Mercedes S680 Guard für den Bundeskanzler

Gepanzerte Mercedes S-Klasse mit Allradantrieb
Der Dienst-Guard des Kanzlers

In diesem Artikel:
  • Höchste nicht militärische Schutzklasse
  • Über das Kräfteverhältnis

Es mag bestenfalls ironisch, oft jedoch eher sarkastisch bis makaber klingen, wenn sich die Rüstungsindustrie Unbedarften gegenüber damit zu rechtfertigen versucht, wie sie mit ihren Erfindungen zum Wohlergehen der Zivilgesellschaft beiträgt. Letztlich zählen GPS und das Internet dazu, der perfekte Niveauausgleich der Glattrohrkanone des Leopard-Panzers findet auch bei der Lagerung von Fahrtragen in einem Rettungswagen Verwendung. Tja nun. So richtig mag der ernste Hintergrund selbst dann nicht aus dem Hinterkopf verschwinden, wenn du mit der Gegensprechanlage des Mercedes S 680 Guard herumalberst.

"Weitergehen, bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen!" oder: "Lassen Sie mich durch, ich bin Friseur!" In jedem Fall: mit Ausrufezeichen. Könntest du im Straßenverkehr hier und da schon mal brauchen, so einen Außenlautsprecher. Und: Per Tastendruck gibt die Limousine die Außengeräusche im Interieur wieder. Man kann also alles hören, muss aber nicht. Auch schön. Einfach das Fenster in einer der über 200 kg schweren Türen öffnen? Ja, geht, ergibt aber keinen Sinn.

Höchste nicht militärische Schutzklasse

Wozu schließlich sitzt man denn in einer Limousine, die nach der höchsten nicht militärischen Schutzklasse VR10 gepanzert ist? Eine, wie sie zum Fuhrpark der Bundesregierung zählt? Über 300 Projektile Scharfschützenmunition mit Stahlmantel und Brandsatz, abgefeuert auf kritische Stellen wie A-, B- und C-Säulen sowie Türkanten muss ein Fahrzeug dafür aushalten, die Detonationswucht eines 12,5-kg-Sprengsatzes ebenfalls. Der Mercedes S 680 Guard kann das, als einziges ziviles Fahrzeug, behauptet der Hersteller. Möge kein Kunde je den Wahrheitsgehalt dieser Aussage überprüfen müssen!

Stattdessen möge man den Fahrkomfort genießen, den diese S-Klasse vermittelt. Gut, die Masse von 4,2 Tonnen steht ihm sicher nicht im Weg, doch dem Fahrwerk kommt ja auch die Aufgabe zu, den Dampfer auf Kurs zu halten. Und der Dampfer dampft ordentlich, selbst im flockigen Neuschnee. Das Sechsliter-V12-Turbotriebwerk leistet 612 PS und entwickelt ein maximales Drehmoment von 830 Newtonmetern, mit dem es sicherheitshalber alle vier Räder beaufschlagt.

Mercedes S-Klasse S680 Guard
Mercedes-Benz

Über das Kräfteverhältnis

Die Reifen wiegen rund 50 kg pro Stück und können selbst bei völligem Druckverlust 30 km weit rollen. Doch jetzt verteilt der klassische 4Matic-Allradantrieb mit Zentraldifferenzial in Planetenrad-Bauweise sowie Kegelrädern, die den Seitenabtrieb am Getriebe zu den Vorderrädern bilden, die Kraft im Verhältnis 31 zu 69 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse – und der Guard rauscht durch den Tiefschnee.

Ziemlich ungerührt, bei deaktiviertem ESP mit standesgemäßem Massenträgheitsmoment tatsächlich mal ein wenig über die Haftgrenze hinaus. Es wirkt ein bisschen so, als würde der Bundeskanzler absichtlich vergessen, seine Aktentasche akkurat zu verschließen. So ein Schelm. Über vieles, was diese Art von Fahrzeug zu leisten vermag, spricht man als Hersteller nicht, die Kundschaft wüsste das nicht zu schätzen – auch hier gibt es Parallelen zur aktuellen Politik. Dazu passend: die akustische Abstinenz des V12-Triebwerks, das selbst bei hohen Drehzahlen (ja, damit sind ausdrücklich 4.000/min und mehr gemeint) bestenfalls mit etwas kräftigerem Bariton flüstert.

An den Standarten haften inzwischen die ersten Eiskristalle, das Magnet-Blaulicht haftet tapfer auf der dafür eigens in die Alu-Dachhaut eingearbeiteten Stahlplatte. Möge von allen Spezialitäten des Guard keine eine zivile Anwendung finden müssen! Außer der Gegensprechanlage vielleicht. Etwas, mit dem es sich genau andersherum verhält: die hohe Fahrsicherheit, die unerhörte Souveränität, die natürliche Lässigkeit der S-Klasse, selbst unter diesen extrem widrigen Witterungsbedingungen. Die hat der Guard von der zivilen S-Klasse übernommen.