gwenda Stewart im Jahr 1930 Durchschnittsgeschwindigkeiten von bis zu 186 km/h erzielte. Im Jahr 1936 stellte Morgan dem mit schrumpfenden Absätzen kämpfenden Morgan Threewheeler den 4/4 zur Seite, das erste vierrädrige Auto der Marke. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Threewheeler-Produktion im Familienbetrieb zwar fortgesetzt, doch mit vergleichsweise geringen Stückzahlen, bevor sie Anfang 1953 nach rund 30.000 Exemplaren endgültig auslief.